Ein kaputter Mähdrescher und zwei Männer voller Blut: Ein Streit auf dem Acker endete vor dem Kissinger Amtsgericht.
Und dann ging sein Temperament mit ihm durch. Was vor fast genau einem Jahr auf einem Acker im Altlandkreis Brückenau folgte, endete schließlich vor dem Kissinger Amtsgericht. Eine Zankerei mit bitterbösen Beschimpfungen, Drohungen, einem kaputten Mähdrescher und zwei blutenden Männern. Mit richterlichem Beschluss und einem symbolischen Schmerzensgeld soll jetzt endlich Gras über die Sache wachsen.
Die Männer kennen sich. Beide wohnen im gleichen Ort. Ende Juli 2016: Der 56-Jährige macht sich mit seinem Mähdrescher auf den Weg zum Feld; manövriert sein Fahrzeug im Dorf durch eine Engstelle, vorbei am Auto der Freundin des Angeklagten. Knapp sei es zugegangen, sagte er bei der Verhandlung am Kissinger Amtsgericht. Sehr knapp. Genau das sollte den 42-Jährigen, der wegen gefährlicher Körperverletzung angeklagt wurde, derart auf die Palme bringen, dass er sich auf seinen Roller setzte, ihm nachjagte und ihn auf dem Acker bedroht, beschimpft und verletzt haben soll.
Verteidiger bekannt aus TV
Noch bevor der Vertreter der Staatsanwaltschaft am Prozesstag die Anklageschrift vortragen konnte, hatte der Verteidiger des Angeklagten versucht, genau das zu verhindern. "Es ist einfach falsch", sagte der Rechtsanwalt, der nicht erst mit dieser Forderung auf sich aufmerksam machte, sondern bereits vor der Verhandlung. Manch einer erkannte Christopher Posch als Fernsehdarsteller verschiedener Doku-Soaps wie "Ich kämpfe für Ihr Recht" oder "Staatsanwalt Posch ermittelt". Die Richterin mochte nicht auf seinen Vorschlag eingehen, das Verfahren einzustellen. Noch nicht.
Beschimpft und verunglimpft
Gerade noch so soll seine Freundin ihr Bein ins Auto gerettet haben können, und überhaupt, der Mähdrescher sollte gar nicht auf dieser Straße unterwegs sein, meinte der Angeklagte vor dem Gericht. "Keine Frage, in der Hinsicht bin ich ein bisschen temperamentvoll", antwortete er der Richterin, die ihm riet: "Wäre es nicht schlauer, erstmal runterzu kommen?"
Eine Streiterei mit Beschimpfungen folgte, teilweise unter der Gürtellinie. Gegenseitig haben sich die Männer verunglimpft. Wer hat angefangen? Zeugen, die den Streit mitangehört haben, gibt es nicht. Am Ende ist die Scheibe der Mähdrescher-Kabine kaputt, beide Männer sind voller Blut und vor der Richterin sitzt ein 56-Jähriger, dem beinahe die Stimme wegbricht.
"Ich hatte Panik ohne Ende", sagte der Fahrer des Mähdreschers. "Todesangst" habe der Angriff ausgelöst. Er hatte Splitter in Hand und Auge. Traumatisierende Situationen von früher kamen wieder hoch.
Sechs Wochen Reha halfen dem 56-Jährigen, diesen Julitag zu verdauen. Noch immer hat er daran zu knabbern, erzählt er, ist weiter in psychologischer Behandlung. Auch deshalb wollte der Verteidiger des Angeklagten zu Beginn der Verhandlung das Verfahren am liebsten gleich einstellen lassen. "Ich will kein so großes Fass aufmachen. Ich weiß nicht, ob das hier hergehört. Er war ja schon vorher in Behandlung", sagte er.
Einig: Schlussstrich ziehen
Nach eineinhalb Stunden Verhandlung wurden die geladenen Zeugen wieder heim geschickt, ohne dass sie vor dem Gericht aussagten. Die Richterin hatte den Beteiligten einen "Täter-Opfer-Ausgleich" angeboten.
"Von einem Urteil hat der Geschädigte nichts", sagte die Richterin. "Es bietet sich an, damit ein Schlussstrich gezogen wird und Ruhe einkehrt", meinte der Staatsanwalt. Nach einer kurzen Unterbrechung der Verhandlung bringt der 42-jährige Angeklagte mit großer Mühe vor versammelter Mannschaft eine Entschuldigung über die Lippen. "Das war ihm ein Anliegen", sagte sein Verteidiger. Der 56-Jährige könne die jetzt nicht mehr annehmen, sagte er und schluchtzte. Schließlich einigten sich Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung auf ein "symbolisches Schmerzensgeld". 500 Euro bekommt der Geschädigte vom 42-Jährigen, 200 Euro soll er außerdem einem Tierheim überweisen, damit Gras über den Kampf auf dem Kornfeld wachsen kann.