Italienische Renaissance am Gleis

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Das prachtvolle Bad Kissinger Bahnhofsgebäude steht heute weitgehend leer. Das historische Foto dürfte kurz nach der Inbetriebnahme anno 1874 entstanden sein. Foto: Archiv Saale-Zeitung
Das prachtvolle Bad Kissinger Bahnhofsgebäude steht heute weitgehend leer. Das historische Foto dürfte kurz nach der Inbetriebnahme anno 1874 entstanden sein. Foto: Archiv Saale-Zeitung

Das Bad Kissinger Empfangsgebäude hat schon bessere Zeiten erlebt. Heute ist es für den Bahnbetrieb nicht mehr nötig und wird bald zum Verkauf stehen.

Von einem "Prachtbau" sprach ein zeitgenössischer Chronist kurz vor der Eröffnung des Bad Kissinger Bahnhofs. Er meinte damit das dem damaligen Weltbad entsprechende Empfangsgebäude im italienischen Renaissance-Stil, das heute zum größten Teil leer steht, das für den Noch-Eigentümer, die Deutsche Bahn AG, nur noch eine Belastung darstellt und verkauft werden soll.


Große Vergangenheit

Es gab
Zeiten, da hat der Bad Kissinger Bahnhof hohe und höchste Persönlichkeiten gesehen. Reichskanzler Otto von Bismarck, die deutsche Kaiserin Auguste Viktoria und viele andere Gäste aus dem europäischen und russischen Hochadel kamen mit dem Zug oder mit dem eigenen Salonwagen an. Es war die Zeit, als der Bad Kissinger Bahnhofsvorsteher mit schöner Regelmäßigkeit Orden von den angereisten Regenten verliehen bekam. Noch heute existiert das "Fürstenzimmer", das einst für die Herrschaften reserviert war.
Am 9. Oktober 1871 hatte der erste Zug Bad Kissingen erreicht. Doch erst drei Jahre später war das imposante Bahnhofsgebäude fertig gestellt.


Kurswagen in die Metropolen

Vor dem 1. Weltkrieg erlebte der Bahnhof der Kurstadt seine Glanzzeiten. Es gab Kurswagen in die europäischen Metropolen, ein direkter Schnellzug Bad Kissingen - Berlin war schon fast selbstverständlich.

Auch zu Zeiten der Deutschen Reichsbahn in den 1920er und 1930er Jahren konnten die Reisenden in Bad Kissingen einsteigen und ohne Umsteigen bis in die große Halle des Anhalter Bahnhofs in Berlin fahren.
Als die von Gemünden kommende Saaletalbahn 1924 bis Bad Kissingen verlängert worden war, verband unter anderem ein durchgehender D-Zug nach Frankfurt Bad Kissingen mit dem Westen des Landes.


Präsidentenbesuche

Auch nach dem II. Weltkrieg kamen noch hochgestellte Persönlichkeiten mit dem Zug nach Bad Kissingen. So zum Beispiel der damalige Bundespräsident Heinrich Lübke (1959 - 1969) mit seinem Salonwagen. Viele Jahre gab es noch Kurswagen in den Norden der Republik sowie einen durchgehenden Eilzug nach München.

Zu groß war der Bad Kissinger Bahnhof in früheren Zeiten beileibe nicht. Im Empfangsgebäude waren die beiden Fahrkarten- und der Auskunftsschalter untergebracht, es gab einen Kiosk und eine Gaststätte. Das Reisegepäck wurde noch mit der Bahn befördert. Dafür stand die große Halle der Gepäckaufgabe zur Verfügung. Gepäckarbeiter be- und entluden die Züge. Wobei es sogar einen Bring-Service nach Hause gab. Selbst Dienstmänner gehörten einst zum Alltag auf dem Bad Kissinger Bahnhof.


Nur mit Bahnsteigkarte

Einfach auf den Bahnsteig laufen, auch das gab es noch in den 1950er und 1960er Jahren nicht. Ohne Fahr- oder Bahnsteigkarte kam niemand durch die auch nachts mit Eisenbahnern besetzte Sperre.


Mitarbeiterintensiv

Rund 40 Eisenbahner taten noch bis in die 2. Hälfte des vorigen Jahrhunderts Dienst am Bahnhof. Und einige wohnten sogar dort. Für höher gestellte Beamte hatten die Königlich Bayerischen Staatseisenbahnen Dienstwohnungen eingerichtet. Daneben gab es bis ins 21. Jahrhundert hinein Übernachtungsräume für Lokführer und Zugbegleiter.

Zu den Eisenbahnern, die im Bad Kissinger Bahnhof Dienst taten, gehörten auch die Fahrdienstleiter im Stellwerk. Inzwischen werden die wenigen übrig gebliebenen Weichen und Signale vom elektronischen Stellwerk in Bad Neustadt aus bedient.

Mitarbeiterintensiv war auch der Güterverkehr. Bis in die 1960er Jahre kamen so viele Güterwagen nach Bad Kissingen, dass das Gleis an der heute längst verwaisten und gleislosen Güterhalle nicht ausreichte. Es gab diverse Gleisanschlüsse, zum Beispiel zur BayWa, zu zwei Kohlenhändlern und zur Wohnwagenfabrik Tabbert. Viel Arbeit für die Rangierer und die beiden in Bad Kissingen beschäftigten "Kleinlokführer". Denn über viele Jahre hinweg war eine eigene Kleinlokomotive in Bad Kissingen stationiert, die das Rangiergeschäft übernahm. So lange Bad Kissingen eine Kaserne hatte, gehörte auch die Militärverladung zum Geschäft des Bad Kissinger Bahnhofs.

Heute wäre die Deutsche Bahn froh, den Bad Kissinger Bahnhof los zu sein. In absehbarer Zeit wird er - wie viele andere Bahnhöfe auch - zum Verkauf angeboten. Denn für den Bahnbetrieb ist er schon lange nicht mehr nötig.