Rainer Mohr aus Haard ist kein gewöhnlicher Patient. Seit 35 Jahren muss er zur Dialyse. In dieser Zeit hat er so einiges durchgemacht. Beim Essen und Trinken ist stets Vorsicht angesagt. Den Lebensmut hat er aber nie verloren.
Kartoffeln, Pizza und Nüsse sind für Rainer Mohr verboten. Genau wie eine Reihe anderer Lebensmittel mit hohem Kalium- oder Phosphatgehalt bergen sie ein tödliches Risiko für ihn. Seine Nieren können diese Giftstoffe nicht abbauen. "Wenn ich zwei Bananen esse, bin ich in fünf Stunden tot", weiß Rainer Mohr. Das Schlimmste sei aber der Durst. Nur einen halben Liter Wasser darf er am Tag trinken.
Sonst könnte er ersticken, weil sich überflüssiges Wasser in der Lunge anlagert.
Vor 35 Jahren erhielt er die Diagnose "Glomerulonephritis", eine Nierenentzündung, die durch das eigene Immunsystem ausgelöst wird. Gemeinhin ist die Krankheit als Schrumpfniere bekannt. Zudem wurden eine Blutarmut und Bluthochdruck festgestellt. Dass der 62-Jährige so lange mit dieser Krankheit lebt, ist außergewöhnlich.
Normalerweise liegt die Lebenserwartung bei vergleichbaren Fällen bei allenfalls ein paar Jahren.
Mohr kann sich noch gut an den Tag der Diagnose erinnern: "Das haut einen um", erzählt er, "das Leben ist praktisch vorbei." Zu diesem Zeitpunkt war er 25 Jahre alt.
Diagnose ließ auf sich warten Schleichend hatte sich die Krankheit schon in der Jugend angekündigt.
Sonst sportlich aktiv und talentiert, wurde Rainer Mohr oft plötzlich sehr müde. Im Alter von 14 Jahren stellten die Ärzte zum ersten Mal Eiweiß und Blut in seinem Urin fest. Zunächst fanden sie die Ursache dafür jedoch nicht. Das lag daran, dass die Ärzte ihn zum Urologen statt zu einem Spezialisten für Hochdruck und Nierenleiden überwiesen. Aufenthalte in verschiedenen Kliniken waren die Folge.
Im Bad Kissinger Theresienkrankenhaus kam ein Assistenzarzt auf die richtige Spur und überwies ihn zu einem Nephrologen an der Uniklinik Würzburg. Dort wurde schließlich im März 1978 die lebensverändernde Diagnose gestellt.
Fortan musste Mohr alle vier Wochen zur Blut- und Urinuntersuchung zur Uniklinik. Nach einem Vierteljahr ging er aber einfach nicht mehr hin. Anrufe der Ärzte ignorierte er einfach.
"Ich stürzte mich in Beruf und Arbeit", erzählt Mohr, "ich dachte, es wird schon wieder besser werden." Doch sein Gesundheitszustand verschlechterte sich so drastisch, dass er im Oktober 1979 einen sogenannten "Shunt", also eine künstlich angelegte Verbindung zwischen Arterie und Vene, gelegt bekam. Am 10. Januar 1980 begann er mit der Dialyse. In den folgenden Jahren war Rainer Mohr völlig kraft- und energielos.
Er selbst spricht von einem "Dahinsiechen".
Körper stieß Spenderniere ab Einen ersten Lichtblick gab es für Mohr 1983. Bei der Arbeit erhielt er einen Anruf aus dem Uniklinikum in Erlangen: Es gebe eine Spenderniere, und er solle sich sofort auf den Weg machen. Die neue Niere wurde ihm dort umgehend eingesetzt. Eine Woche später funktionierte das neue Organ sehr gut. Nach 14 Tagen war Mohr wieder zu Hause.
Die ersten Monate verlief alles ohne Probleme. Doch nach und nach wurden die Blutwerte wieder schlechter. Es stellte sich heraus, dass Rainer Mohr eine chronische Abstoßung hatte, die nicht behandelbar war.
Die Spenderniere arbeitete immer weniger und stellte letztlich die Arbeit ein. Anfang 1985 musste Mohr wieder zur Dialyse. Doch die fremde Niere reagierte auf die Behandlung. Wochenlang hohes Fieber bis zu 40 Grad war die Folge.
Auf eigene Verantwortung ließ Mohr die Niere wieder entfernen. Die Operation lief nicht problemlos. Es hatte sich ein Blutgerinnsel gebildet, nur zwei Stunden nach dem ersten Eingriff musste ein weiterer folgen. "Ich habe gedacht: Jetzt wachst du nicht mehr auf", erinnert sich Rainer Mohr.
Sein Zustand besserte sich nach der Operation nicht. Er wog damals gerade einmal 55 Kilogramm - bei einer Körpergröße von 1,85 Meter.
Um zu überleben, brauchte Mohr alle zwei Wochen zwei Blutkonserven. Im Oktober 1987 musste er wegen schwerer Herzrhythmus störungen eine Kur in Bad Reichenhall abbrechen.
Ein Jahr später ging es dank der Einführung des Medikamentes Erythropoetin (EPO) endlich wieder aufwärts. Denn EPO regt die Produktion von den dringend benötigten roten Blutkörperchen an, an denen es Nierenkranken mangelt.
"Das war meine Rettung", sagt Rainer Mohr, "ich war wie neu geboren." Von da an konnte er wieder essen und statt zehn Schritte bis zu zehn Kilometer laufen. Wirklich gut geht es ihm aber erst, seitdem er die 1990 eröffnete Dialyse in Bad Kissingen nutzt. Er ist dem gesamten Dialyseteam und den Doktoren Schönweiß und Dotzeva sehr dankbar.
Sie seien wie eine Familie für ihn und die anderen Patienten geworden.
Leben mit der Dialyse Heute ist Rainer Mohr trotz seiner schweren Erkrankung guter Dinge. "Ich genieße das Leben", sagt er, "vielleicht mehr als ein gesunder Mensch." Wichtig ist ihm das Schachspielen. Er ist Mitglied im Schachclub Bad Neustadt. Aber auch die Natur liegt ihm am Herzen.
Zumindest kleinere Arbeiten im Garten kann er selbst übernehmen. Auch das Essen macht wieder Spaß.
Selbst, wenn es viele Nahrungsmittel gibt, die Rainer Mohr nicht essen darf, bereitet ihm eines besonders große Freude. Am liebsten geht er mit seiner Frau und seiner Enkelin Eis essen. Generell sei der Rückhalt der Familie das Wichtigste. "Alleine schafft man das nicht", sagt Rainer Mohr.