Erfolgsmodell für Jugendliche mit Schulproblemen

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Elias Schlereth hat über die P-Klasse nicht nur Gefallen am Verputzerberuf, sondern auch eine Lehrstelle gefunden.
Elias Schlereth hat über die P-Klasse nicht nur Gefallen am Verputzerberuf, sondern auch eine Lehrstelle gefunden.
Tobias Stöth
Lehrer André Prechtl mit den Schülern der jetzigen Praxisklasse.
Lehrer André Prechtl mit den Schülern der jetzigen Praxisklasse.
Borst
"Die P-Klasse ist für die Jugendlichen eine große Chance, in die Berufe zu kommen", betont die Sozialpädagogin Christina Francz. Foto: Borst
"Die P-Klasse ist für die Jugendlichen eine große Chance, in die Berufe zu kommen", betont die Sozialpädagogin Christina Francz. Foto: Borst
 

Mittelschüler, die keine Chance auf einen guten Abschluss haben, bekommen in der P-Klasse eine neue Chance. Trotz mäßiger Noten gelingt es vielen, eine Lehrstelle zu bekommen. Das hilft gerade dem Handwerk.

Elias Schlereth aus Untereschenbach hatte im Unterricht öfters so seine Probleme, schlechte Noten und Schulfrust inklusive. Die Aussichten, die Mittelschule mit einem guten Abschluss zu schaffen, waren für ihn nicht besonders rosig. Dennoch hat er allen Grund, ohne Angst auf die Zeit nach der Schule zu blicken. Die Abschlussprüfungen stehen zwar noch bevor, einen Ausbildungsvertrag hat er aber bereits in der Tasche.

Der 16-Jährige besucht die Praxisklasse an der Anton-Kliegl Mittelschule in Bad Kissingen. Praxisklassen gibt es als Angebot für die 8. und 9. Jahrgangsstufe an Mittelschulen. Sie richten sich an Schüler mit großen Lernrückständen. In P-Klassen ist der Lernstoff abgespeckt. Stattdessen müssen die Jugendlichen sich praktisch beweisen und regelmäßig als Praktikanten in verschiedenen Berufen arbeiten. Für Elias Schlereth war das sehr erfolgreich. Für ihn steht inzwischen fest: Er will Maler und Verputzer werden. "Das Praktikum hat mir am besten gefallen, weil ich dort im Betrieb schon viel allein machen durfte", erzählt er. Sein Chef, Tobias Stöth, habe ihn von Anfang an in die Arbeit miteingebunden. Das hat sein Interesse für den Beruf geweckt.

Immer weniger Bewerbungen in den letzten Jahren

Tobias Stöth leitet einen Malerfachbetrieb in Fuchsstadt. 30 Mitarbeiter hat die Firma aktuell, darunter zwei Auszubildende. Ausgelernte Maler oder Verputzer zu finden, ist enorm schwierig. Stöth setzt bei der Fachkräftegewinnung deshalb darauf, selbst auszubilden. Aber auch da wurde es zuletzt immer schwerer, Nachwuchs zu bekommen. "Die letzten zehn Jahre hatten wir kontinuierlich weniger Bewerbungen", sagt er. Seitdem der Betrieb mit der P-Klasse der Kliegl-Mittelschule kooperiert, hat sich das ein Stück weit gewandelt.

Mit den Jugendlichen hat er bislang gute Erfahrungen gemacht. "Für uns ist das eine Bereicherung. Ich bin von dem System begeistert", sagt Stöth. Dass die Jugendlichen in der Schule nicht zu den Besten zählen, macht dem Geschäftsführer nicht viel aus. Schulische Probleme lassen sich regeln, betont er. Das Handwerkliche und Technische bekommen die Jugendlichen dann während ihrer Ausbildung im Betrieb beigebracht. "Sie müssen das alles noch nicht perfekt können, aber sie müssen Interesse zeigen und den ganzen Tag dabei bleiben", erklärt Stöth. Darauf und auf grundlegende Benimm-Regeln legt er wert. Dafür dürfen die Jugendlichen auf der Baustelle gleich richtig mit anpacken. "Sie sollen sehen, dass wir uns auch um sie bemühen. Sie dürfen und sollen hinlangen", betont er.

Gute Erfahrungen

Überwiegend gute Erfahrungen mit Jugendlichen aus der P-Klasse hat die Dachdeckerei und Spenglerei Wiedamann aus Garitz gemacht. "Im Endeffekt ist das eine gute Sache. Die Praktika helfen den Jugendlichen beim Erwachsenwerden und wir bekommen Praktikanten, die mitanpacken", meint Geschäftsführer Julian Wiedamann. Kies auf Flachdächern für Sanierungen umschaufeln, Abbrucharbeiten, Dämmplatten verlegen - helfende Hände kann der gut 50 Mitarbeiter große Familienbetrieb gebrauchen. Ein früherer P-Klassen-Schüler absolviert aktuell in der Firma seine Lehre, bei zwei aktuellen Praktikanten aus der 8. Jahrgangsstufe hat Chef Julian Wiedamann die Hoffnung, dass sie ebenfalls als Auszubildende im Betrieb bleiben. Überhaupt ist ein Großteil der Lehrlinge über Schulpraktika zu Wiedamann gekommen. "Der Kontakt zu den Schulen rentiert sich für uns. Von daher bieten wir gern die Gelegenheit, reinzuschnuppern", sagt der Geschäftsführer.

Wertschätzung im Beruf

Lehrer André Prechtl und Sozialpädagogin Christina Francz betreuen die Praxisklasse, die aktuell aus 13 Jungen und drei Mädchen besteht. "Die Praxisklasse ist für Schüler gedacht, die keine Chance haben, ihr Quali zu erreichen, die aber gewillt sind, in der Praxis Leistung zu zeigen", sagt Prechtl. Die Schüler eint, dass sie alle bisher eine schwere Schullaufbahn hinter sich gebracht haben. In den Praktikas erleben sie endlich Erfolge und Wertschätzung. Für die Jugendlichen sei das sehr wichtig. "Was die positiven Rückmeldungen aus der Arbeitswelt bei den Schülern, aber auch den Eltern bewirken, ist großartig", findet der Lehrer. In der Regel finden 70 bis 80 Prozent der P-Klassen-Schüler eine Lehrstelle, schätzt er. In diesem Schuljahr schaue es hingegen so aus, als ob jeder der 9. Klässler eine bekommt. Trotz Corona.

Während der Pandemie haben Prechtl und Francz die Schüler einzeln über Videotelefonate betreut und unterrichtet. Die Firmen hingegen waren nicht von Schließungen betroffen, sondern konnten weiter arbeiten und damit auch ausbilden. "Was die Praxis betrifft, sind wir recht ungeschoren davongekommen", berichtet Francz. "Nachdem der Fokus zu 60 Prozent auf der Praxis liegt, war das für uns entscheidend", sagt Prechtl.

Große Chance

"Die P-Klasse ist für die Jugendlichen eine große Chance, in die Berufe zu kommen", betont die Sozialpädagogin. Bei den Betrieben sei der Anteil an handwerklichen Firmen sehr groß. In der 8. Jahrgangsstufe der P-Klasse sollen die Schüler sich orientieren und verschiedene Berufe ausprobieren, spätestens im Abschlussjahr, sollen sie wissen, welchen Beruf sie ergreifen. Die Schüler sind pro Schuljahr an fünf Blöcken für je zwei Wochen im Betrieb, außerdem haben sie in den Unterrichtszeiten jede Woche einen weiteren Praktikumstag. Passen Betrieb und Schüler gut zusammen, komme es oft vor, dass die Jugendlichen die Schule mit Lehrstelle verlassen. So wie Elias Schlereth.

Hilfe für schwache Schüler

P-Klasse Die EU unterstützt Praxisklassen mit Geldern aus dem Europäischen Sozialfonds. 33.500 Euro gehen so an die P-Klasse der Kliegl-Mittelschule. Weitere Zuschüsse kommen vom Landkreis und der Stadt Bad Kissingen. Diese P-Klasse ist im Landkreis die einzige. Für das kommende Schuljahr sind noch Plätze frei. Weitere Infos unter Tel.: 0971/7854910