Ein gewaltsamer Angriff in der Bad Kissinger Innenstadt sorgt für Aufsehen: Ein Rentner verletzt eine junge Frau schwer. Opfer und Nachbarn fühlten sich lange Zeit von den Behörden im Stich gelassen. Am Donnerstag kam die Wende.
Diana M.* war zur falschen Zeit am falschen Ort. Vergangene Woche wollte sie einen Bekannten in der Innenstadt besuchen, es war zwischen zwei und drei Uhr nachts. Sie hatte gerade an der Tür geklingelt, als ein 76-Jähriger sie grundlos beschimpfte und angriff. Die 26-jährige zierliche Frau fiel zu Boden, woraufhin der Rentner, ein großer, rüstiger Mann, weiter zuschlug und zutrat. "Ich habe um mein Leben geschrien", erzählt sie geschockt. Laut ärztlichem Attest zog sich Diana M. eine blutende Wunde am Kopf und der Unterlippe zu, außerdem wurde sie an Schulter und Rippen verletzt. Erst als ihr Bekannter einschritt, ließ der Angreifer ab. So geben sie und
der Polizeiberichtden gewaltsamen Angriff wieder.
Rechtsextreme Parolen Der 76-Jährige schilderte bei einem Besuch in der Redaktion seine Sicht der Dinge. Er sei von der Frau provoziert und gekratzt worden. Daraufhin sei das Gerangel entstanden, bei dem auch er verletzt wurde. Sichtbare Verletzungen, etwa Kratzspuren im Gesicht oder an den Händen, hat er jedoch nicht davongetragen.
Der Mann ist bei der Polizei Bad Kissingen bekannt. "Es gibt mehrere Anzeigen, die derzeit gegen ihn laufen", sagt der stellvertretende Dienststellenleiter Elmar Hofmann. Der Rentner habe in der Vergangenheit immer wieder auf sich aufmerksam gemacht, meist durch Ruhestörungen, derbe Beleidigungen oder mit rechtsextremen Parolen. 2012 habe es Ärger mit einem Nachbarn gegeben, danach sei es jedoch ruhiger geworden. "Seitdem ist er einmal handgreiflich geworden und das war gegen das Mädchen", berichtet Hofmann. Seit Ende August wurde der 76-Jährige wieder auffälliger. Er wird zum Beispiel beschuldigt, im Park eine junge Frau und ihr Kleinkind verbal heftig attackiert zu haben. Der Vorfall ereignete sich nur wenige Tage nach dem nächtlichen Angriff auf Diana M.
Keine akute Gefährdung Für die Behörden liegt der Verdacht nahe, dass der Rentner psychische Probleme hat. Die Polizei hat nach dem Angriff auf Diana M. das Amt für Ordnung und öffentliche Sicherheit am Landratsamt informiert. Die Behörde kann anordnen, dass psychisch kranke Menschen klinisch untergebracht werden, wenn sie sich oder andere akut gefährden. Aber: Eine akute Gefährdungslage ist "erkennbar nicht gegeben", sagt Abteilungsleiter Tim Eichenberg.
Nachbarn haben Angst Der Übergriff auf Diana M. hat in der Bad Kissinger Innenstadt für viel Aufsehen gesorgt. Die Aufregung ist deshalb so groß, weil der Rentner im Zusammenhang mit einer ganzen Reihe unschöner Vorfälle steht. Nachbarn berichten, dass der Mann sie seit Jahren terrorisiere. Dazu gehören lautes Gebrüll, Beleidigungen, Sachbeschädigungen, Drohbriefe, Ruhestörungen mitten in der Nacht. "Es war ein halbes Jahr lang ruhig. Jetzt ist er viel aggressiver geworden. Es hat sich alles hochgeschaukelt", sagt Thomas Schmitt*.
Der Soldat lebt seit zwei Jahren mit seiner Lebensgefährtin Sonja und dem neunjährigen Sohn über dem Rentner. Mit dem Mann in einem Mietshaus zu wohnen sei beklemmend und furchteinflößend, schildert das Paar. "Ich habe Angst, jedes Mal, wenn er die Tür zuschlägt", sagt Sonja Schmitt*. Sie versuche es zu vermeiden, ihrem Nachbarn allein zu begegnen. "Unser Sohn hat teilweise schon Angst, abends allein heimzukommen", meint ihr Freund.
Situation seit Jahren angespannt Immer wieder hat das Paar Anzeige erstattet und die Polizei auf seine Ängste hingewiesen, An der Situation hat das allerdings lange nichts geändert. Dass ihr Nachbar nach dem Angriff die weitere Nacht in seiner Wohnung verbracht hat und von den Beamten nicht mitgenommen wurde, empört sie. "Ich bin maßlos enttäuscht, dass man uns nicht zur Seite steht", klagt Thomas Schmitt. Die Anwohner und das Opfer Diana M. fühlen sich im Stich gelassen. Sie befürchten, dass der 76-Jährige wieder körperlich aggressiv wird.
"Es muss klar sein, worüber hier gesprochen wird. Wir entziehen möglicherweise einem Menschen die Freiheit", sagt der stellvertretende Polizeichef Hofmann. Ordnungsamtsleiter Eichenberg schließt sich an. "Um jemandem die Freiheit zu nehmen, sind sehr hohe Hürden zu überwinden gestellt", betont er. Weil keine akute Bedrohung vorliege, habe er juristisch keinen Handlungsspielraum. Eichenberg zeigt Verständnis für die Nachbarn: "Ich weiß, dass die Lage für sie lästig und beklemmend ist." Jetzt sei die Justiz am Zug.
Täter sitzt in U-Haft Mittlerweile ist die Staatsanwaltschaft Schweinfurt aktiv geworden. Oberstaatsanwältin Ursula Haderlein bestätigt, dass der 76-Jährige bis auf Weiteres in Untersuchungshaft sitzt. Er wurde am Donnerstag verhaftet und gestern einem Ermittlungsrichter vorgeführt. "Es hat weitere Straftaten in jüngerer Zeit gegeben", sagt sie. Die Vorwürfe wurden jetzt zusammengefasst und verdichtet. Laut Haderlein besteht vorerst keine Notwendigkeit, den Mann klinisch unterzubringen. Die Ermittlungen sind abgeschlossen, der Rentner wird angeklagt.
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Die Namen des Opfers und der Nachbarn wurden geändert, um Rückschlüsse auf die Identität des Täters zu verhindern, Anmerkung der Redaktion.
Die Aussagen der Polizei (Hofmann) und Landratsamt (Eichenberg) erschrecken. Machen Gesetze einen Zugriff auf einen gemeingefährlichen 76 jährigen Mann, dessen Identität auch noch geschützt wird, wirklich unmöglich? Man kann doch daraus nur lesen, dass erst das Opfer von dieser Person totgeschlagen werden muss, bevor die genannten Behördern einschreiten. Das soll Gesetz sein? Oder ist es der bundesweit bekannte, leichtsinnige Umgang der Behörden. Immer wieder lesen wir, dass Behörden der Angelegenheit nicht die nötige Aufmerksamkeit schenken, sich auf geltende Gesetze berufen und erst dann einschreiten, wenn die Alarmglocken auch keine Hilfe mehr für die Opfer bringen. Einfach eine erschreckende Vorstellung!
Das geht natürlich nicht ! Aber mit der Gesundheit oder gar mit dem Leben unschuldiger kann man ja leichtsinnig umgehen. Immer das gleiche die Täter werden geschützt und die Opfer können sehen wo sie bleiben.
Außerdem hat dieser Typ durch sein Verhalten die Freiheit und Sicherheit anderer Menschen erheblich beeinträchtigt. Zählt das nichts?
..eine derartige Handlungsweise nicht sein! Und es ist unverständlich, dass dagegen nichts unternommen werden kann - muß es erst zu Ausrastern dieses "Menschen" kommen bei dem jemand krankenhausreif (oder noch schlimmer) geprügelt wird?
Kann jemand, der Nachbarn terrorisiert und anscheinend rechte Parolen grölt dies ohne Konsequenzen tun? Kann man solch einem Typen nicht wenigstens Auflagen machen z.B. regelmäßig in ein Anti-Agressionstraining oder zu einer Therapie zu gehen - und bei nochmaliger Auffälligkeit raus aus dem öffentlichen Leben und weggesperrt? - denn so scheint er ja eine echte Bedrohung für die Öffentlichkeit zu sein wenn er sein Agressionspotential nicht in den Griff bekommt...
Wieviel kann und darf sich so ein "Mitbürger" eigentlich (noch) erlauben, muß es tatsächlich erst noch zu einem noch gravierenderen Zwischenfall kommen?