In dem Bad Kissinger Konzertsaal spielte Marcia Bittencourt mit ihrem brasilianischen Jazz gegen den Corona Blues im Lande an.
Jazz lebt von Nähe, die, wie in Bismarcks Basement, zu ganz intimen Sessions führt, jedoch sind solche Räumlichkeiten derzeit ein "No go". Wenn sich aber eine internationale Sängerin, die auf großen Festivals und Bühnen zu Hause ist, verpflichten lässt, braucht es eine große Bühne. Die Folge: Der Umzug in den Rossini Saal. Da ist es zwar eher gediegen und Jazz untypisch, aber so hatten trotz Abstandsregeln mindestens doppelt so viele Fans wie in der Oberen Saline die Möglichkeit, bei uns eine Queen des Bossa Nova mit selten gehörten brasilianische Rhythmen zu erleben.
Samba und Bossa Nova, das sind die Rhythmen, die mit Lebenslust und Leichtigkeit an den Stränden der Copa Cabana und auch Freizügigkeit beim Carneval in Rio verbunden sind, aber auch Rhöner Füße nicht lange still stehen lassen. Marcia Bittencourt lebt diese Leichtigkeit. Ihr Erfolg kommt nicht von ungefähr: Theaterausbildung, Laufsteg, Frontfrau diverser Gruppen.
Ihre Begleiter setzten sie professionell in Szene. Michael Arlt, virtuoser Gitarrist, im anderen Leben hochgeachteter Musikprofessor, Komponist und Arrangeur des Ensembles, ist das geerdete, staubtrockene Pendant zum Wirbelwind Bittencourt. Kurt Holzkämper groovt hochemotional seinen Bass und Sebastian Netta gibt den vorwärtstreibenden Rhythmen mit seinen Percussions Leichtigkeit, aber auch klar abgestimmte Struktur.
Marcia Bittencourt moderiert in akzentfreiem Deutsch, stellt die einzelnen Musikstile des Riesenlandes zwischen den Meeren vor. Die "Musica Brasileira" interpretiert Lieder von Roberto Menescal, Ivan Lins, Jorge Ben, lässt die Garota de Ipanema nicht aus und heizt mit Liedern aus ihrem Bühnenprogramm "Anjo fugaz" (Vollgas Engel) ein.
Das Publikum erfährt aber auch, dass Ihr Herz für den Baiao aus dem Nordosten schlägt, weit weg von der Küste, wo derzeit nicht nur Corona, sondern auch verheerende Waldbrände wüten. Diese so anderen Rhythmen, erzählen vom einfachen Leben, von der Liebe, von bittersüßen Erfahrungen. Welch schönen Moment des Innehaltens wusste das Ensemble zurückgenommen zu inszenieren, lud ein, die "Blaue Nacht" zu erleben, die "Wellen am Strand" zu zählen und sich musikalisch den "Gefühlen ohne Punkt und Komma" hinzugeben.
Baiao, das war eine geheimnisvoll intensive Sequenz, ein nachhaltiges Erlebnis. Die Zuschauer forderten, rhythmischem klatschend, zwei Zugaben. "Wir lechzen nach Kultur. Schön, dass es so was in Kissingen wieder gibt" sagen Markus und Claudia aus Fürth, die vor kurzem in die Kurstadt gezogen sind.