Kultur im gleichen Takt

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Kulturelle Veranstaltungen locken vor allem Tagestouristen in die Rhön. Künstler und Kulturschaffende fordern, dass der Landkreis Bad Kissingen endlich stärker mit seinem Nachbarn Rhön-Grabfeld zusammenwächst. Foto: Archiv/ Anja Vorndran
Kulturelle Veranstaltungen locken vor allem Tagestouristen in die Rhön. Künstler und Kulturschaffende fordern, dass der Landkreis Bad Kissingen endlich stärker mit seinem Nachbarn Rhön-Grabfeld zusammenwächst. Foto: Archiv/ Anja Vorndran

Künstler fordern, dass sich der Landkreis besser mit seinem Nachbarn vernetzt. Für die Szene und den Tourismus.

Vor zwei Jahren sind Vertreter aus der Gastronomie und der Künstlerszene zusammengerückt. Ihr Ziel: den Tourismus besser mit der Kultur verbinden - und umgekehrt. Bei einem sogenannten "Zukunftsworkshop" setzten sie sich auf Einladung des Landkreises zusammen. Heute kritisieren Beteiligte, dass seit dem Treffen "nichts passiert" sei. Obwohl konkrete Pläne geschmiedet wurden.
Michael Pfaff ist Chef der Tourismus GmbH Bayerische Rhön. Er ist gezwungen, vernetzt zu denken.
Ideen spinnen, Kontakte knüpfen - das ist sein Ding. Aber: Die Leute müssen wollen, meint er. "Die Landkreise Bad Kissingen und Rhön-Grabfeld wachsen langsam zusammen", formuliert er es diplomatisch. In Sachen Kultur scheint es noch länger zu dauern. Dabei lockt gerade die einige Tagestouristen in die Region.


Wir sind eine tolle Region, aber ...

Der Tourismus-Chef sieht trotzdem noch Luft nach oben. "Wir sind kulturell eine tolle Region. Aber wir haben es noch nicht geschafft, das mit dem touristischen Image der Rhön zu verbinden." Genauso, wie es noch nicht gelungen ist, die Verständigung über die Kulturarbeit der beiden benachbarten Landkreise herzustellen, so die Kritik aus der Künstlerszene. Dabei hatte sich der Landkreis Bad Kissingen vor zwei Jahren vorgenommen, das zu ändern.
Künstler, Museumsleiter, Gastronomen und Hoteliers, Vertreter von Kulturvereinen, Tourismusvereinen und Musikschulen wurden nach Oberbach ins "Haus der Schwarzen Berge" geladen. Unter dem Arbeitstitel "Zukunftsworkshop Tourismus und Kultur in den Landkreisen Bad Kissingen und Rhön-Grabfeld" wurde an einem Mittwochabend Ende Mai diskutiert und beratschlagt. Ein Hamburger Unternehmensberater für Tourismus und Freizeit moderierte die Veranstaltung - organisiert vom Landratsamt. Es wurden Ziele ausgearbeitet und Projekte und Maßnahmen formuliert, unter anderem eine Kulturagentur, die landkreisübergreifend agiert und eine Website, auf der Veranstaltungen beider Landkreise angekündigt werden. Umgesetzt wurde von all dem bis heute nichts.
"In solchen Workshops kommen die Akteure zusammen und vernetzen sich", sagt Cordula Kuhlmann. Sie ist Regionalmanagerin im Landkreis Bad Kissingen und hat sämtliche Förderprogramme im Blick. Sie berät Bürgermeister und Privatleute bei der Frage, welches Programm zu welchem Projekt passt. Speziell eines hebt sie immer wieder hervor: "Leader ist ein Katalysator." Der Workshop diente laut Landratsamt der Erstellung der sogenannten "Lokalen Entwicklungsstrategie". Damit hat sich der Landkreis die Anerkennung als Förderregion gesichert. Ohne diesen Status könnte der Landkreis keine neuen Leader-Förderprojekte beantragen. Der Zukunftsworkshop habe dazu wichtige Impulse erarbeitet, heißt es aus dem Amt. Doch das allein reicht einigen Teilnehmern nicht.


Künstlerin fordert Weitblick

"Es ist wohl nicht von politischem Interesse, ansonsten wäre es angegangen worden", sagt Mia Hochrein. Die Künstlerin aus Münnerstadt fühlt sich vom Landratsamt nicht ernst genommen. "Wir als Kreative haben nur die Quote erfüllt. Wir waren die Bürgerbeteiligung", sagt sie heute, zwei Jahre nach dem Workshop in Oberbach. "Es fehlt am Weitblick - mal über den Tellerrand schauen." Was in Bad Brückenau und Hammelburg los ist, komme bei ihr in Münnerstadt gar nicht an, sagt sie. Ein Kulturkalender für beide Landkreise gemeinsam - das sei die beste Lösung.
"Es liegt nicht in der Verantwortung der Akteure, immer wieder nachzubohren", sagt Bernhard Gößmann-Schmitt, Haus "Erlebenskunst" in Ramsthal. Er fordert: "Mehr Ausdauer. Wenn man was anstößt, muss man dahinterbleiben." Auch wenn er wisse, dass dafür Manpower nötig ist: "Wahrscheinlich ist das Amt überlastet."


Am Ende profitieren die Touristen

"Das ist Landkreis-Aufgabe", sagt Mia Hochrein. Sie schätze die engagierten Mitarbeiter im Amt. Aber: "Man müsste es wieder anstoßen. Seit zwei Jahren ist nichts passiert." Eine Kulturagentur im Landkreis, wie bei den Nachbarn in Rhön-Grabfeld, würde Künstlern und Kreativen wir ihr helfen, meint Mia Hochrein. Und letztendlich auch den Touristen, sagt sie.
Bernhard Gößmann-Schmitt hatte sich für das "Erlebenskunst"-Haus in Ramsthal schon ausgemalt, künftig ein größeres Einzugsgebiet ansprechen zu können. "Schade für die Zeit und die Energie. Die Veranstaltung an sich war gut. Leider ist nie mehr darüber gesprochen worden." Er ist nebenberuflich als Gästeführer unterwegs und bekommt immer öfter die Rückmeldung von Besuchern, dass die auch wegen der Kultur in die Rhön gereist sind, erzählt er. "Kultur und Weingenuss gehören zusammen. Winzer sind Künstler." Ein bisschen was vom Landkreis Rhön-Grabfeld abschauen und stärker verschmelzen, das wünscht er sich.
An den Nachbarn orientieren, das stellt sich auch Hans Dietrich Unger erfolgversprechend vor, wenn es um die Kultur-Kommunikation geht. Er ist Galerie-Gründer, Mitgründer des Kunsthauses in Bad Brückenau und Vorsitzender der örtlichen Musikschule. Hans Dietrich Unger war bei dem Zukunftsworkshop vor zwei Jahren nicht dabei und liefert trotzdem eine Einschätzung. "Ich habe den Eindruck, Bad Kissingen ruht sich auf dem Kissinger Sommer und dem Winterzauber aus." Ihm kommt in der politischen Wahrnehmung vor allem die bildende Kunst zu kurz. Der Landkreis sollte ein bisschen mehr Rücksicht auf die Kunstszene nehmen. "Man sollte bei der Kulturagentur gemeinsame Sache machen."


Das "Wir-Gefühl" entscheidet

Michael Pfaffs Appell klingt nach. Er ist sich sicher: Eines vermag die beste Werbung nicht zu erzeugen - das "Wir-Gefühl". Dabei sollen Aktionen helfen, die der Tourismus-Chef "identitätsstiftende Projekte" nennt. "Wir sind Rhöner Bier" und "Frankens Saalestück" sind solche. "Wenn sich die Einheimischen nicht mit der Marke Rhön identifizieren, wie will ich es dann dem Gast vermitteln?", meint er. Von so einer Einstellung profitiere die Region. Und am Ende der Tourismus.