Erinnerungen: Das waren unsere 80er

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Redakteurin Annett Lüdeke nutzt noch heute die DDR-Eierbecher in der Küche. Foto: Annett Lüdeke
Redakteurin Annett Lüdeke nutzt noch heute die DDR-Eierbecher in der Küche. Foto: Annett Lüdeke
Um Zahnpasta geht es bei Susanne Will. Foto: Stefanie Paul
Um Zahnpasta geht es bei Susanne Will. Foto: Stefanie Paul
 
Steffen Standke erinnert sich an die lustigen Taschenbücher. Foto: Johannes Schlereth
Steffen Standke erinnert sich an die lustigen Taschenbücher. Foto: Johannes Schlereth
 
Um große Geldscheine geht es bei Arkadius Guzy. Foto: Arkadius Guzy
Um große Geldscheine geht es bei Arkadius Guzy. Foto: Arkadius Guzy
 
Die Ost-Erinnerungen von Ulrike Müller drehen sich um West-Spielzeug. Foto: Ulrike Müller
Die Ost-Erinnerungen von Ulrike Müller drehen sich um West-Spielzeug. Foto: Ulrike Müller
 
kerstin Väth hat in ihrer Jugend in den 80ern große Ohrringe geliebt. Foto: Kerstin Väth
kerstin Väth hat in ihrer Jugend in den 80ern große Ohrringe geliebt. Foto: Kerstin Väth
 

Sechs Redakteure der Saale-Zeitung erinnern sich an ihre ganz persönlichen Begebenheiten dieses Jahrzehnts. Spielzeug, Schmuck, Ostbesuche, Geld und Essen - Themen gab es viele.

Wenn es schmeckt wie bei Erich

von Annett Lüdeke

Kindheitserinnerungen haben oft auch mit Gerüchen und Geschmack zu tun. Und da meine Kindheit in den 80er Jahren nun einmal in der DDR stattfand, sind das mitunter aus heutiger Sicht ungewöhnliche und zuweilen auch sehr selten gewordene Geschmacksrichtungen. Glücklicherweise pflegt meine Mutter diese Erinnerungen hin- und wieder und bereitet mir zum Beispiel eine Soljanka nach "traditionellem" Rezept zu. Wo bei das mit der Tradition so eine Sache ist. Wahrscheinlich hatte jede Familie ihre eigenen Vorstellungen davon, wie eine Soljanka zu schmecken hatte und welche Zutaten unentbehrlich waren.

Aber dass die Soljanka in der DDR bekannt war, weiß schon das Internetlexikon Wikipedia: "In Deutschland ist die Suppe besonders im Osten verbreitet, da Soljanka zu den beliebtesten Eintöpfen in der DDR-Gastronomie gehörte", ist dort zu lesen. Warum ich mich bei den "Klassikern" der DDR auf meine Mutter verlasse: Ich war neun Jahre alt, als die Mauer gefallen ist, bis dahin hatte ich mit dem Thema Kochen noch nicht viel am Hut, und nach der Wende waren es andere Gerichte, die meine Aufmerksamkeit auf sich zogen. Ich bin froh, dass es heute bei mir zu Hause nicht mehr nur "wie bei Erich" schmeckt. Ich mag die mediterrane Küche, und gern darf es auch einmal ein fränkisch deftiges Gericht sein.

Aber einige Küchenhelfer haben die DDR überlebt und sind heute noch im Einsatz. Egal ob es der Eierbecher in Form eines Hahns ist, der ein wenig Berühmtheit als Ossi-Kultobjekt erlangt hat, oder ein orangefarbenes Nudelsieb, in das ich meine Spaghetti abgieße. So haben meine persönlichen 80er und die mediterrane Küche doch noch zusammengefunden.

DDR-Besuche und Zahnpasta-Neid

von Susanne Will

Für mich hängt die Erinnerung an die DDR auch mit Zahnpastatuben zusammen. Ich bin mit DDR-Verwandtschaft mütterlicherseits aufgewachsen. Für uns zwei Schwestern hieß das: Wir saßen gefühlte Ewigkeiten auf dem Weg nach Leipzig auf maximal 20 Quadratzentimetern auf dem Rücksitz, weil unter, über, zwischen und hinter uns alles mit Care-Paketen zugestellt war. Einmal mussten wir Skianzüge für die Verwandtschaft über unsere Klamotten anziehen, weil auch die letzte Lücke dafür zugestopft war Es war eng, stickig, heiß, spätestens ab der Grenze zofften wir uns schwitzend um mehr Platz, spätestens ab Erfurt wurde es einer schlecht, spätestens wegen der rußgeschwängerten Luft am Stadtschild von Leipzig beiden. "Die haben doch nix", hieß es dann immer. Und was war mit uns? Denn zwischen Klamottenbergen waren die wirklich guten Sachen versteckt: die Süßigkeiten.

Bei uns zuhause gab es ganz selten Schokolade, die mussten wir uns vom Taschengeld kaufen. Nutella gab es auch nicht, das war meiner Mutter viel zu teuer, zu fettig, viel zu ungesund. Und die Zahnpasta "Blendi", die mit dem lustigen Tier drauf, die gab es bei uns zuhause natürlich auch nicht - "da zahlste nur die Verpackung mit", pflegte mein Vater konsumkapitalismuskritisch zu sagen.

Im Rückblick hatte er Recht. Aber: Die DDR-Gören wurden überschüttet mit Schokolade, Nutella und Blendi. Okay, sie teilten ihre neuen Schätze mit uns, dem Besuch. Das war sehr sozialistisch. Aber kaum zuhause, wurde uns vorgehalten, wie wir mit Zahnpasta generell umgingen. War die Tube leer, wurde sie weggeworfen. Aber nach der DDR wurde uns erzählt, dass "die Kinder in der DDR" eine vermeintlich leere Tube nie sofort wegwerfen würden. Sie würden die Tube mit der Schere aufschneiden, um auch noch an die letzten Reste in den Falten zu kommen. Daran denke ich noch heute, 40 Jahre später, bei jeder leeren Zahnpastatube. Allerdings ist es bis heute nie eine Blendi gewesen. Und ich schneide bis heute aus Trotz keine Zahnpastatube auf.

Comic-hafter Kontakt

von Steffen Standke Als die Mauer fiel, war ich zwölf. Von Kontakten mit Stasi-Spitzeln oder gar aktivem Dissidententum kann ich also nichts berichten. Wohl aber von großer, noch fast kindlicher Neugier, wie sie sich wohl anfühlen würde, diese westliche Welt, die uns so vehement vorenthalten wurde. Als gebürtigem Cottbuser erschien es nur logisch, zuerst das nur 140 Kilometer entfernte, von DDR eingekesselte West-Berlin zu besuchen. Was meine Eltern mit mir am Sonntag nach der Maueröffnung taten. Nach eineinhalbstündiger Zugfahrt und kurzer Passkontrolle am Bahnhof Friedrichstraße stiegen wir in die U-Bahn. Die uns erst wieder am - wie passend - am Kottbuser Tor in Kreuzberg ausspuckte. Heute ein sozialer Brennpunkt lag dieser berühmt-berüchtigte Westberliner Stadtteil in sonntäglicher Ruhe.

Lediglich die Deutsche Bank hatte geöffnet. Und so holten wir uns unser Begrüßungsgeld - 100 Mark pro Person. Nur, was damit anfangen? Es komplett in Bananen und Kiwi zu investieren, schien mir absurd (Ich mag beiderlei Obst immer noch nicht besonders). Aber erstmal eintauchen in die mit der Dämmerung erwachende Glitzerwelt von Ku'damm, Tauentzienstraße und Wittenberg-Platz. Und dort - ich weiß nicht mehr, war es im Kaufhaus des Westens oder Europa-Center - wurde ich fündig. Ich kaufte zwei Lustige Taschenbücher mit Geschichten von Donald und Dagobert Duck, Mickey Mouse, Daniel Düsentrieb und Co. Ausgerechnet Comics aus den USA, für unsere DDR-Oberen die Inkarnation des machtgeilen konsumgetriebenen Klassenfeindes.

Egal: Glücklich fuhr ich heim. Meine Sammlung an Lustigen Taschenbüchern sollte in den folgenden Monaten stetig wachsen. So wie die des bekanntesten DDR-Comics "Mosaik" mit den Abenteuern der "Abrafaxe". Die sammle ich heute noch.

Mehr Schein als Sein

von Arkadius Guzy

In einer Schatulle für Krimskrams haben noch ein Fünfhunderter und mehrere Hunderter zerknüllt die Zeit überdauert. Das alte Geld hat nicht erst seit heute nur noch Krimskrams-Wert. Bei Besuchen in Polen Ende der 80er, Anfang der 90er Jahre hatte ich mit einigen Mark Taschengeld selbst als Kind schnell große Scheine in der Hand und jonglierte mit vielstelligen Beträgen, wie es sonst nur Banker tun. Denn Ende der 1980er Jahre erlebte Polen eine starke Inflation, die ihren Höhepunkt 1989 nach der Freigabe der Preise erreichte. Die Inflation stieg auf mehrere Hundert Prozent. So berichtete der Spiegel in einer Ausgabe aus dem Jahr zum Beispiel, dass ein Kilo Butter in Polen 4000 Zloty - umgerechnet zehn Mark - koste. Anfang der 90er Jahre war die Inflation zwar nicht mehr so astronomisch, aber immer noch deutlich höher als beispielsweise in Deutschland. Je weniger wert das Geld wurde, desto mehr Nullen bekamen die Preisschilder und die Geldscheine. Bei Hundertern und Fünfhundertern war noch lange nicht Schluss.

So gab es nicht nur Tausender und Zehntausender, sondern irgendwann auch Hunderttausender und einen Eine-Million-Schein. Von heute aus gesehen war es eine verrückte, unwirkliche, schwer vorstellbare Zeit - als wäre es nur eine Episode aus einer fantastischen Netflix-Serie. Sie endete spätestens 1995 mit der Währungsreform. Vier Nullen wurden gekappt: Für 10 000 bisherige polnische Zloty gab es einen neuen Zloty.

Papas Mitbringsel aus dem Westen

von Ulrike Müller

Zugegeben, ein wenig stolz bin ich schon darauf, ein echtes Ostprodukt zu sein, auch wenn ich von der DDR nicht wirklich etwas mitbekommen habe. Etwas aber hat die Zeit überdauert: Westspielzeug. Und das ist nicht im Westpaket gekommen, Papa hat es eigens für meinen Bruder und mich von einer Reise nach Westberlin mitgebracht. Dort war er freilich oh ne uns,schließlich wollten die Behörden si cher gehen, dass der junge Vater auch zurückkehrt. Im Äffchen ist eine Spieluhr versteckt, die sich beliebig aufziehen ließ und bis heute lässt. Das höl zerne Männchen aus zusammensetzbaren Teilen lebt auch noch. Dass dieses Spielzeug etwas Besonderes war, habe ich selbst als Dreijährige gespürt. Als die Mauer fiel, hat meine Mutter meinen Bruder und mich an der Hand genommen und ist mit uns nach Berlin gefahren. Sie wollte das Ereignis mit eigenen Augen sehen.

Jede Party einer weniger

von Kerstin Väth

1987 wurde ich 16. Endlich durfte ich ausgehen (Mama lass diese Klammer beim Lesen bitte aus! - Natürlich bin ich schon vorher heimlich aus dem Fenster geklettert, aber das tut hier nichts zur Sache!). Damals hatten wir noch Diskos, Kneipen und Partys in Hammelburg und einen Bäcker, bei dem wir nach dem Besuch der "Eisdiele" nachts in der Backstube eingekehrt sind. Ein Nachtleben, wie es besser nicht hätte sein können. Was die Ohrringe auf dem Bild damit zu tun haben, fragen Sie sich? Ich hab' nur noch Einzelstücke! Es war die Zeit der Schulterpolster, Stretchjeans (oder wahlweise haben wir uns mit der Jeans auch ins Wasser in die Badewanne gesetzt und am Körper trocknen lassen, damit sie danach richtig eng saß) und großen Ohrringe. Und ich habe große Ohrringe geliebt! Aber spätestens jedes 2. Wochenende hatte ich einen Ohrring weniger - meistens mein Lieblingsstück.

Im übrigen hab' ich auch jede Menge andere Sachen verloren, darunter sechs Haustürschlüssel (mein Vater hat sogar einmal das Türschloss auswechseln lassen!). Ein Gen, dass sich anscheinend vererbt: Meinem Sohn fehlen derzeit seine Hallen-Fußballschuhe und der Taschenrechner!

In Sachen Ohrringe war ich allerdings offenbar nicht die Einzige, die Einzelteile verloren hat. Über kurz oder lang war es Mode, einen Stecker mit einem großen Ohrring zu kombinieren. Was ich damals nicht endgültig verloren habe, liegt jetzt als Erinnerung in meinem Schmuckkästchen - bis meine Tochter die Schätze entdeckt.