Geradezu ein Antipode sei auch sein Nachfolger als Obertukan Hans Dieter Beck: Der mittlerweile 86-jährige Verleger und Gesellschafter des wichtigsten juristischen Fach-Verlags Europas organisierte den Tukan-Kreis ab 1985 komplett um. "Beck ist einer der ökonomisch erfolgreichsten Verleger Deutschlands und macht das als
Hobby, während Schmitt-Sulzthal als Verleger völlig gescheitert ist", benennt Ude den Unterschied. Trotzdem will er die Rolle des "skurrilen und liebenswürdigen Männleins" Schmitt-Sulzthal nicht klein reden: "Er hat eine Institution geschaffen, nach der die Stadt München ihren Literaturpreis benannt hat", verweist er auf den bis heute bestehenden Tukan-Preis und die Bedeutung des Tukan-Kreises über viele Jahrzehnte hinweg.
Nie über Heimatort gesprochen
Über sein Privatleben habe Schmitt-Sulzthal eher wenig gesprochen. Christian Ude habe ihn immer als "Onkel Rudolf" angesprochen, erinnert sich der 70-jährige Ex-OB. "Er hat sich das gefallen lassen, vielleicht auch weil er selbst keine Kinder hatte."
Über seinen Heimatort habe er ihn nie sprechen hören, deshalb geht Ude davon aus, dass die Namensänderung in Schmitt-Sulzthal eher praktische Gründe hatte: "Es gab damals viele mehr oder weniger bekannte Schmitts in München, es ging ihm sicher eher um die Individualisierung."
Seinen Zwillingsbruder Winfried habe er ab und an erwähnt, selbst kennen gelernt habe ihn Ude aber nicht. Er wisse auch nicht, ob es Nachfahren der Familie gibt.
Eine "ganz wesentliche Einsicht" habe er Rudolf Schmitt-Sulzthal aber zu verdanken, berichtet Ude: Auf der Fahrt zu einem Literaturkongress in Überlingen am Bodensee habe der studierte Philosoph ihm eine Lebensweisheit anvertraut, die er ein Leben lang beherzigt habe. Schmitt-Sulzthals Rat: "Lebe dein Leben so, als ob du mit absoluter Sicherheit wüsstest, dass du morgen stirbst, aber auch, als ob du mit der gleichen Sicherheit weißt, dass du hundert Jahre alt wirst", erzählt Ude.
Diese Ausgewogenheit zwischen dem Genießen des Moments und der Vorsorge für später habe ihn bis heute beeindruckt.
Und es erkläre vielleicht auch, weshalb der Tukan-Kreis so feierfreudig und gesellig und Schmitt-Sulzthal so selbstironisch und kauzig gewesen sei.
Zur Person
Leben Rudolf Schmitt und sein Zwillingsbruder Winfried wurden am 24. August 1903 als Söhne des Kirchenmalers Michael Schmitt (1878 bis 1943) geboren. Michael Schmitt malte unter anderem das Deckengemälde in der Sulzthaler Kreuzkapelle. Die Familie zog schon kurz nach der Geburt der Kinder von Sulzthal nach München. Rudolf Schmitt besuchte dort die Schule und studierte danach Philosophie, Literaturgeschichte und Gesang.
Tukan Im März 1930 gründete der 26-jährige Rudolf Schmitt zunächst den Tukan-Verlag. Der so genannte Pfefferfresser-Vogel diente wohl wegen seines riesigen Schnabels als Namensgeber. Kurze Zeit später bildete sich der Tukan-Kreis als Plattform für Autoren. 1937 verboten die Nazis die Aktivitäten des Literaturzirkels. Nach der Rückkehr aus russischer Kriegsgefangenschaft ließ Schmitt-Sulzthal den Tukan-Zirkel 1950 wieder aufleben. Mehrere hundert Autoren, darunter auch viele große Namen, folgten seiner Einladung. Rudolf Schmitt-Sulzthal blieb bis zu seinem Tod am 7. März 1971 Obertukan. Ihm folgte zunächst seine Frau Erica,
seit 1985 ist Hans Dieter Beck Obertukan.
Autor Rudolf Schmitt-Sulzthal brachte mehrere Bücher und Gedichtbände heraus. In "Die Faschingsochsen von Bordeaux und andere Histörchen" oder "Unterm Maibaum" geht es immer wieder auch um das einfache Landleben.
Verdienste Schmitt-Sulzthal war unter anderem Präsident des Verbands deutscher Schriftsteller, gehörte dem Rundfunkrat des Bayerischen Rundfunks an und erhielt das Bundesverdienstkreuz. In seiner Heimatgemeinde erinnert nichts an ihn. In den 1970er Jahren lehnte der Gemeinderat die Benennung einer Straße nach dem bekannten Sohn des Ortes ab. Damals wurde entschieden, dass grundsätzlich keine Straßen nach Personen benannt werden. In München erinnert eine Bronzetafel am Haus Leopoldstraße 74 an den Obertukan Rudolf Schmitt-Sulzthal.