Das Team der Frühförderstelle Nüdlingen möchte Kindern bei einem optimalen Start ins Leben helfen. Bei Leon ist das gelungen.
Konzentriert greift Leon eine Traube, steckt sie auf einen Zahnstocher, schiebt ein Stück Käse hinterher und überlegt, ob er jetzt noch eine Traube, ein Radieschen, ein Stück Gurke oder eine Paprika aufspießen soll. Er entscheidet sich für die Traube. Für den Sechsjährigen geht mit dem anschließenden Naschen der Köstlichkeiten die Zeit in der Frühförderstelle in Nüdlingen zu Ende.
Jetzt kommt er in die Regelschule, das Obst-Gemüse-Spieße-Zubereiten und Essen mit der Ergotherapeutin Carolin Röhner und seiner Mama gehören zum Abschiedsritual. Was hat aber das Aufstecken von Obst- und Gemüsestückchen mit Frühförderung zu tun? Viel, denn es erfordert Geschicklichkeit und Konzentration. Für manche Kinder ist es nicht leicht, lange bei einer Sache zu bleiben, es fehlen fein- oder grobmotorische Fähigkeiten oder es liegen körperliche und geistige Beeinträchtigungen vor. Noch immer gebe es das Vorurteil, dass Frühförderung etwas mit geistiger oder körperlicher Behinderung zu tun haben könnte, erklärt Ursula Schäfner, stellvertretende Leiterin der Frühförderstelle in Nüdlingen.
Unterschiedliche Hinweise Natürlich würden Kinder mit beispielsweise angeborenen Entwicklungsstörungen zur Frühförderung kommen. "Kinder mit Förderbedarf", fasst sie zusammen, "können aber auch Kinder sein, die Schwierigkeiten beim Hantieren, Malen oder Schneiden haben oder die nicht, wenig oder undeutlich sprechen."
Entwicklungsverzögerungen können bei zu früh Geborenen genauso auftreten wie bei Schrei-Kindern oder bei Kindern mit Schlafstörungen. Entwicklungsstörungen können ebenso durch eine komplizierte Schwangerschaft entstehen. Eine auffällige Bewegungsentwicklung, beeinträchtigte Wahrnehmungsfähigkeiten, körperliche Unruhe, wenig Interesse am Spielen oder ständig das Gleiche zu spielen sowie seelische oder soziale Belastungen, die sich im Verhalten zeigen, können ebenfalls Hinweise auf eine Entwicklungsverzögerung geben.
Träger ist die Lebenshilfe Bei der interdisziplinären Frühförderstelle Nüdlingen, deren Träger die Lebenshilfe Schweinfurt ist, erhalten Kinder mit Förderbedarf Hilfe. Je eher mit der Frühförderung begonnen wird, desto besser stehen die Chancen, die Entwicklungsverzögerungen eines Kindes auszugleichen. Rund 200 Jungen und Mädchen im Landkreis Bad Kissingen werden pro Jahr von den Nüdlinger Fachkräften betreut.
Das Team setzt sich aus 15 fest angestellten Mitarbeitern zusammen: Darunter sind allgemeine Pädagogen, Heil- und Sozialpädagogen, es gibt eine Psychologin, Ergo- und Physiotherapeuten und eine Logopädin. Zudem stehen fünf Kooperationspartner aus dem medizinisch-therapeutischen Bereich für kurzfristige Einsätze bereit.
Rund 60 Prozent der heilpädagogischen Angebote finden aktuell bei den Kindern zu Hause statt. "Uns ist ganz wichtig, die Eltern in unsere Arbeit einzubeziehen", sagt Schäfner. In der heimischen Umgebung fühlen sich die Kinder oft sicherer, außerdem erfassen die Pädagogen so auch die Übungsmöglichkeiten, die sich für Kinder zu Hause bieten. "Wir verwenden kein standardisiertes Programm, wir knüpfen an die Bedürfnisse des Kindes mit seinen individuellen Stärken und Schwächen an", beschreibt Schäfner den Umgang mit den Kindern.
Manche Eltern, erklärt die Diplom-Pädagogin, seien unsicher, welche Chancen in ganz alltäglichen Situationen stecken. "Es muss nicht immer teures Spielzeug sein", erklärt die Fachfrau, "ein Strohhalm mit dem man Watte wegpustet oder das Aufstecken von Obst, das sind für Erwachsene Kleinigkeiten, für ein Kind mit Förderbedarf können das wichtige Übungen sein." Ab Geburt bis zum Eintritt in die Schule kann die Frühförderung vom Bezirk Unterfranken - er ist verantwortlich für die Kostenübernahme der Komplexleistungen - genehmigt werden.
Anspruch ermitteln Ob ein Kind Anspruch auf Förderung hat, wird im Rahmen einer Entwicklungsdiagnostik in der Frühförderstelle festgestellt. In Absprache mit dem behandelnden Arzt wird dann ein Förder- und Behandlungsplan für das Kind erstellt. Zum Teil weisen Kinder- oder Hausärzte, Verantwortliche in Kliniken oder in den Kindergärten die Eltern auf das Angebot hin. Zum Teil gehen die Eltern selbst auf das Team der Frühförderstelle zu, wenn sie Entwicklungsstörungen bemerken. Mit allen Bezugspersonen im Umfeld der betroffenen Kinder stehen die Mitarbeiter der Frühförderstelle in engem Kontakt. Zudem findet jede Woche ein Treffen statt, bei dem das Team weiterführende Maßnahmen zur optimalen Behandlung bespricht.
Im Beratungsgespräch Bevor ein Kind in die Frühförderung aufgenommen wird, bekommen die Eltern in Nüdlingen - nach telefonischer Absprache - die Gelegenheit zu einem Beratungsgespräch. Vater und Mutter besprechen Probleme und Sorgen um die Entwicklung des Kindes mit einer Psychologin. In den Räumen der Lebenshilfe Schweinfurt im ersten Stock in Nüdlingen finden sich auch die restlichen 40 Prozent der Frühförderkinder ein.
Für Kinder mit ähnlichen Förderschwerpunkten gibt es auch Kleingruppen. In den hellen, freundlichen Räumen ist alles für die spielerischen Schulungen der unterschiedlichen Entwicklungsbereiche vorhanden: Grob- und Feinmotorik, Visumotorik, Wahrnehmung, Konzentration, Ausdauer, Aktivsprache und Sprachverständnis, Kognition, Lernen und Gedächtnis, Verhalten, sozial-emotionale Entwicklung, häusliche Fertigkeiten. Für Eltern, deren zwei- bis dreijährige Kinder eine verzögerte Sprachentwicklung aufweisen, gibt es ein Gruppenprogramm, das Heidelberger Elterntraining. Ziel ist die sprachliche Förderung des jungen Kindes durch eine intensive Anleitung der engsten Bezugspersonen.
Spaß an den Übungen Den meisten Kindern machen die Übungen viel Spaß. Das unterstützt die Heilwirkung und bringt die Kinder einen Schritt nach dem anderen nach vorne. Wie lange ein Kind eine Frühförderung erhält, wird individuell entschieden. Manche werden von der Geburt bis zum Schuleintritt vom Team der Frühförderstelle begleitet. Andere bleiben weniger lang.