Das unaufhaltsame Behördensterben in Münnerstadt

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Im Deutschordensschloss war bis vor 90 Jahren das Finanzamt untergebracht. Ein Anbau führte in die Amtsschreiberwohnung.Archiv Christian Neugebauer/Repro Heike Beudert
Im Deutschordensschloss war bis vor 90 Jahren das Finanzamt untergebracht. Ein Anbau führte in die Amtsschreiberwohnung.Archiv Christian Neugebauer/Repro Heike Beudert
Ein Amtsgericht (Gebäude im Bild hinten) gab es bis 1973 in Münnerstadt.Bestand Stadtarchiv
Ein Amtsgericht (Gebäude im Bild hinten)  gab es bis 1973 in Münnerstadt.Bestand Stadtarchiv
 

Münnerstadt war einst auch eine Behördenstadt. Doch im 20. Jahrhundert veränderte sich das. Vor 90 Jahren wurde das Finanzamt geschlossen.

Knapp 100 Jahre lang war Münnerstadt Sitz eines Rent- bzw. Finanzamtes. 90 Jahre sind es in diesem Jahr bereits wieder, dass das Amt geschlossen wurde. Kreisheimatpfleger Christian Neugebauer ist auf dieses Datum bei Recherchen über das Münnerstädter Deutschordensschloss gestoßen.

Über das Rentamt, das ab 1879 Finanzamt hieß, gibt es in der Stadt nur wenige Unterlagen. 1832 kam die Einrichtung von Poppenlauer nach Münnerstadt. Für die Behörde und den Einbau von Personalwohnungen musste das seit 1806 leerstehende Schloss saniert werden. "Kalt und düster" wird das Gebäude in Unterlagen aus der damaligen Zeit beschrieben. Die Räume im Parterre waren unbrauchbar, weil sie oft mehrmals im Jahr von Hochwasser überschwemmt wurden. "Die Reparaturkosten erscheinen vorzüglich so hoch, weil dieses Gebäude seit der Auflösung des deutschen Ordens im Jahre 1806, also gegen 24 Jahre unbenutzt und größtenteils unbewohnt dasteht, und vorzüglich an den Teilen durch die Verwendung zu einem Lazarett in den Jahren 1814 und 1815 alles verdorben worden ist", heißt es in einer Akte aus dem Staatsarchiv in Würzburg.

Trotzdem wurde das Gebäude zum Rentamt umfunktioniert. Bei einer Versteigerung 1832 wurden alle entbehrlichen Baumaterialien, auch viele Öfen, entfernt, sogar eine Windfahne und Türknöpfe wurden versteigert. Dann wurden Büroräume und Wohnungen für die Beamten eingerichtet.

Interessant findet Kreisheimatpfleger Neugebauer, wie jede Neunutzung das Schloss baulich verändert hat. "An dem Gebäude ist ständig herumgebaut worden", so der Eindruck des Kreisheimatpflegers durch seine Recherchen. So wurde vermutlich im späten 19. Jahrhundert neben dem bestehenden Erker ein Treppenhäuschen angebaut, das heute nicht mehr existiert. Über diesen Fachwerkanbau gelangte der Schreiber des Finanzamtes in seine Wohnung im Obergeschoss des Lauerflügels.

Die Schließung der Behörde, kam im Jahr 1928, als größere, zentrale Finanzämter geschaffen wurden. Neuer Finanzamtssitz für die gesamte Region wurde damals Bad Neustadt. Es war in diesem Jahr die dritte Behörde, die Münnerstadt im frühen 20. Jahrhundert verlor. Bereits 1919 war die Distriktschulbehörde am Ort aufgelöst worden. Bis 1924 hatte auch eine Nebenstelle des Zollamtes Bad Kissingen in Münnerstadt existiert.

Im Stadtarchiv Münnerstadt gibt die Zulassungsarbeit von Elke Königer (heute Hillmann) Informationen über das Behördensterben in Münnerstadt. Die wissenschaftliche Arbeit aus dem Jahr 1976 beschreibt, welche Einrichtungen bis dahin existierten oder verlagert wurden. Im Stadtarchiv, so Archivar Klaus-Dieter Guhling, sei ansonsten oft wenig über die einstigen staatlichen Ämter zu finden, da deren Verwaltung nicht in den Zuständigkeitsbereich der Stadt fiel. Dass die Stadt im Laufe der Jahrzehnte ihre Ämter und damit ihre Bedeutung als Behördenstandort verloren hat, führt Klaus-Dieter Guhling auch auf die Lage Münnerstadts zwischen den Kreisstädten Bad Kissingen und Bad Neustadt zurück.

Vielfalt an Behörden

Neben Finanzamt, Zollamt, Schuldistriktbehörde gab es einst im Städtchen noch ein Vermessungsamt (Schließung 1933), das Amtsgericht (bis 1973), eine Polizeistation (bis 1962) , ein Dekanat (bis 1974), ein Postamt, eine Bahnhofverwaltung und ein Forstamt. Die drei letzt genannten hielten sich im Städtchen am längsten, wobei sich bei Bahn und Post schon Jahre zuvor ein langsames Auslaufen angekündigt hatte. Der Stationsbetrieb am Bahnhof war ab 1994 Vergangenheit, während Forstamt und Postamt 2004 bzw. 2006 endgültig aus der Stadt verschwanden.

Auch Proteste der jeweiligen Bürgermeister und Stadträte halfen nicht, das Behördensterben aufzuhalten, zeigt altes Archivmaterial. Wie in der Zulassungsarbeit zu lesen ist, schrieb der Stadtrat bereits 1928 ein Protestschreiben an den Reichstag, in dem ein Verbleib des Finanzamtes in Münnerstadt gefordert wurde. Damals bezeichnete das Gremium die Verlegung als "verkehrte Politik der Sparsamkeit". Massiv hatte die Stadt auch gegen die Schließung des Vermessungsamtes protestiert, wiederum ohne Erfolg. Besonders hartnäckig soll - so geht es aus der Zulassungsarbeit hervor - der Protest 1955 gegen die Schließung des Amtsgerichtes gewesen sein. Beim Amtsgericht bewirkte die Resolution, die nicht nur von Kommunalpolitikern, sondern auch von Geschäftsleuten oder Studiengenossen unterzeichnet war, zumindest eine Schonfrist. Erst 1973 schloss die Behörde.

Gefühl der Ohnmacht

"Dem Amtsgericht trauert man bis heute nach", meint Altbürgermeister Eugen Albert, der in seiner Amtszeit als Münnerstädter Bürgermeister ebenfalls miterleben musste, wie Behörden im Ort geschlossen wurden. Es sei jedes Mal ein Verlust an Bedeutung, stellt er fest. "Aber man war ohnmächtig", ergänzt er dazu.

Mit Bedauern sieht er deshalb, dass mit dem Jahresende nun eine weitere Institution im Städtchen verloren geht: Der Fahrkartenverkauf mit persönlicher Beratung am Münnerstädter Bahnhof. Der pensionierte Bahnbeamte Adolf Kieslich hatte diesen noch immer in privater Regie betrieben. Aber auch dieses Kapitel geht nun zu Ende.