Samstags werden bei der Kissinger Tafel viele Sprachen gesprochen. Mohammad und Shauki sind mitten drin. Die Brüder aus Syrien packen mit an und schaffen sich ein Stück Normalität.
Vor Mohammad und Shauki liegen hart gekochte Eier, verpackt in einer Folie und mit einer Schleife drum herum. Sie sind pink, orange und blau marmoriert. Warum sich jemand diese Mühe gemacht hat, wissen die beiden jungen Männer erst seit Kurzem. Ostern wird in ihrem Heimatland nur von wenigen Menschen gefeiert. Dass die Zwei heute hinter der Theke der Tafel-Ausgabe in Bad Kissingen stehen, war nicht abzusehen.
Eigentlich sollten die Brüder jetzt mit Waffen in einem Land kämpfen, in dem Krieg und Unterdrückung herrschen.
"Das hier ist eine gute Arbeit", sagt Mohammad Yazji auf Englisch. Seit sechs Wochen hilft er mit seinem jüngeren Bruder Shauki bei der Tafel in Bad Kissingen. Verpacken, sortieren, ausgeben und - was in den vergangenen Monaten immer wichtiger geworden ist - vermitteln.
Seit in der Stadt die Flüchtlinge aus den Krisenländer angekommen sind, werden bei der Kissinger Tafel noch mehr Sprachen gesprochen. "Man hört die Leute hier in allen Sprachen reden. Manchmal auch mit Händen und Füßen", sagt Mohammad und wedelt mit den Armen. Mohammad und Shauki verständigen sich bei der Arbeit in der Tafel mit einem Mix aus Deutsch und Englisch.
Ihre Mutterprache, Arabisch, wird nur noch zu Hause in Garitz gesprochen.
Flucht vor dem Krieg Die zwei Männer sind 21 und 19 Jahre alt. Der ältere von beiden, Mohammad Yazji, stand kurz vor dem Abschluss seines Chemie-Studiums, als die Familie aus Syrien floh. Über die Türkei landete sie in Deutschland. Von Würzburg aus ging es nach Bad Kissingen.
Heute leben Mohammad und Shauki mit ihrer Schwester, ihren Eltern und dem Onkel in Garitz. Wären sie geblieben, hätten die Brüder kämpfen müssen, erzählt Mohammad. "Nein", sagt er und schüttelt den Kopf. Das wollten sie nicht. Die Familie flüchtete aus ihrem Land. Ohne den 12-jährigen Bruder von Shauki und Mohammad. Der kam im Bürgerkrieg ums Leben.
"Wir können viel von ihnen lernen", sagt Angela Kahle von der Tafel.
"Über Bräuche anderer Kulturen. Wir bekommen Infos aus erster Hand." Überhaupt, meint Iris Hönig, Vorsitzende der Kissinger Tafel, könne der direkte Kontakt zu den Flüchtlingen aus aller Welt Vorurteile am besten abbauen. Für die Tafel sei das aber ohnehin kein Thema. "Wir haben null Toleranz für Intoleranz.", sagt Iris Hönig.
Einmal hat sie während der elf Jahre, in denen es die Kissinger Tafel gibt, ein Hausverbot ausgesprochen, weil jemand einen rassistischen Spruch gemacht hatte. Sie hofft, dass es bei diesem einen bleibt. Auch heute noch.
Ein Drittel sind Flüchtlinge Im Vergleich zum Vorjahr nutzen 70 Haushalte mehr das Angebot der Tafel.
"Wir haben jetzt so viele Abholer wie bei der Wirtschaftskrise", sagt Hartmut Großmann vom Kissinger Tafel-Team. 601 Menschen versorgen sich dort mit Gemüse, Konserven und Brot. Ein Drittel von ihnen sind Flüchtlinge. Samstags treffen sich in der Salinenstraße viele Kulturen. Die private Einrichtung bietet ihnen das, was ein Großteil der Kundschaft in Märkten und Läden liegenlassen würde. Jede Woche sind das andere Nahrungsmittel.
Das wechselnde Angebot sorgt mitunter für Missverständnisse.
"Wir sind kein Geschäft", sagt Iris Hönig. Bestimmte Dinge wie Käse, Zucker oder Geflügel seien nur in kleinen Mengen im Angebot. Die Tafel könne aber die Haushaltskasse entlasten. Speziell die Betreuer der Asylbewerber müssten besser aufgeklärt werden, meint sie, um die richtige Botschaft weiterzugeben.
Ein weiteres Dilemma ergebe sich durch eine Sonderregelung, die gelte, seit ehrenamtliche Fahrer Flüchtlinge in Gruppen zur Tafel bringen. Damit die Helfer nicht lange warten müssen, muss die Gruppe nicht wie die anderen Nummern ziehen, sondern wird vorrangig bedient. "Andererseits wollen wir ja allen von allem etwas geben", sagt Angela Kahle.
Wie die Tafel reagiert, wenn die Anfragen weiter steigen? Iris Hönig weiß es noch nicht.
Zwei-Wochen-Rhythmus oder Aufnahmestopp? Klar ist, dass sie mehr Helfer braucht, die anpacken. Wie Mohammad und Shauki.
"Es ist ein guter Job, bei dem man armen Menschen helfen kann", sagt Shauki Yazji. Für die Brüder aus Syrien ist der Einsatz bei der Tafel mehr als Abwechslung vom Deutschkurs in der Berufsschule. Sie treffen Leute. Ein Stück Normalität. Und nebenbei erleben sie, was kein Übersetzungsprogramm ausspuckt: "Bassd scho", sagt Shauki und lacht.