Vor 50 Jahren wurde das Ende des rein humanistischen Gymnasiums verkündet, was nicht bei allen gut ankam. Doch bis heute gibt es Schüler, die Altgriechisch wählen.
Ein neusprachlicher Zweig am Münnerstädter Johann-Philipp-von-Schönborn-Gymnasium: Als die Zeitungen im April 1970 die Nachricht veröffentlichten, war das das eine. Ab dem Schuljahr 1970/71 duften die Schüler in der 9. Klasse Französisch statt Altgriechisch wählen. Das Echo darauf war höchst unterschiedlich. Während die einen das Ende des humanistischen Zweiges voraussagten, sahen das andere sehr positiv. "Das wurde damals aber auch Zeit", sagt beispielsweise Klaus Dieter Guhling, der Deutsch und Latein am Schönborn-Gymnasium unterrichtete. Das Kuriose daran: 310 Jahre lang war das Schönborn-Gymnasium ein rein humanistisches. Doch es übernahm mehrfach Vorreiterrollen, beispielsweise bei der Einführung der Kollegstufe , bei der Ganztagsschule oder bei der Einführung von Tablet-Klassen.
"Diese Entscheidung stellt einen wesentlichen Einschnitt in der Geschichte des Münnerstädter Gymnasiums dar. 310 Jahre lang besaß Münnerstadt das einzige humanistische Gymnasium im nördlichen Unterfranken", was damals in der Zeitung zu lesen. Es folgte eine lange Liste mit Namen bedeutender Politiker und Wissenschaftler, die alle durch die "Rhönuniversität" in Münnerstadt gegangen waren. "Sie alle sind noch eng mit Münnerstadt verbunden", hieß es, was sich an den vielen "Mürschter Zirkeln" zeige. Der Autor ging auch auf das bevorstehende Studiengenossenfest im Jubiläumsjahr 1970 ein, in dem das 1200-jährige Bestehen Münnerstadts gefeiert wurde. "Die meisten dieser ehemaligen Münnerstädter werden es zutiefst bedauern, wie bereits aus Zuschriften ersichtlich ist, dass der rein humanistische Charakter des Münnerstädter Gymnasiums nicht mehr gewahrt bleibt", hieß es.
Andererseits habe der Wunsch vieler Eltern, die für ihre Kinder die gleichen Bildungsmöglichkeiten wie an den anderen Gymnasien der Umgebung wünschten, nicht übergangen werden können. Die Pluralität der Gesellschaft erfordere auch eine Erweiterung des Bildungsangebotes.
Die Einführung des neusprachlichen Zweiges sei nötig gewesen, um die Zukunft des Gymnasiums zu sichern, sagt Klaus Dieter Guhling dazu. Außerdem habe ja nach wie vor die Möglichkeit bestanden, Altgriechisch zu wählen. "Es gab natürlich auch Stimmen, die befürchteten, dass das humanistische Gymnasium, der altgriechische Zweig sterben würde." Solche Befürchtungen seien auch verständlich gewesen. "Aber es hat sich gezeigt, dass Französisch nicht das Ende von Altgriechisch bedeutet, es gibt immer eine kleine Gruppe, die Altgriechisch wählt."
Der heutige Schulleiter Peter Rottmann, der 1976 ans Schönborn-Gymnasium kam und 1985 sein Abitur ablegte, gehörte zwar nicht dazu, aber auch er ist stolz darauf, dass es den humanistischen Zweig noch immer gibt.Heute bezeichnet sich die Schule als sprachliches Gymnasium. In der fünften Klasse wird prinzipiell mit Latein und Englisch begonnen, in der achten Klasse können die Schüler zwischen Spanisch, Französisch und Altgriechisch wählen. Bei Bedarf wir ab der zehnten Klasse auch noch Italienisch unterrichtet.
Obwohl die Einführung von Französisch im Jahr 1970 nicht bei allen gut ankam, so setzte die eigentlich nur einen bereits begonnen Weg fort. Auch die Zeitung kam damals zu dem Schluss: "Jedenfalls beweist das Schönborn-Gymnasium mit dieser Einführung erneut, dass es nicht im Traditionalismus stecken bleibt, sondern bestrebt ist, eben aus seiner Tradition heraus seinen Ruf als Bildungsstätte weiterzuentwickeln." Die Auflockerung der Eingangsstufe und die Einführung der Springerklassen seien erste Schritte gewesen. "Die Erprobung des Oberstufenmodells, das für ganz Bayern verpflichtend werden wird, schloss sich an", heiß es damals.
Jener Modellversuch, der bereits 1969 in Münnerstadt gestartet wurde, bekam den Namen "Münnerstädter Modell" und wurde Mitte der 1970er Jahre als Kollegstufe in ganz Bayern eingeführt. 2011 legte der letzte Kollegstufenjahrgang sein Abitur ab. Das Schönborn-Gymnasium beteiligte sich am Schulversuch "Europäisches Gymnasium", führte als eines der ersten Gymnasien das achtjährige Ganztagsgymnasium ein, es war beteiligt am Schulversuch "Seminarfach", am "Brückenkurs Englisch" und nimmt jetzt eine Vorreiterrolle bei den Tablet-Klassen ein. Auch wenn einerseits inzwischen die kleinen Computer den Unterricht prägen, so kann noch immer Altgriechisch als Teil einer humanistischen Bildung gewählt werden - 50 Jahre, nachdem manche Skeptiker das Ende nahen sahen.