Beim TV/DJK Hammelburg sind Asylbewerber willkommen. Und mit Namig Mammedov hat der Verein einen Boxer, der zu den besten Sportlern seines Landes gehörte.
Eigentlich vermisst Namig nur das Meer. Ansonsten hat sich der 25-Jährige arrangiert mit seiner neuen Umgebung. Musste er ja. Namig Mammedov ist Aserbeidschaner. Asylbewerber. Und Boxer. Ein richtig guter sogar. In seiner Heimat war Namig Junioren-Landesmeister. Trainierte in Baku, der Hauptstadt, mit den Top-Athleten des Landes, die auch internationale Titel verweisen können. 2011 fand sogar die Weltmeisterschaft der Amateur-Boxer in Baku statt. Boxen ist populär in dem Land zwischen Kaukasus und Kaspischem Meer.
Im Ring kennt sich Namig Mammedov aus. Doch der eigentliche Kampf des jungen Mannes findet außerhalb des Seilgevierts statt. "Ich wurde ungerecht behandelt." Mehr verrät der Faustkämpfer nicht zu den Gründen seiner Flucht aus der Heimat, die vor über einem Jahr in Hammelburg endete. Weltweit gibt es etwa 25 Millionen Aserbeidschaner, im Mutterland leben nur neun Millionen. Konflikte gibt es viele in diesem Teil der Erde.
Der ungelöste Streit um Bergkarabach forderte viele Menschenleben. Der Krieg mit Armenien hatte Anfang der 90er Jahre sogar zu Massenmorden geführt. Baku hat zwei Millionen Einwohner. Und viele Verlockungen. Das Erdöl hat den Staat reich gemacht. Aber nicht alle glücklich. "Ich weiß die Ruhe in Hammelburg zu schätzen. Natürlich hat Baku mehr zu bieten. Halt auch mehr Probleme", sagt Namig. Deutsch spricht der 25-Jährige noch nicht so gut. Besser dafür englisch, "weil wir das zusammen mit russisch in der Schule lernen".
Einfach mal so ans Meer fahren kann Namig nicht, der als Asylbewerber an die Residenzpflicht, und damit an Unterfranken gebunden ist. "Asylbewerber verbringen den Alltag mit Warten. Warten auf den Deutsch-Kurs. Warten auf eine Genehmigung.
Warten auf die Asyl-Anerkennung." Sibylle Unser, Sozialberaterin und Flüchtlings-Helferin bei der Caritas, kennt die Probleme der Hammelburger Neubürger quasi aus erster Hand. Und weiß daher die Arbeit jener Vereine zu würdigen, die sich aktiv für Integration einsetzen. "Verein heißt auch vereinen. Und da zeigt sich Hammelburg extrem freundlich. Das Angebot, Sport zu treiben, ist viel mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein. Und sowieso eine wunderbare Möglichkeit, die Sprache zu lernen", sagt Sibylle Unser.
In der Kampfsport-Abteilung des TV/DJK Hammelburg findet Namig Mammedov exzellente Trainings-Möglichkeiten. Und hat in Alexander Plättner den perfekten Trainer. Nicht nur, weil der Kasache, der 1997 als Aussiedler nach Deutschland kam, ebenfalls russisch spricht.
Der 29-Jährige hat selber viele Jahre erfolgreich geboxt, war im Halbschwergewicht Fränkischer, Bayerischer und Süddeutscher Meister und Mitglied der Bayern-Auswahl.
Dreimal in der Woche trainiert der Vertriebs-Sachbearbeiter, der mit Frau und Kind in Hammelburg lebt, mit Namig und dessen Kumpels Vaalid Tokhosaschwili und Georg Nadoev, die das Thai-Boxen bevorzugen.
Vaalid, der mit Frau und zwei Kindern an die Saale kam, hatte vorher überhaupt keinen Sport betrieben, hat von seinen drei Wettkämpfen sogar zwei gewonnen. "Ich wollte schon immer Kampfsport machen, hatte aber in meiner Heimat keine Möglichkeit", berichtet der Tschetschene, der aus Georgien kam, am Flughafen einen Security-Job hatte - und so gerne in Deutschland leben und arbeiten würde. "Mir gefällt es hier gut. Und die Hammelburger sind uns gegenüber offen. Nur ein paar wenige schauen manchmal etwas komisch", berichtet der 26-Jährige.
Kontakt in die Heimat zu Freunden und Familien-Angehörigen gibt es sporadisch über Telefon oder Internet. "Vereine spielen im Alltag der Asylbewerber eine wichtige Rolle, weil sie eine Art umhüllende Struktur für die Menschen anbieten", sagt es Sibylle Unser mit den Worten der Sozial-Arbeiterin. Die drei Freunde trainieren auch außerhalb der Übungsstunden in der TV/DJK-Halle. Und zwar täglich.
"Die Jungs trinken keinen Alkohol, rauchen nicht, sind extrem ehrgeizig und immer mit dem Herzen dabei", freut sich Alexander Plätter über außergewöhnlich hohes Engagement. "Namig könnte wohl jeden Tag kämpfen, der gibt sogar im Training immer 100 Prozent", erzählt der Trainer. Weil Sparrings-Partner auf diesem Niveau schwer zu finden sind, hat Plättner Kontakte geknüpft zu Boxvereinen aus Gemünden und Würzburg.
Seine offiziellen Kämpfe bestreitet Namig Mammedov allerdings für den TSV Bad Kissingen, "weil wir keine Box-Lizenz haben, die nicht gerade billig ist".
Um die Ausrüstung wie Handschuhe, Mundschutz, Schuhe oder Bandagen muss sich das Trio selbst kümmern, nicht einmal eine richtige Vereinskleidung ist vorhanden. Trainings-Utensilien wie Springseile oder Sandsack konnte der Verein auch dank der Unterstützung vom Bayerischen Landessportverband anschaffen. Als sogenannter Stützpunkt-Verein bekam der TV/DJK Fördermittel für integrative und innovative Projektarbeit durch das Programm "Integration durch Sport." Ein Sponsor wäre willkommen. "Jedes Jahr muss ein Wettkampf-Pass beantragt werden. Der kostet 25 Euro. Und das ist für die Jungs viel Geld", gibt Plättner ein weiteres Beispiel für finanziellen Aufwand.
"Jeder sollte die Chance haben, Sport zu treiben. Das soll am Geld nicht scheitern.
Und wir als Verein haben daher die Türen geöffnet", sagt TV/DJK-Pressesprecher Alfred Ruppert. Die Asylbewerber zahlen einen geringeren Mitglieds-Beitrag, sind damit versichert - und könen auch andere Angebote im Verein nutzen wie den multifunktionalen Body-Spider. "Wir machen das, weil uns die Sache wichtig ist. Umso schöner, wenn dann noch gute Sportler dabei sind."
Namig Mammedov ist sogar besonders gut, hat für die Saalestädter bei einem Internationalen Vergleichskampf gegen einen Kroaten gewonnen und dem mehrmaligen Hessen-Meister ein Unentschieden abgerungen. Als Siebenjähriger hat Weltergewichtler Namig mit dem Faustkampf begonnen, würde mit seinem Sport gerne einmal Geld verdienen. Sein Können will der 25-Jährige im nächsten Jahr bei der Fränkischen und Bayerischen Meisterschaft unter Beweis stellen. "Sport bedeutet für mich alles", sagt Namig, der nur eines will: eine echte Chance.