Vor 50 Jahren sollte Münnerstadt eine Realschule bekommen. Doch daraus wurde nichts. Vor 20 Jahren gab es den letzten Vorstoß in diese Richtung.
Als Schulstandort ist Münnerstadt von großer Bedeutung. Neben Grund- und Mittelschule gibt es das humanistische Gymnasium, das Berufsbildungszentrum mit sechs Schulen, eine Musikschule, eine Volkshochschule und das Bundesausbildungszentrum der Bestatter. Jetzt kommt mit der Montessori-Schule Rhön-Saale zumindest vorübergehend eine weitere Grund- und Mittelschule hinzu. Früher gab es auch noch eine Sonderschule, nur eine Schulform blieb immer ein Wunschtraum: die Realschule. Dabei war sie vor 50 Jahren zum Greifen nah. Die Stadt hätte sogar in die eigene Tasche gegriffen, um diesen Traum zu realisieren.
In einem Zeitungsbericht aus dem Jahr 1970 heiß es, dass der Landkreis bereits ein Grundstück gekauft habe. Anfang 1971 war die Realschule Thema im Stadtrat. "Die seit zwei Jahrzehnten von der Stadt unternommenen Bemühungen für eine Realschule in Münnerstadt scheinen erfolgreich zu werden", hieß es im Bericht über diese Sitzung in der Zeitung. "Obwohl die Trägerschaft für weiterführende Schulen zu den Aufgabenbereichen des Landkreises gehören, ist die Stadt bereit für eine in Münnerstadt zu errichtende Realschule die Trägerschaft zu übernehmen. Dann wäre die Voraussetzung für eine Gesamtschule in Münnerstadt komplett."
Dem Vorschlag des Hauptausschusses, 25 Prozent des ungedeckten Sachbedarfs zu übernehmen, gab der Stadtrat damals einmütig seine Zustimmung. "Im Zusammenwirken mit dem Landkreis Bad Kissingen sind nunmehr alle Voraussetzungen formell erfüllt, und die Einplanung der Realschule in den Schulentwicklungsplan bringt das Vorhaben in Sichtweite", hieß es damals.
Kurz danach beschäftigte sich der Kreisausschuss mit dem Thema. Darüber berichtete die Zeitung unter der Überschrift "Realschule Münnerstadt spätestens ab dem Schuljahr 1972/73". Damals empfahl der Kreisausschuss dem Kreistag zu beschließen: 1. Der Landkreis errichtet als Schulträger in Münnerstadt eine Realschule für Jungen und Mädchen, voraussichtlich ab 1972/73. 2. Der Schulbetrieb soll zum frühestmöglichen Zeitpunkt, spätestens ab Schuljahr 1972/73, notfalls unter Anmietung von Schulräumen, aufgenommen werden. 3. Der ungedeckte Aufwand für den Bau und den Betrieb der Schule wird zu 75 Prozent vom Landkreis und zu 25 Prozent von der Stadt Münnerstadt getragen. Der Landkreis stellt an das Staatsministerium für Unterricht und Kultus den Antrag, die Realschule Münnerstadt in den Schulentwicklungsplan aufzunehmen.
Mit begriffen wie "frühestmöglich" und "spätestens" sollte man vorsichtig umgehen. Was im Schuljahr 1972/ 73 nicht eröffnet wurde, war eine Realschule. Der Prozess zog sich in die Länge. Aber am 26. Mai 1973 gab es gute Nachrichten aus München: "Das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus in München hat mit dem Schreiben vom 15. Mai 1973 an den Bürgermeister der Stadt die Aufnahme der Errichtung einer Realschule für Knaben und Mädchen in Münnerstadt in den Schulentwicklungsplan offiziell genehmigt."
Staatssekretär Erwin Lauerbach schrieb damals: "Es freut mich, Ihnen Herr Bürgermeister, mitteilen zu können, dass die Aufnahme der Errichtung einer Realschule für Knaben und Mädchen in den Schulentwicklungsplan möglich war. Die Veröffentlichung des Schulentwicklungsplans in der neusten Fassung wird in der voraussichtlich Ende Mai erscheinenden Nummer des KMBI erfolgen. Die Regierung von Unterfranken und der Landkreis Bad Kissingen erhalten Abdrucke dieses Schreibens." Auf die damals in der Zeitung prophezeite "wertvolle Bereicherung auf schulischem Sektor" warten die Münnerstädter allerdings bis heute.
"Wir hatten uns sehr gefreut, dass eine Realschule nach Münnerstadt kommt," erinnert sich Anneliese Albert, die 1973 als Lehrerin an die Grundschule kam. Es habe allerdings in Bad Neustadt und Bad Kissingen Bedenken gegeben, dass die Münnerstädter ihnen die Schüler wegnehmen. Ob die Nachbarstädte in München interveniert haben, oder ob die Verantwortlichen im Kultusministerium von sich aus Zweifel bekommen haben, ist heute schwer nachvollziehbar. Fest steht nur, dass keine Realschule gekommen ist.
"Was in den Schulentwicklungsplan aufgenommen wird, kann auch wieder herausgenommen werden", sagt Leo Pfennig, der damals noch studierte, dann über Jahrzehnte als Jurist im Kultusministerium war. Er spricht von einer regelrechten Bildungsoffensive Anfang der 1970er Jahre. Es habe eine Aufbruchstimmung geherrscht, vor allem was die weiterführenden Schulen angeht, die damals in Bayern durchschnittlich von weit weniger Schülern besucht worden als in anderen Bundesländern. Er selbst habe damals die Realschule mehr als verständlichen Wunsch der Münnerstädter wahrgenommen, dessen Umsetzung eher unwahrscheinlich war, so Leo Pfennig.
Das war aber noch nicht der letzte Akt. In den Jahren 2000/01 beschäftigte sich der Kreistag mit der Erweiterung der Realschule in Bad Kissingen, die aufgestockt werden sollte. Ganz spontan sei ihm die Idee gekommen, man könnte stattdessen doch einen Teil der Realschule nach Münnerstadt auslagern, und zwar ins ehemalige Kreiskrankenhaus, das zu dieser Zeit leer stand, sagt Hartmut Hessel, der damals Stadt- und Kreisrat war. "Die Idee ist auf fruchtbaren Boden gefallen, sogar der Schulleiter war nicht abgeneigt", erinnert er sich. Dazu habe es schon einen Prüfauftrag gegeben. Hartmut Hessel spricht allerdings von einer gewissen Abwehrhaltung, die er in der Landkreisverwaltung gespürt habe.
Im November 2001 kam die Absage vom Kultusministerium. Es gebe keine sachliche Notwendigkeit für die Errichtung einer Teilrealschule in Münnerstadt, hieß es. Das Netz der Realschulen im Umland sei ausreichend. Außerdem würde eine wie auch immer bezeichnete zusätzliche Realschule in Münnerstadt die Schule in Bad Königshofen gefährden. Auch könne das erforderliche Lehrpersonal nicht zur Verfügung gestellt werden.
Das war's. Seither hat es keinerlei Bestrebungen mehr gegeben. Bürgermeister Michael Kastl schließt aufgrund der zunehmenden Zentralisierung aus, dass eine zusätzliche Realschule in Münnerstadt kommen könnte. "Der Trend geht eher in die andere Richtung." Meist seien Realschulen in Kreisstädten und in früheren Kreisstädten zu finden (Hammelburg, Bad Brückenau, Bad Königshofen, Mellrichstadt). "Münnerstadt ist nie Kreisstadt gewesen."