50 Jahre lang betreute Gerhilde Pfrang die Dorfwaage in Poppenoth. In dieser Zeit wog sie nicht nur beladene Anhänger, sondern auch Tiere und junge Burschen. Seit vier Wochen ist die Waage nun außer Betrieb.
Was hat Gerhilde Pfrang nicht schon alles gewogen: Wohnwagen, Kühe, Eber, Schulkinder und eine Gruppe Jugendlicher. "Ein paar junge Burschen und Frauen wollten wissen, ob sie nach dem Essen schwerer sind als davor", erzählt die 85-Jährige. Seit 1964 betreut sie die Poppenrother Dorfwaage. Nächtlichen Besuch gab es eher selten.
Doch ein paar junge Leute klopften eines Nachts an Gerhilde Pfrangs Haustüre und wollten wissen, ob sie nach der Einkehr schwerer
geworden waren. Da diese bereits mittags bei ihr waren und Bescheid gegeben hatten, machte Gerhilde Pfrang den Spaß natürlich gerne mit. Das Ergebnis: die Jugendlichen waren tatsächlich um einiges schwerer geworden. Um wie viel genau weiß die Waagen-Betreuerin nach all den Jahren nicht mehr.
Der Alltagsgebrauch Normaler Weise wog sie mit Getreide beladene Anhänger von Landwirten aus der Poppenrother
Umgebung. Ungefähr 100 Wägungen kamen binnen eines Jahres zusammen. Jeden Tag hatte die Waage geöffnet - auch am Wochenende. "Viele kamen samstags", sagt Gerhilde Pfrang.
Bis zu zehnTonnen schwer durften die Ladungen sein. Die meisten Kunden riefen vorher an oder klopften einfach an der Türe. "Sie fragten: Na, hast Du Zeit? Und dann war die Sache geritzt", erzählt Pfrang.
Immer vor Ort sein, konnte sie jedoch nur, weil sie direkt neben der Dorfwaage einen Lebensmittelladen betrieb und im Haus nebenan wohnte und immer noch wohnt.
Das Ende der Waage? Aus Altersgründen hat Gerhilde Pfrang nun die Betreuung der Dorfwaage aufgegeben. Dass diese jetzt außer Betrieb ist, kam dennoch etwas plötzlich. "Keiner hat hier Bescheid gesagt.
Sie haben einfach ein Schild hingestellt und fertig", sagt Gerhilde Pfrang.
Ob die Waage wirklich geschlossen wird, ist noch unklar. Zunächst ist sie vorübergehend außer Betrieb. "Wir werden das in den nächsten Wochen mit den Stadträten besprechen", sagt Thomas Hack, Pressesprecher der Stadt Bad Kissingen. Es müsse erst untersucht werden, ob die Waage noch ausreichend genutzt wird und ob sich der Betrieb weiterhin lohne.
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Kindheitserinnerungen Gerhilde Pfrang erinnert sich noch an Zeiten, in denen sie die Waage noch nicht betreute, sondern gemeinsam mit anderen Kindern darauf spielte. "Wir sind auf den Absperrketten hin und her geschaukelt", erzählt Pfrang. Das machten sie damals oft und gerne, weil es sonst nicht viel Spielzeug gegeben habe. Womöglich wird diese Waage, die sie so lange betreute, bald endgültig geschlossen. "Das macht mir nichts", sagt sie. Ein klein bisschen Wehmut lässt sich aus ihrer Stimme aber doch heraushören.