Django Asül lieferte im Kurtheater seine Sicht auf die Dinge der bundesrepublikanischen und internationalen Wirklichkeit.
"Paradigma" hieß das Kabarett-Programm, das Django Asül im Kissinger Kurtheater inszenierte. "Augenblicke" hätte besser gepasst, denn der Parforce-Ritt durch die Höhen und Tiefen bundesdeutscher Wirklichkeit wurde durch die beredte Mimik des Kabarettisten mitgestaltet.
Vor allem die Augen des Kabarettisten waren an diesem Abend immer in Bewegung: mal nach rechts oben auf der Suche nach dem passenden Wort, der passenden Metapher; mal zu einem schmalen Spalt geschlossen als Ausdruck von List und Tücke; mal weit aufgerissen als Signal über Überraschung oder Wachsamkeit - und immer wieder eine kräftige Falte über der Nasenwurzel, die nicht nur dem markanten Gesicht und den bayrisch-türkischen Wurzeln geschuldet ist, sondern die auch den Sarkasmus seiner pointierten Analysen unterstrich.
Die Hände waren dagegen nur schmückendes Beiwerk - meistens geparkt in den Hosentaschen - und wenn im Einsatz, dann war es der linke Arm als emotionale Signalanlage des Kabarettisten. Die rechte Hand war der Platzhalter für zwei "Biergläser Beruhigungstee", die Asül am Abend konsumierte.
Skurrile Zusammenhänge Stimme und Mimik beherrschten also diesen Abend, der eine Flut von Stichwörtern in einen skurrilen Zusammenhang brachte und über zwei Stunden das ausverkaufte Kurtheater auch in den seichten Momenten bestens unterhielt. Generationenübergreifend traf man sich im Saal, starrte auf eine Bühne mit Bistro-Tisch und Stuhl - und erstarrte hoffnungsfroh, als der Hengersberger Kabarettist aus dem Vorhangspalt trat und mal kurz die Kissinger Historie aufarbeitete: "Früher waren die reichen Russen in Bad Kissingen, in Baden-Baden sind sie immer noch." Gelächter
hierfür und für schlichte Wahrheiten zum 4:4 der Nationalmannschaft gegen Schweden, zum Cannstatter Wasen mit Seitenhiebe auf den Grünen-OB Fritz Kuhn ("Ihm fehlt das Maskuline der Künast.") und eine Erlebnisschilderung seiner Tournee. Dank Asüls Bühnenpräsenz wurden auch die seichten Gags zu Lachern, wobei in der schnellen Folge der Stichwörter manch tieferer Sinn verloren ging.
"Paradigma" - der Programmtitel, als "Sicht auf die Dinge" definiert - war tatsächlich der Leitfaden, den das Publikum aufgriff und dem es gerne folgte, auch wenn es nicht immer ein roter Faden war. Doch dank seiner Überleitungen gelang es, den Gedankengängen Asüls zu folgen, wenn er z. B.
die Google-Anekdote von Bettina Wulff mit einer Klage von Rotlicht-Größen verband - wobei sich das Gelächter noch steigerte, als er so nebenbei meint: "Ikea klagt gegen Google, weil bei ,Armleuchter' nicht automatisch ,Söder' erscheint."
Weisheiten vom Bankkaufmann Die Kunst des 40-Jährigen besteht in der schlichten Skurrilität seiner Analysen, die er in einfache Sätze kleiden oder in ungeheuren Worthülsen verstecken kann. Als gelernter Bankkaufmann geht er dabei genüsslich auf den Euro, den ESM und die Griechen los - mal als er selbst, mal als sein Alter Ego, das er sich am Hengersberger Stammtisch oder beim griechischen Freund seines Vaters ausleiht.
So lässt er den Stammtisch in niederbayrischer Art über die Griechen sinnieren und kommt zum Schluss: "Du bekommst das Schnitzel erst, wenn Du nachgewiesen hast, dass Du Vegetarier bist." Wogegen mit deutsch-türkischen Wortfragmenten makabre Erkenntnisse beigesteuert werden: "Früher haben viele Griechen beim Aufbau Deutschlands geholfen, noch mehr helfen jetzt beim Abbau Deutschlands."
Zunehmender Tiefgang Und dieses "Erkenntnis-Kabarett" geht weiter und tiefer, je länger der Abend wird. Mal geht es um den Friedensnobelpreis für die EU, der mit "Noch nie ist ein so großer Schaden entstanden, ohne dass eine einzige Patrone verschossen wurde" begründet wird, mal ist es der G8-ler, der von der "Spätschicht" zum Fußballtraining geht und von seiner Mutter Red Bull bekommt, damit das Ritalin vom Frühstück nachlässt.
Asül zeigt in seinem Programm
seinen besonderen Blickwinkel und sein ausgeprägtes Gefühl für Sprache - dies wird nochmals zum Ende deutlich, als er in 30 Minuten ein Sammelsurium zu seiner Einbürgerung anbringt, die vom Sprachtest ("Nennen Sie 5 Wörter, in denen Buchstaben vorkommen.") bis zur Blockade des Nervensystem durch die "gefühlte historische Verantwortung". Herausragend war seine Analyse zum Wandel des orientalisch geprägten Frauenbildes: vom Bewusstsein zu deren Selbstbewusstsein mit der Folge einer hormonellen Störung beim Mann - "Das Testosteron macht ein Sabbatjahr."