Bad Kissingen
Wirtschaft

"Sind in der Pandemie zu Fußabtretern geworden": Supermarkt-Mitarbeiter sind wütend - und streiken

Sie halten seit über einem Jahr die Stellung an der Corona-Front und sind seitdem stetigem Druck ausgesetzt. Das wollen die Beschäftigten im Einzelhandel nicht mehr akzeptieren. In Bad Kissingen gab es jüngst den ersten Streik. Was fordern die Angestellten?
Sicherheit vor der Altersarmut und mehr Lohn waren Kernpunkte des Streiks in Bad Kissingen. Foto: Peter König
Sicherheit vor der Altersarmut und mehr Lohn waren Kernpunkte des Streiks in Bad Kissingen. Foto: Peter König

Der Einzelhandel boomt in Bayern. Im vergangenen Jahr stieg der Umsatz laut dem Bayerischen Landesamt für Statistik um knapp sieben Prozent. Laut der Gewerkschaft ver.di erwirtschaften die Beschäftigten Milliarden für die Konzerne. Aber: Vielen Angestellten drohe in dem Sektor die Altersarmut. In Bad Kissingen streikten deshalb am Mittwoch Mitarbeiter des Kauflands.

"Kaufland lässt sich als Krisengewinner in der Pandemie sehen", kommentiert ver.di-Gewerkschaftssekretär Peter König die Situation. "Die Angestellten verdienen mehr Geld für ihre Leistung, sie haben seit über einem Jahr permanenten Druck und müssen mit ihrer Gesundheit hinhalten."

Supermarkt streikt: Trotz viel Arbeit wenig Lohn

Ver.di fordert deshalb 4,5 Prozent mehr Lohn und eine Zulage von 45 Euro im Monat. Außerdem sollen die Löhne der unteren Beschäftigtengruppen auf 12,50 Euro in der Stunde angehoben werden. Damit - und mit einer nachhaltigen Lohnsteigerung - will die Gewerkschaft gegen die Altersarmut ankämpfen.

Zudem setzt sich ver.di dafür ein, dass die Tarifverträge wieder allgemeinverbindlich werden. Um diesen Forderungen Ausdruck zu verleihen, streikten am Mittwochmorgen etwa 30 Angestellte vor der Filiale im Kasernenareal. "Das war der erste Streik in Unterfranken, am Wochenende geht es weiter", sagt Peter König.

Marianne Kungu, eine Angestellte in der Bad Kissinger Filiale des Kauflands, sagt: "Wir sind in der Pandemie zu Fußabtretern der Kunden geworden. Der Druck wächst körperlich und psychisch." Ihr Fazit: "Es wird immer schlimmer."

"Sind zu Fußabtretern der Kunden geworden": Arbeit wird "immer schlimmer"

Die Forderungen von ver.di kennen die Unternehmer im Einzelhandel seit dem 8. März. In der ersten Tarifverhandlung am 3. Mai legten die Arbeitgeber kein Angebot vor. Das sorgt bei Peter König für Unverständnis. "Wir haben nach zwei Monaten nicht mal ein Angebot bekommen. Die Beschäftigten im Handel haben mehr Respekt und Anerkennung verdient."

Seit Beginn der Pandemie arbeiten die Angestellten unter erschwerten Bedingungen. "Darunter fällt zum Beispiel das hohe Infektionsrisiko und der Arbeitsdruck." Seine Meinung: "Die Beschäftigten haben eine deutliche Erhöhung ihrer Löhne und Gehälter verdient." Ihren Unmut äußerten die streikenden Mitarbeiter der Filiale auf ihren Schildern. "Wir sind mehr wert" oder "Das haben wir verdient: Respekt, Wertschätzung, Anerkennung" lies sich auf bunten Karton lesen. Dem stimmt Peter König zu: "Sie haben dafür gesorgt, die Versorgung der Bevölkerung aufrechtzuerhalten."

Nicole Unsleber, eine Mitarbeiterin in der Bad Kissinger Filiale, sagt: "Wir sind hier zu 90 Prozent Frauen. Auf uns kommt mit Familie und Zweitjob eine mehrfache Belastung." Viele Beschäftigte hätten neben ihrem Teilzeitjob im Einzelhandel noch einen weiteren Beruf. Das Damoklesschwert, das sie und ihre Mitstreiter über sich schweben sehen, ist wegen der niedrigen Löhne die Altersarmut. Ausfallen ist für die Beschäftigten in diesem Zusammenhang keine Option. Ihr Wunsch: "Wir wollen wieder mit einem Job fest durchs Leben gehen können." Peter König fügt an: "Es ist irre wie viel im Handel verdient wird und wie wenig davon bei den Leuten, die es erwirtschaften, ankommt."