Vor 30 Jahren wurde das erste Teilstück der kommunalen Entlastungsstraße in Münnerstadt für den Verkehr freigegeben.
Die Entlastungsstraße gehört heute so selbstverständlich zu Münnerstadt wie die historische Altstadt. Dabei ist es noch gar nicht so lange her, dass aller Verkehr sich durch die Innenstadt zwängte und sich damals regelrechte Staus in der Ortsdurchfahrt bildeten. Im August vor 30 Jahren wurde das erste befahrbare Teilstück der neuen kommunalen Entlastungsstraße für den Verkehr freigegeben. Eine wirkliche Entspannung bedeutete dies zwar noch nicht für die verkehrsgeplagte Altstadt, denn die Entlastungsstraße führte ab der Kreuzung Reichenbacher Straße lediglich bis zur nördlichen Stadteinfahrt an der Kreuzung Meininger Straße/Coburger Straße. Aber die erste Hürde war geschafft, darunter auch der Brückenau in der Laueraue.
Die städtischen Vertreter hatten jedoch den Termin dieser halb offiziellen Teileröffnung tatsächlich verschlafen. Eine halbe Stunde wurde auf den Bürgermeister gewartet, die Münnerstädterin Hildegard Dallner hatte sogar eine Flasche Sekt zur Feier des Tages mitgebracht, ist in einer Ausgabe der Münnerstädter Zeitung vom August 1989 nachzulesen. Irgendwann entschlossen sich die Vertreter der Baufirma, die Verkehrsschilder selbst wegzutragen. Die Straße konnte fortan genutzt werden, auch ohne Segen des Bürgermeisters.
Im März 1988 waren die Bauarbeiten für den Bau der Entlastungsstraße gestartet. Vorausgegangen war eine jahrelange Planung. Zehn Jahre hat es gebraucht, erinnert sich der damalige geschäftsleitende Beamte im Rathaus, Bernd Eckert, zurück. Er weiß auch, dass die Straße nicht unumstritten war. Bereits in den 1960er Jahren hatte der Stadtrat eine vom Staat favorisierte große Umgehung abgelehnt. Denn die Ortsdurchfahrt war damals und noch viele Jahre später eine Bundesstraße, die B 19. Gerade bei Geschäftsleuten, blickt Eckert zurück, sei die Furcht groß gewesen, mit einer Fernumgehung trete der Poppenhäuser Effekt ein - Münnerstadt verwaist wirtschaftlich, weil die Straße den Ort zu weit umfährt.
Allerdings nahm in der Folge der Verkehr durch die Innenstadt immer mehr zu. So reifte die Entscheidung des Stadtrates, eine kommunale, altstadtnahe Entlastung für die Bundesstraße zu bauen. Daher der Name Entlastungsstraße und nicht Umgehungsstraße, erläutert Eckert. Hätte man auf eine neue Planung des Bundes gewartet, wäre die Straße wohl nicht vor den 2000er Jahren fertiggestellt worden, schätzt Eckert.
In der Diskussion damals sieht Bernd Eckert durchaus Parallelen zur heutigen Debatte in Nüdlingen. Auch die kommunale Entlastungsstraße habe im Stadtrat und der Bevölkerung Befürworter und Gegner gehabt. Stadtarchivar Klaus-Dieter Guhling war zu dieser Zeit Stadtrat und Gegner des Projekts. Damals habe man geglaubt, dass diese Straße dem Gymnasium schade und die Einheit zwischen Studienseminar und Schule zerschneide, erinnert er sich zurück. "Die Straße hielten wir deshalb für falsch". Bernd Eckert sind die Demos noch in guter Erinnerung, die Schüler vor das Rathaus führten. In selbstgebastelten Särgen begruben sie symbolisch das Gymnasium. Doch trotz der Proteste wurde gebaut.
Ein Umdenken habe sich aber schnell eingestellt, als die Grenze geöffnet wurde, erinnert sich Klaus-Dieter Guhling. Da seien alle froh gewesen, dass Straße entstand. "Wir wären dauerhaft im Dunst der Trabis dauerhaft versunken", erklärt Eckert bildlich. Denn mit der Grenzöffnung im November 1989 bekamen die Münnerstädter eine Ahnung, wie viel Verkehr ihnen zukünftig bevorstehen wird und alle schienen froh, dass der Bau der Entlastungsstraße schon weit fortgeschritten war. Und das Gymnasium, stellt Klaus-Dieter Guhling rückblickend fest, habe durch die Erdwälle einen guten Schutz erhalten. Er selbst hat nach der Fertigstellung nie Klagen gehört, dass der Verkehr störe. Ein ähnliches Reizthema sei wenige Jahre später der Autobahnbau gewesen, betont Klaus-Dieter Guhling. Mittlerweile sieht er diese ebenfalls positiv, zumal sich gezeigt habe, dass sich die negativen Auswirkungen für Münnerstadt in Grenzen halten.
Doch zurück in den August 1989. 7000 Quadratmeter Grundstücksfläche waren zu dieser Zeit von der Stadt Münnerstadt für den Straßenbau erworben worden, unter anderem vom Augustinerorden, denn die Trasse führte über die Freizeitanlagen des Studienseminars. Ende März 1988 musste der Gasthof "Zur Eisenbahn" weichen, der dem Projekt ebenfalls im Wege stand. Im Frühjahr 1989 war der Startschuss für die Arbeiten in der Bahnhofsstraße, deren neue Trasse Teil der Entlastungsstraße wurde.