Theater Schloss Maßbach: Der Fuchs geht um

3 Min
Auf der Suche nach dem Fuchs sind Ingo Pfeiffer (links) und Benjamin Jorns im Stück "Foxfinder" im Theater Schloss Maßbach. Foto: Sebastian Worch
Auf der Suche nach dem Fuchs sind Ingo Pfeiffer (links) und Benjamin Jorns im Stück "Foxfinder" im Theater Schloss Maßbach.  Foto: Sebastian Worch

Die fiktive Geschichte, die in dem Stück "Foxfinder" erzählt wird, ist erstaunlich nahe an deutscher Vergangenheit. Dem Theater Schloss Maßbach gelingt eine spannende Inszenierung.

Es läuft schlecht, ganz schlecht auf dem Hof der Coveys. Die Ernte ist abgesoffen, sie werden ihre, von der Planwirtschaft verlangten Erträge, nicht erzielen können. Der Tod ihres Sohnes, auf den sie alle Hoffnung gesetzt hatten, lässt die Bauersleute Samuel und Judith verzweifeln.

Da greift der Staat ein, untersucht die Misere, schickt William Bloor. Der findet die Ursache der Misere. Es sind intelligente Füchse. Sie kontaminieren die Bauernhöfe, beeinflussen das Wetter, manipulieren den Verstand, verschleppen Kinder. Sie müssen bekämpft werden.

Bloor ist dafür ausgebildet, ist Foxfinder. Der eiskalte Technokrat entpuppt sich aber als besessener Erfüllungsgehilfe des Staates. Samuel misstraut dem Fremden, aber als der den Tod des Kindes nicht ihm, sondern den Füchsen anlastet, beginnen die permanenten Gifttropfen des Foxfinder zu wirken, sucht Samuel selbst nach Spuren und Zeichen, glaubt sie zu finden, während Bloor, verunsichert, weil er trotz akribischer Suche nach Symbolen keinen Fuchs zu sehen bekommt und verwirrt von Gefühlen für Judith zu zweifeln beginnt. Mehr und mehr nistet Misstrauen in allen Winkeln, wird greifbar und bricht sich Bahn in einem großen Showdown, bei dem alle Dämme brechen und alle Kartenhäuser einstürzen.


Gestern noch Realität

Brecht, Miller und Kafka mögen Pate gestanden haben bei der Geschichte aus einer Zukunft, die die Menschen so nicht wollen, dabei aber vergessen haben, dass sie so ähnlich vor der eigenen Haustür passiert und draußen in der Welt Realität ist. Der jungen Britin Dawn King gelingt mit der raffinierten Parabel über einen Überwachungsstaat ein überraschender Theaterhit. Gemeingefährliche, übersinnlich begabte Füchse sind das Feindbild, das ein überforderter Staat aufbaut, um die Macht der herrschenden Clique durchzusetzen und so vom desaströsen Zustand der Gesellschaft abzulenken. Faschistische Regulierungswut, lückenlose Überwachung, das Ausspähen der Intimsphäre, hochnotpeinliche Verhöre und feige Denunziation, so könnten die Füchse der Autorin auch genannt werden.

Dawn King hat die Methoden totalitärer Staaten studiert, Anschauungsunterricht gibt es zuhauf. Stasi-Protokolle waren sicher auch dabei. Der Fuchs ist in dieser fiktiven Welt Inbegriff alles Bösen. Sind die Bestien in der Nähe, wird menschlicher Verstand manipuliert. Je länger das Stück dauert, desto mehr durchdringt alptraumhafte Suche nach Selbstbestimmung die Psyche der Personen. Der Fuchs ist die Überwachungskrake, die das Leben der harmlosen Landbevölkerung ausspioniert, sich einmischt, Misstrauen sät. Der Verrat am Guten im Menschen, bricht deren Charaktere auf, vermeintliche Zeichen und Symbole stürzen ihre Welt ins Chaos.


Hochaktuelles subtil inszeniert

Augustinus von Loës Regie lässt das Stück sich entwickeln, gibt den Personen Zeit zu wirken. So steigert sich von Szene zu Szene das Unbehagen, wandelt sich mehr und mehr zum Grauen und steuert auf ein Ende zu, das wie ein Ungewitter über alle hereinbricht. Stilsicher steigert Stephan Schoder mit blau-rot-grün phosphoreszierenden Lichtspielen und unheilverkündendem Regen, die Spannung. Robert Pflanz hat dazu ein raffiniert spartanisches Bühnenbild aus verwirrender Fachwerkkonstruktion geschaffen. Durchsichtig, veränderbar, zum Verschieben, Umstellen, Auseinanderfalten. Ohne Vorhang werden die jeweils kurzen Szenen in immer neue Kulissen gestellt. Die Schauspieler selbst richten Hof, Küche, Schlafräume oder Hochsitz her, bleiben stets sichtbar. Nein, wie Füchse schleichen sie nicht, sie trippeln in unwirklich gebückter Haltung eher wie Kaninchen auf zwei Pfoten über die dunkle Bühne. Kein Zufall, Kaninchen sollten noch eine Rolle spielen in dem Symbolstück, das aus England kommt, aber überall auf der Welt spielen könnte. Daniela Zepper lässt die Schauspieler aber ohne Experimente in britischen Understatement Gewändern agieren.


Schauspielern viel abverlangt

Dem vielschichtigen, getriebenen Charakter der Nachbarin Sarah gibt Lisa Oertel ausdrucksstarke, zweifelnde Züge. Benjamin Jorns zeigt als Foxfinder William Bloor, akkurat gescheitelt mit Weste und Krawatte, den Bauersleuten von der ersten Sekunde auf, wer hier das Sagen hat. Eiskalt ohne jegliche menschliche Regung. Brillant, die verschämt lüsterne Befragung über das Sexualleben des Ehepaars. Seine Maske fällt, als ihm unvermutet Judith im Unterrock begegnet.

Überzeugend hat Benjamin Jorns in dieser Inszenierung sein großes Talent unter Beweis gestellt. Eine glänzende Figur gibt auch Susanne Pfeiffer ab. Sie kämpft als Judith wie eine Löwin gegen das Unheil, vermittelt verzweifelte Stärke, um später, spärlich bekleidet, mit unterkühlter Erotik den Foxfinder um den Verstand zu bringen. Ingo Pfeiffer hat als Samuel überzeugt. Seine Ängste, die Kontrolle über das eigene Leben zu verlieren, die Wandlung vom verzweifelten, gebrochenen Versager zum Fuchsjäger und zum Rächer sind ihm wieder einmal glänzend gelungen.


Weitere Vorstellungen

Foxfinder wird noch bis zum 31. Januar und dann wieder vom 5. bis 27. März im intimen Theater und auf Gastspielen gegeben.