Manchmal kommt nicht das Leben, sondern der Tod in den Kreißsaal. Denise Stürzenberger aus Sandberg näht Schlafsäcke für fehl- und totgeborene Kinder. Sie sollen kindgerecht bestattet werden. Das St.-Elisabeth-Krankenhaus nutzt ihr Angebot.
Sechs quietschbunte Baby-Schlafsäcke hat Denise Stürzenberger in einen Karton gepackt. Blumen sind auf den Stoffen zu sehen, Erdbeeren, Tiere. Lustig und froh schauen die Schlafsäcke aus. Es sind kleine Trostspender für die schlimmsten Zeiten, die sich Eltern überhaupt vorstellen können. Denise Stürzenberger hat die Schlafsäcke aus Baumwolle genäht; in verschiedenen Größen, für Jungen und Mädchen. Die 26-Jährige aus Sandberg senkt die Stimme. "Ich mache sie kindgerecht und bunt. Vielleicht würden sie den Kindern gefallen." Die Kinder schauen sich die bunten Farben und freundlichen Muster aber nicht an. Sie können es nicht. In den Schlafsäcken von Denise Stürzenberger werden fehl- und totgeborene Säuglinge beerdigt.
Deutsches Tabuthema? Den Karton hat die gelernte Krankenschwester für das St.-Elisabeth-Krankenhaus in Bad Kissingen gepackt. Denise Stürzenberger hat im Mai angefangen, die winzigen Schlafsäcke zu nähen. Dann hat sie Krankenhäuser mit Geburtsstation im Umkreis von 80 Kilometern angeschrieben, ob die Einrichtungen betroffenen Eltern die Schlafsäcke anbieten oder für anonyme Sammelbestattungen benutzen möchten. Dabei hat Stürzenberger unterschiedliche Erfahrungen gemacht.
"Das ist in Deutschland ein Tabuthema, mit dem kaum jemand etwas zu tun haben möchte", meint sie. Konservativ geprägte Kliniken hätten auf ihre Anfrage eher ablehnend reagiert oder sich nicht gemeldet. Andere Einrichtungen seien froh über das Angebot. In der Region verwenden das St.-Elisabeth-Krankenhaus, das Kreiskrankenhaus Bad Neustadt und das Leopoldina in Schweinfurt ihre Schlafsäcke.
Michael Weigel ist Chefarzt der Frauenklinik am Leopoldina in Schweinfurt. Hier werden jährlich etwa 1300 Kinder geboren. Manchmal kommt aber nicht das Leben, sondern der Tod in den Kreißsaal. Eine traumatische Erfahrung für alle Betroffenen. Trotzdem glaubt Weigel nicht, dass das Thema tabuisiert wird. Seine Einschätzung: "Die Trauer richtet sich nach innen, auf den kleinsten Familienkreis."
Seit 2006 müssen auch fehl- und totgeborene Kinder unter einem Körpergewicht von 500 Gramm bestattet werden, entweder von den Eltern oder der Klinik. Denise Stürzenberger setzt sich dafür ein, dass das mit Würde geschieht. "Es ist doch schlimm, wenn Eltern ihre Kinder nackt oder in Puppenkleidung beerdigen müssten", meint die junge Frau. Normale Babykleidung passe den winzigen Geschöpfen oft nicht. Stürzenberger: "Einige Bestatter haben mir bestätigt, dass sie nicht wissen, was sie den Kindern anziehen sollen."
Warum mein Kind? Das bestätigt auch Gabriela Amon, die als Klinik-Seelsorgerin im St.-Elisabeth-Krankenhaus in Bad Kissingen arbeitet. "Das Thema ist noch neu. Für so einen Winzling hat man nichts anzuziehen", sagt sie. Sie ist froh, dass Denise Stürzenberger mit ihrem Angebot auf sie zugekommen ist. "Diese Schlafsäcke ziehen wir den Kindern an. Wir wollen würdevoll mit ihnen umgehen", sagt sie. Amon betreut die Eltern psychologisch, die ihr Kind verloren haben. Sie begleitet trauernde Mütter, Väter und Angehörige.
Kommt ein Kind tot zur Welt, wird es zunächst in der Pathologie untersucht. "Die Eltern wollen wissen warum", erklärt Amon. Das Warum müsse geklärt werden, sonst plagten sie sich mit Schuldgefühlen. Warum mein Kind, was habe ich falsch gemacht? Nach der Untersuchung werden die Kinder bis zur Beerdigung aufbewahrt. Sie werden einzeln oder in der Gruppe bestattet. Zwei Mal im Jahr bietet das St.-Elisabeth-Krankenhaus eine Sammelbeerdigung an. Manchen Eltern sei das lieber, sagt Amon. Damit die Kleinen nicht so allein sind.
Sohn wurde reanimiert "Man denkt sich immer: ,Das hätte auch mein Kind sein können‘", sagt Denise Stürzenberger. Bei ihrem jüngsten von drei Söhnen habe nicht viel gefehlt. "Er war tot bei der Geburt und musste reanimiert werden." Erst habe das Kind normal geschrien, dann plötzlich leblos an ihrer Brust gelegen. Seitdem lässt der Schock die junge Mutter nicht mehr los.
Stürzenberger will den Betroffenen beistehen, weil sie sich vorstellen kann, wie sehr man leidet. Deshalb näht sie die Schlafsäcke. Sie will, dass die Eltern sich nicht auch noch sorgen müssen, ob ihr Kind nackt begraben wird. "So eine Situation hat genug Trauer und Schmerz. Nichts in der Welt macht das wieder gut."
Fehl- und Totgeburten Bei Fehlgeburten wird medizinisch zwischen Früh- und Spätaborten unterschieden. Von einem Frühabort spricht man, wenn das Kind bis zur 14. Schwangerschaftswoche stirbt. Ein Spätabort bezeichnet die Fehlgeburt ab der 15. Schwangerschaftswoche.
Laut Frauenklinik des Leo poldina Schweinfurt sind die häufigsten Ursachen für einen Frühabort Chromosomenstörungen. Bei Spätaborten gibt es verschiedene Ursachen wie vorzeitige Blasensprünge, Wehen und Plazentalösung.
Frühaborte gibt es häufig. Laut Frauenklinik hat nahezu jede dritte Frau eine frühe Fehlgeburt erlebt. 2013 wurden im Leopoldina 91 Fälle gezählt. Im St.-Elisabeth-Krankenhaus sind es jährlich zwischen 60 und 80 Fälle. Spätaborte sind seltener. Im Leopoldina waren es elf Fälle 2012 und 16 Fälle 2013.
Stirbt ein Kind in einer fortgeschrittenen Phase der Schwangerschaft, während oder kurz nach der Geburt, spricht man von einer Totgeburt. Die Überlebenschancen eines Kindes ab der 32. Schwangerschaftswoche liegen bei weit mehr als 90 Prozent. Im Leopoldina kamen 2012 und 2013 je zwei Kinder tot zur Welt.
Für Kinder unter 500 Gramm haben Eltern ein Bestattungsrecht. Wollen oder können sie das nicht wahrnehmen, werden die Kinder von den Kliniken beigesetzt. Für Kinder über 500 Gramm besteht eine Bestattungspflicht der Eltern.
Spenden Stürzenberger ist auf Stoffspenden angewiesen. Weitere Infos finden Sie hier .
Frau Stürzenbergers ehrenamtliches Engagement ist zu würdigen. Aber neu und tabu ist das Thema des Kindstodes nicht. So gibt es z.B. in Schweinfurt seit vielen Jahren eine Selbsthilfegruppe, die betroffenen Eltern mit Rat und Tat zur Seite steht. Da gibt es seit 1996 den Candle-Light -Day, wo mit einer Kerze im Fenster und Gottesdiensten am 2. Sonntag im Dezember den totgeborenen Kindern gedacht wird. Seit 15 Jahren gibt es diesen ökumenischen Gottesdienst in Schweinfurt. "Konservative" Kliniken sind eher dem Angebot gegenüber ablehnend? Wenn mit "konservativ" konfessionell gemeint ist, dann hat das möglicherweise einen bestimmten Grund: Weil den Mitarbeiterinnen und den Seelsorgenden dieser Kliniken schon lange die Würde der totgeborenen Kindern bewußt ist und sie schon vor Frau Stürzenberger dafür gesorgt haben, dass die Kinder liebevoll umsorgt, und ganz bestimmt nicht nackig, beigesetzt werden. Keine Ablehnung der Sache oder gar von Frau Stürzenberger, aber einfach kein Bedarf des speziellen Angebotes von Frau Stürzenberger, weil es seit Jahren eine eigene gute, würdevolle Praxis und Erfahrung gibt.
wie Wolf123 richtig geschrieben hat, ist es kein neues Thema, aber als Mitbetroffene habe ich es erst erlebt, dass die kleinen eben nichts anhaben, ein Baby in der 16. Woche hat aber schon alles, also ein kompletter kleiner Mensch, der aber nirgends reinpasst. Die Schlafsäcke sind eine sehr schöne und würdevolle Geste von Fr. Stürzenberger, die es den Eltern nicht erleichtern soll, aber dennoch das Baby wohl behütet zeigen soll. Einfach freundlicher, als mit einem Tuch abgedeckt auf einem kleinen Kissen liegend in einem Körbchen.
Und das gibt es leider........ und es schaut nicht schön aus! Natürlich ist das nicht überall so, aber doch viel zu oft.
Ich unterstütze Fr. Stürzenberger gerne und finde es schade wenn Krankenhäuser ablehnen.