Franz Josef Strauß bezog seine Oberhemden von der Bad Kissinger Wäschefabrik Petzoldt. Die einst große und renommierte Fabrik musste 1975 angesichts der Konkurrenz aus Fernost aufgeben.
Franz Josef Strauß, der heuer seinen 100. Geburtstag hätte feiern können, gab sich gerne hemdsärmlig, als Macher, der zupackt. Die Hemden, deren Ärmel er hochkrempelte, stammten - zumindest bis 1975 - aus Bad Kissingen. Die ehemalige Wäschefabrik Petzoldt in der Tilman-Riemenschneider-Straße war der Hemdenlieferant des wohl auch heute noch bekanntesten bayerischen Politikers.
Kennengelernt hatten sich Strauß und der Bad Kissinger Wäschefabrikant Walter M. Petzoldt bei der Großwildjagd, erinnern sich der Enkel des Firmengründers, Wolfgang Eibach, und Marianne Rößer, die als Industriekauffrau im Büro der Wäschefabrik gearbeitet hat.
"Es war Marianne Strauß, die die Oberhemden ihres Mannes in Bad Kissingen bestellte", fährt Marianne Rößer fort, "immer im Dutzend." Und sie wurden aus Sicherheitsgründen nie an den Politiker selbst versandt, sondern stets an seine Frau.
Übergröße Die Maße von Franz Josef Strauß waren an die Wäschefabrik geschickt worden. Und da gab es durchaus Besonderheiten. Noch heute machen Kabarettisten wie der begnadete Strauß-Darsteller Helmut Schleich ihre Witzchen darüber, dass F.J.S. keinen Hals gehabt habe. Und wirklich: "Die Oberhemden von Franz Josef Strauß bekamen einen kürzeren Kragen", schmunzelt Wolfgang Eibach. Und Übergröße hatte Strauß auch. "Zehn bis 20 Mark hat damals ein Hemd gekostet", weiß Marianne Rößer noch, nicht dagegen, ob F.J.S. Sonderkonditionen bekommen hat.
Zusammen mit Wolfgang Eibach steht sie vor dem Haupteingang der ehemaligen Wäschefabrik. "Kuck mal, wie das heute aussieht, furchtbar", stellen die beiden fest.
Bis zu 250 Mitarbeiter Die Wäschefabrik Walter M. Petzoldt, sie galt einmal etwas in Bad Kissingen. Bis zu 250 Mitarbeiter waren in dem großen Betriebsgebäude beschäftigt, überwiegend Frauen. Es gab eine Näherei, eine Bügelei, die Zuschneiderei, das Lager und Büroräume. "Außerdem hatten wir ein extra Musterzimmer", betont Marianne Rößer.
Seniorchef Walter M. Petzoldt stammte aus dem Vogtland, hatte dort 1932 seinen ersten Betrieb gegründet. Nach dem Krieg verließ er die spätere DDR, landete in Bad Kissingen und baute dort sein neues Unternehmen auf.
Über 1000 Hemden am Tag Seine Wäschefabrik produzierte überwiegend Oberhemden, aber auch Pyjamas, Morgenmäntel und Nachthemden für Herren. Zeitweise wurden auch die Soldaten der Bundeswehr mit Hemden aus Bad Kissingen eingekleidet. "Über 1000 Hemden verließen pro Tag die Fabrik, ganze Laster wurden vollgeladen", erinnern sich Eibach und Rößer.
Kunden waren so große Firmen und Zusammenschlüsse wie Kaufring, Karstadt, Kaufhof, Wertkauf und Peek & Cloppenburg. Klar, dass es auch bei den Versandhäusern und im Bad Kissinger Rhönkaufhaus Hemden der Firma Petzoldt gab.
Selbst die populären Schwarze-Rose-Hemden wurden unter anderem in Bad Kissingen produziert. Bügelfreie Hemden aus Diolen, die etwas über Gürtelhöhe eine schwarze Rose eingestickt bekamen. Dazu fällt Wolfgang Eibach sogar noch ein zeitgenössischer Spruch ein: "Wenn man die schwarze Rose nicht mehr sieht, gehört das Hemd gewaschen."
Eigene Buslinie für die Mitarbeiter "Wir hatten einen ganzen Fuhrpark", fährt Marianne Rößer fort. Darunter einen eigenen Lkw, der das Expressgut zum Bahnhof brachte. Und zwei große Linienbusse. "Damit wurden die Arbeiter aus der Rhön abgeholt." Wolfgang Eibach ergänzt: "Mein Großvater hat sich sozial sehr engagiert."
Da gab es nicht nur die Buslinie für die Mitarbeiter, auch deren Nachwuchs wurde chauffiert, und zwar in den Kindergarten. "Wir hatten schöne Aufenthalts- und Sozialräume", betont Marianne Rößer. In den Pausen konnten sich die Mitarbeiter in Liegestühle im Garten legen und sogar das hauseigene Schwimmbad benutzen.
Der Niedergang der Wäschefabrik Petzoldt kam Anfang der 1970er Jahre. Waren zuvor sogar Heimarbeiter in der Rhön beschäftigt, die teils eigene Zimmer in den Schulgebäuden zum Nähen der Hemden zugewiesen bekamen, machte sich nun zunehmend die Konkurrenz aus Fernost bemerkbar. "Komplett fertige Hemden aus Hong kong waren billiger als die Produktion in Bad Kissingen", sagt Wolfgang Eibach. Hinzu kam, dass Firmengründer Walter Petzoldt anno 1970 überraschend starb.
Billig-Konkurrenz aus Fernost Mit der Zeit mussten immer mehr Mitarbeiter gehen, die Produktion von hochwertigen Hemden rentierte sich in Deutschland nicht mehr. Zuletzt waren noch 100 Kräfte übrig. Vor allem die älteren Mitarbeiter, die auf dem Arbeitsmarkt nur wenig Chancen gehabt hätten, wurden bis zum Schluss behalten.
1975 schloss die Wäschefabrik Petzoldt endgültig ihre Pforten. Später nutzte die Kamerafirma Beroflex das Gebäude, heute ist dort unter anderem die Firma Books untergebracht. "Ich kriege heute noch heulende Augen, wenn ich vor dem Betrieb stehe", sagt Marianne Rößer, und es ist ihr anzumerken, wie sehr sie sich mit "ihrer" Wäschefabrik identifizert hat.