Im Rückblick hatte er Recht. Aber: Die DDR-Gören wurden überschüttet mit Schokolade, Nutella und Blendi. Okay, sie teilten ihre neuen Schätze mit uns, dem Besuch. Das war sehr sozialistisch. Aber kaum zuhause, wurde uns vorgehalten, wie wir mit Zahnpasta generell umgingen. War die Tube leer, wurde sie weggeworfen. Aber nach der DDR wurde uns erzählt, dass "die Kinder in der DDR" eine vermeintlich leere Tube nie sofort wegwerfen würden. Sie würden die Tube mit der Schere aufschneiden, um auch noch an die letzten Reste in den Falten zu kommen. Daran denke ich noch heute, 40 Jahre später, bei jeder leeren Zahnpastatube. Allerdings ist es bis heute nie eine Blendi gewesen. Und ich schneide bis heute aus Trotz keine Zahnpastatube auf.
Comic-hafter Kontakt
von Steffen Standke Als die Mauer fiel, war ich zwölf. Von Kontakten mit Stasi-Spitzeln oder gar aktivem Dissidententum kann ich also nichts berichten. Wohl aber von großer, noch fast kindlicher Neugier, wie sie sich wohl anfühlen würde, diese westliche Welt, die uns so vehement vorenthalten wurde. Als gebürtigem Cottbuser erschien es nur logisch, zuerst das nur 140 Kilometer entfernte, von DDR eingekesselte West-Berlin zu besuchen. Was meine Eltern mit mir am Sonntag nach der Maueröffnung taten. Nach eineinhalbstündiger Zugfahrt und kurzer Passkontrolle am Bahnhof Friedrichstraße stiegen wir in die U-Bahn. Die uns erst wieder am - wie passend - am Kottbuser Tor in Kreuzberg ausspuckte. Heute ein sozialer Brennpunkt lag dieser berühmt-berüchtigte Westberliner Stadtteil in sonntäglicher Ruhe.
Lediglich die Deutsche Bank hatte geöffnet. Und so holten wir uns unser Begrüßungsgeld - 100 Mark pro Person. Nur, was damit anfangen? Es komplett in Bananen und Kiwi zu investieren, schien mir absurd (Ich mag beiderlei Obst immer noch nicht besonders). Aber erstmal eintauchen in die mit der Dämmerung erwachende Glitzerwelt von Ku'damm, Tauentzienstraße und Wittenberg-Platz. Und dort - ich weiß nicht mehr, war es im Kaufhaus des Westens oder Europa-Center - wurde ich fündig. Ich kaufte zwei Lustige Taschenbücher mit Geschichten von Donald und Dagobert Duck, Mickey Mouse, Daniel Düsentrieb und Co. Ausgerechnet Comics aus den USA, für unsere DDR-Oberen die Inkarnation des machtgeilen konsumgetriebenen Klassenfeindes.
Egal: Glücklich fuhr ich heim. Meine Sammlung an Lustigen Taschenbüchern sollte in den folgenden Monaten stetig wachsen. So wie die des bekanntesten DDR-Comics "Mosaik" mit den Abenteuern der "Abrafaxe". Die sammle ich heute noch.
Mehr Schein als Sein
von Arkadius Guzy
In einer Schatulle für Krimskrams haben noch ein Fünfhunderter und mehrere Hunderter zerknüllt die Zeit überdauert. Das alte Geld hat nicht erst seit heute nur noch Krimskrams-Wert. Bei Besuchen in Polen Ende der 80er, Anfang der 90er Jahre hatte ich mit einigen Mark Taschengeld selbst als Kind schnell große Scheine in der Hand und jonglierte mit vielstelligen Beträgen, wie es sonst nur Banker tun. Denn Ende der 1980er Jahre erlebte Polen eine starke Inflation, die ihren Höhepunkt 1989 nach der Freigabe der Preise erreichte. Die Inflation stieg auf mehrere Hundert Prozent. So berichtete der Spiegel in einer Ausgabe aus dem Jahr zum Beispiel, dass ein Kilo Butter in Polen 4000 Zloty - umgerechnet zehn Mark - koste. Anfang der 90er Jahre war die Inflation zwar nicht mehr so astronomisch, aber immer noch deutlich höher als beispielsweise in Deutschland. Je weniger wert das Geld wurde, desto mehr Nullen bekamen die Preisschilder und die Geldscheine. Bei Hundertern und Fünfhundertern war noch lange nicht Schluss.
So gab es nicht nur Tausender und Zehntausender, sondern irgendwann auch Hunderttausender und einen Eine-Million-Schein. Von heute aus gesehen war es eine verrückte, unwirkliche, schwer vorstellbare Zeit - als wäre es nur eine Episode aus einer fantastischen Netflix-Serie. Sie endete spätestens 1995 mit der Währungsreform. Vier Nullen wurden gekappt: Für 10 000 bisherige polnische Zloty gab es einen neuen Zloty.
Papas Mitbringsel aus dem Westen
von Ulrike Müller
Zugegeben, ein wenig stolz bin ich schon darauf, ein echtes Ostprodukt zu sein, auch wenn ich von der DDR nicht wirklich etwas mitbekommen habe. Etwas aber hat die Zeit überdauert: Westspielzeug. Und das ist nicht im Westpaket gekommen, Papa hat es eigens für meinen Bruder und mich von einer Reise nach Westberlin mitgebracht. Dort war er freilich oh ne uns,schließlich wollten die Behörden si cher gehen, dass der junge Vater auch zurückkehrt. Im Äffchen ist eine Spieluhr versteckt, die sich beliebig aufziehen ließ und bis heute lässt. Das höl zerne Männchen aus zusammensetzbaren Teilen lebt auch noch. Dass dieses Spielzeug etwas Besonderes war, habe ich selbst als Dreijährige gespürt. Als die Mauer fiel, hat meine Mutter meinen Bruder und mich an der Hand genommen und ist mit uns nach Berlin gefahren. Sie wollte das Ereignis mit eigenen Augen sehen.
Jede Party einer weniger
von Kerstin Väth
1987 wurde ich 16. Endlich durfte ich ausgehen (Mama lass diese Klammer beim Lesen bitte aus! - Natürlich bin ich schon vorher heimlich aus dem Fenster geklettert, aber das tut hier nichts zur Sache!). Damals hatten wir noch Diskos, Kneipen und Partys in Hammelburg und einen Bäcker, bei dem wir nach dem Besuch der "Eisdiele" nachts in der Backstube eingekehrt sind. Ein Nachtleben, wie es besser nicht hätte sein können. Was die Ohrringe auf dem Bild damit zu tun haben, fragen Sie sich? Ich hab' nur noch Einzelstücke! Es war die Zeit der Schulterpolster, Stretchjeans (oder wahlweise haben wir uns mit der Jeans auch ins Wasser in die Badewanne gesetzt und am Körper trocknen lassen, damit sie danach richtig eng saß) und großen Ohrringe. Und ich habe große Ohrringe geliebt! Aber spätestens jedes 2. Wochenende hatte ich einen Ohrring weniger - meistens mein Lieblingsstück.
Im übrigen hab' ich auch jede Menge andere Sachen verloren, darunter sechs Haustürschlüssel (mein Vater hat sogar einmal das Türschloss auswechseln lassen!). Ein Gen, dass sich anscheinend vererbt: Meinem Sohn fehlen derzeit seine Hallen-Fußballschuhe und der Taschenrechner!
In Sachen Ohrringe war ich allerdings offenbar nicht die Einzige, die Einzelteile verloren hat. Über kurz oder lang war es Mode, einen Stecker mit einem großen Ohrring zu kombinieren. Was ich damals nicht endgültig verloren habe, liegt jetzt als Erinnerung in meinem Schmuckkästchen - bis meine Tochter die Schätze entdeckt.