Jugenschöffen hatten ihren ersten Tag

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Christian Metz und Brigitte Ascherl sind neue Jugendschöffen am Bad Kissinger Amtsgericht. Foto: Benedikt Borst
Christian Metz und Brigitte Ascherl sind neue Jugendschöffen am Bad Kissinger Amtsgericht. Foto: Benedikt Borst

Christian Metz und Brigitte Ascherl sind als Schöffen am Menschen, nicht an Akten interessiert. Ihr erster Fall ist eindeutig, aber ungewöhnlich.

Christian Metz und Brigitte Ascherl haben kein Strafrecht studiert und sind dennoch Gewichte auf Justitias Waagschalen. Sie sind zwei von 26 neuen Schöffen, die zu Jahresbeginn ans Amtsgericht Bad Kissingen berufen worden sind. Die nächsten fünf Jahre sind sie Teil des deutschen Justizapparats. Sie entscheiden über Schuld und Unschuld und können Menschen bis zu vier Jahre ins Gefängnis schicken.

Neutrale
Beobachter

Zehn Minuten vor Beginn ihrer ersten Verhandlung als Jugendschöffen: Metz und Ascherl sitzen im Beratungsraum und unterhalten sich leise. Die einzige Türe führt in den Verhandlungssaal 030 des Bad Kissinger Amtsgerichtes. Hier wird die Palette krimineller Machenschaften verhandelt. Hier müssen sich Menschen verantworten, die betrunken Auto gefahren sind, Drogen gekauft, Mitmenschen betrogen, geschlagen, sexuell missbraucht haben.

Im Verhandlungssaal hat die Staatsanwältin Platz genommen. Ihr gegenüber sitzt der Verteidiger, ein bulliger Mann Mitte 60. Er wirkt wie jemand, der weiß, wie er sich durchsetzt. Der Angeklagte an seiner Seite ist das genaue Gegenteil: ein schlanker, junger Mann, der noch seinen Platz im Leben sucht.

Bislang wissen Christian Metz und Brigitte Ascherl nicht, was ihm vorgeworfen wird. "Damit wir unvoreingenommen in die Verhandlung gehen können", erklärt Ascherl. Schöffen sind Laienrichter, die einem Berufsrichter zur Seite gestellt werden. Sie sind kein Beiwerk, sondern schultern dieselbe Verantwortung. Sie sind gleichberechtigt zu dem Berufsrichter. Das heißt, sie können ihn bei der Urteilsentscheidung überstimmen. In aller Regel fällen die Richter aber ihr Urteil im Konsens.

Fünf Minuten vor der Verhandlung betritt Matthias Göbhardt das Beratungszimmer, schwer bepackt mit den Akten, Gutachten und Gesetzesbüchern. Der Direktor des Amtsgerichts ist der einzige Richter in Bad Kissingen, der Prozesse mit Schöffen leitet. "Wir verhandeln heute eine ungewöhnliche Sache", klärt er die Schöffen auf. Die Schuld des Angeklagten steht bereits fest. Göbhardt: "Der junge Mann war schon vor einem halben Jahr bei uns.

Damals wurde er wegen diverser Internetbetrügereien zu einer Bewährungsstrafe verurteilt und hatte einen einwöchigen Warnarrest in Nürnberg zu verbüßen." Dass er auf Bewährung frei kam, wurde an strenge Auflagen sowie Schadenswiedergutmachung geknüpft. Der Angeklagte hielt sich nicht daran und steht deshalb wieder vor Gericht. "Wir müssen uns heute nur überlegen, welche Strafe adäquat ist", sagt Göbhardt. Die meiste Zeit des Verfahrens bleiben die Schöffen stille Beobachter, abgeschirmt von dem großen Richtertisch.

"Wir schauen aber nicht auf den Angeklagten herab", versichert Metz. Das wäre nicht gut. Während die Staatsanwältin die Anklage verliest, der Angeklagte sich stockend zu den Vorwürfen äußert und zurückhaltend auf die Fragen von Richter Göbhardt antwortet, beobachten die Schöffen aufmerksam sein Verhalten. Wann lügt er? Wann verschweigt er etwas? Wann ist er glaubhaft?

Die Schöffen dienen als zusätzliche Augen und Ohren für Göbhardt, der den Angekagten vernimmt und dabei immer wieder in den Akten blättert. "Ich denke, dass wir ihn auf einiges aufmerksam machen können. Göbhardt hängt so tief in den Akten drinnen. Da kann er nebenbei nicht so viel beobachten", meint Ascherl.

Hartes Verhör

Dafür wird der Berufsrichter zunehmend ungehalten mit dem Angeklagten. Er kann das Verhalten des jungen Mannes nicht nachvollziehen und fährt ihn wütend an. "Ich war überrascht. Ich hätte nicht gedacht, dass er den Angeklagten so hart anfasst", meint Metz hinterher. Anscheinend war es aber nötig, dem Heranwachsenden ein paar harte Worte an den Kopf zu knallen. Er gibt seine Abwehrhaltung auf und erzählt unter Tränen, was ihn geritten hat, gegen die Bewährungsauflagen zu verstoßen.

Göbhardt stellt die letzten Fragen, schließt die Beweisaufnahme. Die Staatsanwältin und der Verteidiger halten ihre Plädoyers, anschließend ziehen sich Göbhardt, Metz und Ascherl zur Beratung zurück, um über eine Strafe zu entscheiden. "Wir schildern unsere Eindrücke aus dem Verfahren und besprechen sie", sagt Ascherl. Die Beratung ist streng vertraulich. Es dürfen keine Einzelheiten aus den Gesprächen weitergeben werden. Selbst wenn sich die Richter bei Schuldfrage und Strafmaß nicht einig wären, wenn sie sich stritten und anschrien, kein anderer Mensch bekämen etwas mit.

Der Angeklagte hat Glück, denn die Richter zeigen sich milde. Er bekommt eine einjährige Bewährungsstrafe - natürlich mit weiteren Auflagen - muss aber keinen zweiten Arrest absitzen. Göbhardt, Metz und Ascherl sind der Meinung, dass er eine Chance hat, sein Leben zu regeln. "Der Fall war klar. Da werden wir noch vor schwerere gestellt", sagt Ascherl. Sie hofft, dass sie immer ihrem Urteil trauen kann.