Vermutlich ist es ein Bewohner der städtischen Obdachlosenunterkunft, der Schaufenster beschädigt und Menschen gefährdet. Verletzt wird zum Glück niemand, der Schaden dürfte aber mehrere hunderttausend Euro betragen.
Gegen 22.36 Uhr ging der erste Alarm bei Andreas Issel ein: Der 63-Jährige aus Geldersheim ist vor einigen Jahren mit Werkstatt und Ausstellungsraum von Schweinfurt nach Hammelburg umgezogen. In seinem Laden stehen seltene Motorräder aus den 1970er Jahren. Zum Teil haben Kunden sie über den Winter oder zur Reparatur bei ihm untergestellt. Sie wähnen die seltenen Maschinen in Sicherheit, aber ab 22.36 Uhr prasseln an die 20 Pflastersteine auf die Maschinen ein: Ein 37-Jähriger randalierte am Montagabend in der Straße "Am Weihertorplatz" und in der Turnhouter Straße. Zunächst gibt die Hammelburger Polizei am Dienstagmorgen den Schaden mit rund 42.000 Euro an. "Alleine an den Motorrädern gehe ich von einem Schaden von 300.000 Euro aus", sagt dagegen Issel.
Polizei hofft auf weitere Zeugen
Laut Polizeibericht warf der Mann zunächst Pflastersteine in die Schaufenster zweier Geschäfte. Als Passanten und ein Anwohner ihn ansprachen, attackierte der Mann auch Menschen mit Pflastersteinen, verfehlte sie jedoch. Danach bewarf er einen geparkten Pkw und beschädigte die Motorhaube. Schließlich nahm er sogar das fahrende Auto eines 25-Jährigen in der Turnhouter Straße ins Visier, warf einen Pflasterstein durch das geöffnete Beifahrerfenster und verfehlte den 30-jährigen Beifahrer nur knapp. Am Pkw entstand ein Schaden an der A-Säule und am Armaturenbrett. Der Randalierer wurde vom Pkw-Fahrer und weiteren couragierten Passanten bis zum Eintreffen einer Streifenbesatzung der Polizei Bad Kissingen festgehalten und in Gewahrsam genommen. Die Polizei Hammelburg führt die Ermittlungen und bittet Zeugen um Hinweise unter Tel. 09732/9060.
Barbara Rauschmann, Inhaberin der Zoohandlung in der Straße Am Weihertorplatz, wurde ebenfalls in der Nacht über den Schaden informiert: Die Hammelburger Feuerwehr habe den Kommandanten der Untererthaler Feuerwehr beauftragt, sie zu kontaktieren. Als sie in Hammelburg ankam, waren in mehreren Schaufenstern große Löcher. Die Feuerwehr hatte vor dem Laden bereits Scheiben beseitigt und einen Bauzaun aufgestellt. "Zum Glück hat die Deko die Steine aufgehalten", fasst Barbara Rauschmann den Schaden im Innern zusammen. Sonst wären die Steine womöglich in Aquarien und Käfige geflogen. "Dann hätten wir heute Nacht Kaninchen und Meerschweinchen gefangen", sagt die Inhaberin des Zoogeschäfts. Am Dienstag habe sich auch Bürgermeister Armin Warmuth einen Überblick über die Schäden verschafft.
Andere Dienststelle musste eingreifen
Für die Redaktion ist das Stadtoberhaupt am Dienstag nicht zu sprechen, obwohl es sich beim Täter vermutlich um einen Bewohner der städtischen Obdachlosenunterkunft handelt. Laut Anwohnern habe es schon mehrere Vorfälle und Polizeieinsätze dort gegeben. Sven Hofmann, aktuell Chef der Hammelburger Polizei, bestätigt am Dienstag zumindest, dass der Täter in der Obdachlosenunterkunft wohnte. Und warum nahm eine Streife der Bad Kissinger Polizei den Mann fest? "Unsere Streife war außerhalb des Dienstbereichs gebunden, deshalb musste eine andere Dienststelle aushelfen", weist Hofmann auf eine "begrenzte Kapazität" der Hammelburger Polizei hin. Ob und wie sich das auf die Höhe des Schadens ausgewirkt hat, dazu könne er keine Angaben machen. Fakt ist: Die Hammelburger Polizei hätte einen Anfahrtsweg von wenigen hundert Metern zum Tatort gehabt, aus Bad Kissingen sind es mehr als 20 Kilometer. Sven Hofmann bestätigt zudem, dass der Schaden deutlich höher als die zunächst gemeldeten 42.000 Euro liegt. Genauere Angaben, auch zum Umgang mit dem Täter, kündigte er für Mittwoch an. Auch Bürgermeister Warmuth will sich erst am Mittwoch zu dem Fall äußern.
Andreas Issel und sein Team wollen heute mit der genauen Bestandsaufnahme beginnen. Am ersten Tag ging es darum, alle Maschinen in Sicherheit zu bringen und die Schaufenster mit Holzplatten zu schließen. Zum Glück seien alle Motorräder versichert, zudem habe er von jedem ein Wertgutachten, das den einwandfreien Zustand attestiert. Bis zu 60.000 Euro sind die Einzelstücke wert. Viele Teile könne er nicht nachbestellen: "Diese Auspuffanlage gibt es für kein Geld der Welt zu kaufen", sagt Issel, während er mit den Fingern über die Einschläge der mittlerweile sichergestellten Pflastersteine streicht.
Ein Motorrad der Marke "Mash" habe er vor eineinhalb Jahren bestellt. Vor wenigen Tagen kam sie makellos aus Asien an, bis zur Auslieferung stellte Issel sie leider ins Schaufenster. "Der Kunde weiß das noch gar nicht", sagt er mit Hinweis auf die Schramme in der vorderen Gabel. Andere Maschinen seien erst vor kurzem von Messen zurück gekommen. Issel schätzt, dass es Monate dauern wird, bis alle Schäden behoben sind.
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