Es gibt nicht die eine Betrügerbande, "es sind mehrere", sagen sie. Oft würde aus Polen operiert werden, auch die Mitglieder, die das Geld abholten, seien oft Osteuropäer. Dass momentan so viele Fälle in ganz Franken aufkommen, sei nicht ungewöhnlich. "Das geht oft in Wellen", sagen sie. Zwei Wochen lang sei es ruhig, "dann kommen auf einmal 50 bis 60 Anrufe am Tag bei uns an". Jedoch: Die Dunkelziffer sei wesentlich höher. "Es gibt ja viele Betroffene, die den Betrug bemerken und gleich auflegen. Von diesen Fällen wissen wir oft nichts, dabei wäre es wichtig für uns."
Sogar mit falscher Notrufnummer
Jedoch: Die Masche ist oft psychologisch zu gut durchdacht, um sofort aufzufliegen. "Und wenn jemand einen Rest Zweifel hat, dann wird ihm der auch noch ausgeredet." Zum Beispiel so: Die Betrüger fordern das Opfer auf, doch während des Telefonats die 110 oder die 112 zu wählen - hierzu simulieren die Betrüger ein Amtsfreizeichen und fordern das Opfer gleichzeitig auf, nicht aufzulegen. Sobald die Opfer die 110 tippen, hören sie das Freizeichen. Am anderen Ende aber tun die Betrüger nun so, als ob die Opfer mit einer Einsatzzentrale verbunden wären. Dort wird der "Fall" angeblich aufgenommen - und es wird zurück zum "Kollegen" verbunden. Viele gerade ältere Opfer, die technisch nicht so versiert sind, fallen darauf herein und sind sich nun sicher, dass das Lügenmärchen von der verunglückten Tochter stimmen muss. Entscheidend ist es, potenziellen Opfern klarzumachen, dass sie immer den Hörer auflegen oder die rote Auflegetaste drücken, bevor sie sich bei der "echten" 110 melden. Die Täter können mit entsprechender Technik jede beliebige Rufnummer (Polizei, Hausbank, Staatsanwaltschaft) im Display des Opfers anzeigen lassen.
Abholer, Logistiker, Keiler
Die Betrüger werden von der Polizei in drei Gruppen unterteilt: in Abholer, Logistiker und "Keiler", die Keiler sind dann die angeblichen Polizisten oder Staatsanwälte. Die Logistiker bringen das Geld außer Landes, oft in 10 000 -Euro-Margen, denn nur, was über dieser Summe liegt, muss beim Zoll angemeldet werden. Kürzlich gab es einen schönen Erfolg, der federführend von Münchner Kollegen geleitet wurde. So konnte ein Callcenter in der Türkei ausgehoben werden. Die Bandenstruktur dieses Callcenters agierte von der Türkei aus nach Deutschland und auch der unterfränkische Bereich war betroffen. Im Rahmen der Ermittlungen kam es zu Durchsuchungen und zahlreichen Festnahmen in der Türkei. In diesem Zusammenhang wurden in der Türkei über 100 Millionen Euro Vermögen beschlagnahmt. Darunter befand sich auch Immobilienbesitz, wie Luxuswohnungen und Büroräume, sowie Gold und Luxus-Autos. Im Rahmen der bundesweiten Zusammenarbeit konnte diesem Verfahren auch ein Fall aus Unterfranken zugeordnet werden, bei dem das Opfer fast eine Million Euro übergeben hatte. Nunmehr wird geprüft, in wie weit dem Mann sein Schaden aus dem in der Türkei beschlagnahmten Wertgegenständen ersetzt werden kann.
Wichtig: Zusammenarbeit
Gerade in diesem Fall, sagen die Polizisten, ist zu erkennen, welch wichtigen Stellenwert eine bundesweite - aber auch die internationale Zusammenarbeit - der Ermittler hat.
Was die Beamten in Unterfranken sofort nach der Zerschlagung des Rings gemerkt haben: Die Fälle von falschen Polizisten gingen schlagartig zurück - es war ein Wespennest, was sie zerstört hatten.
Braucht die Ermittlungsgruppe mehr Personal? Beide lachen. "Wir brauchen immer Personal." Was sie aber auch brauchen, ist mehr Prävention. "Wenn Sie jemand auffordert, ihm Geld zu übergeben - das kann ein Enkel sein, ein Polizist oder ein Kurier für eine vermeintliche Kaution: Holen Sie sich eine Person Ihres Vertrauens dazu." Denn nüchtern betrachtet, ohne Schock und Einlullerei, ist den Opfern schnell klar, was hier gerade passiert - dass sie übers Ohr gehauen werden.
Der Weisse Ring
Martin Koch war bis 1996 der Leiter der Würzburger Kriminalpolizei. Seit dem ersten Jahr in Pension engagiert er sich für die Opferschutz-Organisation "Weisser Ring", jetzt ist er Außenstellenleiter in Würzburg. In seiner Laufbahn hat er oft Menschen betreut, die dem Schock-Anruf oder dem Einkeltrick aufgesessen sind. "Vor allem der Enkeltrick ist für die Betroffenen schwer zu verdauen." Die Opfer seien meist alt und einsam. "Wenn dann ein vermeintlicher Familienangehöriger sich meldet, sind diese Menschen erst einmal glücklich." Und wenn der Enkel dann fragt, ob er Geld haben könne und die Oma noch dazu bittet, der Mama nichts zu sagen - dann ist der Weg zur Bank oft die Folge.
Wie kann der Weisse Ring helfen? "In erster Linie reden wir mit den Menschen und versuchen, sie zu trösten." Allein das Wissen, dass viele Menschen auf dieselbe Art und Weise betrogen wurden, helfe. "Und wenn jemand nach dem Betrug kein Geld mehr hat, dann helfen wir auch mit einer gewissen Summe, damit er wieder unbesorgt leben kann." Laut der Statuten des Weissen Rings kommt diese Unterstützung aber für betuchte Menschen leider nicht infrage. "Aber die meisten freuen sich, dass sie erst einmal jemanden zum Reden haben und dass sich jemand um sie kümmert."
Tipps der Polizei
"Leg auf", so heißt die aktuelle Präventionskampagne der Polizei Unterfranken. Die Tipps, die die Beamten darin geben:
Gesundes Misstrauen ist keine Unhöflichkeit
Der Anrufer macht Druck? Das ist Teil der Masche. Legen Sie einfach auf.
Die echte Polizei fordert niemals vermögen von Ihnen, um eine Ermittlung durchzuführen
Verwandte fordern sofortige finanzielle Hilfe? Seien Sie misstrauisch!
Übergeben Sie nie Geld oder Schmuck an Unbekannte.
Die Polizei-Beratungsstelle ist unter der 09721/202-1835 zu erreichen. Die Beamten geben Ihnen weitere wertvolle Tipps
*Name geändert