Die 22-jährige Louisa Friedrich aus Oberthulba erinnert sich gerne an die Geborgenheit, die sie in ihrer Kindheit in der Küche von "Omma" und "Obba" erlebt hat. Deshalb hat sie eine Hommage an ihre verstorbenen Großeltern geschrieben.
Mal ehrlich, Herdfeuer dürfte ein Begriff sein, der im Wortschatz des 21. Jahrhunderts eher weniger vorkommt. Die meisten Jugendlichen wissen wahrscheinlich nicht einmal, was das sein soll, ein Herdfeuer. Das könnte sich jetzt ändern, denn Louisa Friedrich aus Oberthulba hat dem heimatlichen Herdofen ebenso wie dem familiären Leben darum herum mit viel Leidenschaft ein Lied gewidmet.
"Was für eine glückliche Kindheit" möchte man sagen. Auch wer die Familie, weitere Verwandte, Freunde und Gäste, die sich um den Küchentisch scharen, nicht kennt, fühlt sich beim Anhören sofort daheim. Wer die Familie kennt, sitzt sofort wieder - egal wo auch immer er sich gerade befindet - bei Helmtrud und Josef Schießer, den Großeltern von Louisa Friedrich, in der Küche. Sie und der Herdofen sind das Zentrum des Glücks. Hier, am großen Tisch, wird geweint und gelacht, gestritten und gebetet, die Haare werden gemacht, es wird "verzählt, verkuppelt und die Kinner wern gewoat" (Anm. der Redaktion: Kinder werden gehütet geschaukelt).
Mit der Selbstverständlichkeit eines Menschen, der beides beherrscht - Dialekt und Hochdeutsch - singt die 22-jährige ihr Lied, eine Hommage an ihre verstorbenen Großeltern. Premiere des Stücks, zu dem sie auch die Musik komponierte, war im September 2018. Damals hat "die Mama ganz arg geweint": Vor Rührung, denn Oma und Opa, die zusammen mit dem Herdfeuer und allen anderen liebevollen Details aus dem Oberthulbaer Küchenleben besungen werden, waren die Eltern ihrer Mutter Silvia.
"Omma" hat Tag und Nacht für alle Mann gekocht, heißt es im Lied. Nach dem Sonntagsbraten (Sunndichsbroade) noch einen Pudding (Budding), und das alles hätte nicht funktioniert, wenn der Ofen aus gewesen wäre. Also, immer schön noch einen Scheit nachlegen. Wie gut, dass der Opa (Obba), zuständig für die allgemeine Ordnung im Haus, "immer Holz gemacht hat, das dann in der Küche zum Einsatz kam".
Beim Gespräch über das Lied sitzt Louisa Friedrich, Medizinstudentin, siebtes Semester, in ihrem Zimmer ihrer WG in Marburg, Neurologie steht auf dem Stundenplan und am Nachmittag der Besuch in einem Seniorenheim zum Musizieren. Später, so steht es auf dem Lebensplan, will sie als Hausärztin auf dem Land praktizieren. Zwei Jungs und vier Mädels im Alter von 21 bis 32 Jahren "aus allen Teilen der Bundesrepublik" wohnen hier noch mit ihr zusammen, alle verstehen sich prima und, wen wundert es: Die Küche ist der zentrale Treffpunkt für alle. Oder, wie im Lied beschrieben "die Köüche is dar Middelbunkt vo unnerm Irrehaus". Louisa Friedrich erinnert daran, dass in "Ommas" Küche an manchen Tagen 20 Leute ein und ausgingen. Jeder, der Sehnsucht hatte, durfte vorbeischauen.
Die Idee für das Lied kam Louisa Friedrich beim Radfahren. Daheim schrieb sie einen Zettel mit den Stichwörtern "Oma" und "Opa", dazu die wichtigsten Eigenschaften der beiden. Und so fügte sich eines zum anderen. Einmal mehr habe sie Worte der Oma "du schaffst das" im Ohr gehabt, erzählt die Studentin, die am Jack Steinberger Gymnasium in Bad Kissingen Abitur gemacht. So manches andere begleitet sie ebenfalls im täglichen Leben. So habe ihre Oma nie verurteilt, erklärt die junge Frau, "sie hat immer motiviert und war für jeden da". Willensstärke und damit die Fähigkeit, sich auch einmal durchbeißen zu können, "einfach mal machen", das steht auf der Seite vom Opa und auch davon hat Friedrich ihren Teil geerbt.
Schnell stand fest: Es soll ein Lied im Dialekt sein. Nach zwei Monaten, schreiben, texten, komponieren, singen und wieder umschreiben, stand das Lied so, wie es kürzlich im größeren Familienkreis im Wohnzimmer vorgetragen wurde. "Viele haben geweint, weil sie meine Großeltern gut kannten." Oder sich einfach darüber gefreut, wie Herzfeuer ein Herdfeuer unsterblich machen kann.