Nüdlingen will Nahwärmenetz in Bürgerhand

Mit einem Großaufgebot regionaler Praktiker und Berater warb Bürgermeister Harald Hofmann (CSU) in einer Bürgerversammlung für ein "Nahwärmenetz in Bürgerhand" und die Gründung einer Genossenschaft. Deren Aufgabe soll es sein, die Nüdlinger Haushalte und Betriebe zu versorgen und dabei heimische, regenerativer Energieträger zu verwenden, um damit von globalen Lieferanten sowie russischem oder arabischem Gas und Öl unabhängig zu sein.
Die Idee dazu kam bereits 2018 auf, also weit vor der aktuellen Energiekrise, die allerdings nach Meinung des Bürgermeisters die Notwendigkeit des Vorhabens umso deutlicher macht. Die Experten-Runde lieferte nun Informationen zur Gründung einer lokalen Genossenschaft und sollte im ersten Schritt die Aufstellung einer vorbereitenden Arbeitsgruppe ermöglichen, um dieses Projekt voranzutreiben.
Bürgermeister Josef Demar aus Großbardorf (Landkreis Rhön-Grabfeld) und Vorstand Reinhold Behr berichteten vom wirtschaftlichen Erfolg ihrer bereits 2009 gegründeten Genossenschaft FWR Energie eG, die nach Inbetriebnahme ihrer Heizzentrale im November 2011 inzwischen zu 95,5 Prozent mit Biogas, drei Prozent mit Hackschnitzel und nur zu 1,5 Prozent mit Heizöl arbeitet. Behr erläutert: "Wir nutzen, was im Dorf vorhanden ist." Insgesamt wurden seitdem in verschiedene Projekte wie Solardächer, eine Biogasanlage und Windräder etwa 36 Millionen Euro investiert. Vom erforderlichen Eigenkapital (neun Millionen Euro) kam die Hälfte von Bürgern Großbardorfs.
Lokal und rentabel
Den wirtschaftlichen Erfolg zeigte Behr anhand des Beispiels eines vor der Genossenschaftsgründung im Jahr 2009 errichteten Bürgersolarkraftwerks, das schon jetzt nach einer Laufzeit von 13 statt der kalkulierten 16 Jahre eine Rendite von 5,9 Prozent erwirtschaftete und nach 16 Jahren voraussichtlich zwölf Prozent bringen wird. Bis dahin wird sich die Gewerbesteuer zugunsten des Gemeindehaushalts auf 650 000 Euro summiert haben.
Seit Juni ist eine vergleichbare Genossenschaft in Fuchsstadt (Landkreis Bad Kissingen) in Gründung, wie Bürgermeister René Gerner und Vorstandsmitglied Robert Volpert berichteten. Momentan wird eine Machbarkeitsstudie erarbeitet. "Man braucht Leute, die den Anfang machen", appellierte Volpert an die Nüdlinger. Dem schloss sich auch Burkard Schramm an, Vorstand der bereits 2011 gegründeten Nüdlinger Energie-Genossenschaft, die seitdem in zwei Windkraftanlagen und andere Kleinprojekte acht Millionen Euro investiert hat. "Das Fachwissen haben wir uns eingekauft, aber die Umsetzung selbst besorgt, um Geld zu sparen", sagte er. Für das nun geplante Nahwärmenetz sei die Gründung einer neuen Genossenschaft nötig: "Wir allein können das nicht stemmen, betonte Schramm.
Auch Landwirt Mathias Klöffel, Geschäftsführer der Agrokraft GmbH in Bad Neustadt, die damals schon Großbardorf beriet, machte den Nüdlingern Mut: "Ihr habt schon eine Genossenschaft, auf deren Erfahrung ihr zurückgreifen könnt." Als Helfer bei der technischen Umsetzung boten sich Prokurist Steffen Lindner und Wilfried Helfrich, Geschäftsführer des Ingenieurbüros Helfrich, aus Oerlenbach an, die ebenfalls in Großbardorf mitwirkten.
Bürgermeister Hofmann wies darauf hin, dass vor Beauftragung eines Ingenieurbüros das Rathaus zu einer europaweiten Ausschreibung gesetzlich verpflichtet wäre, weshalb er dringend zur privaten Initiative aufrief: "Nüdlinger, wir brauchen euch! Wenn ihr es selbst in die Hand nehmt, könnt ihr alles erreichen und seid unabhängig."
Die kritische Frage aus der Zuhörerschaft, warum sich Bürger beteiligen sollen, nicht aber die Gemeinde, beantwortete Hofmann mit dem zu hohen Energieverbrauch aller gemeindlichen Immobilien mit jährlich knapp 1,5 Millionen Kilowattstunden, wovon allein auf Schlossbergschule und Schlossberghalle die Hälfte entfällt. "Letztlich ist der Anschluss an das genossenschaftliche Nahwärmenetz eine wirtschaftliche Entscheidung", ergänzte Reinhold Behr. "Bei den heutigen Energiepreisen sind wir in Großbardorf konkurrenzlos."
Wie geht es weiter? Der erste Schritt ist die Gründung einer Genossenschaft. Erst später folgt die praktische Arbeit. "Wir haben viele Landwirte und die Gemeinde hat über 900 Hektar Wald", sah der Bürgermeister beste Möglichkeiten zur Nutzung regenerativer Energieträger im Ort. Nach nochmaligem Appell von Mathias Klöffel meldeten sich sechs Zuhörer zur Bildung einer Arbeitsgruppe, um das Bürgerprojekt aktiv voranzutreiben.