Wir stellen die zehn "Great Spa Towns of Europe" vor, mit denen Bad Kissingen Welterbe wurde. Den Aufstieg zur "Sommerhauptstadt Europas" verdankte Baden-Baden nicht nur seinen Quellen, sondern auch dem Glücksspiel.
Schon die Römer wussten um die Thermalquellen von Baden-Baden. Die antiken Badruinen sind in der Altstadt bis heute zu sehen. Als "Sommerhauptstadt Europas" international bekannt wurde die Stadt am Rande des Schwarzwaldes im 19. Jahrhundert - der europäische Hochadel, Künstler, Großindustrielle kamen damals jedoch nicht nur zum Kuren wegen des Heilwassers in die Stadt, sondern vor allem auch wegen des Glückspiels. "Baden-Baden ist im 19. Jahrhundert zu einem der größten europäischen Spielebäder aufgestiegen", erklärt Julia Bischoff von der Stabsstelle Welterbe. Baden-Baden ist vergangenen Sommer mit Bad Kissingen und neun weiteren bedeutenden Kurstädten als "Great Spa Towns of Europe" von der Unesco als Welterbe anerkannt worden.
Wie Dostojewski sein Hab und Gut verzockte
Der Aufstieg zum Weltbad ist eng mit der Spielbank verbunden, die bereits zu Beginn des Jahrhunderts einen Ruf hatte, dem viele Potente, Künstler und Literaten folgten - und erlagen. Bekanntestes Beispiel ist der russische Schriftsteller Fjodor Michailowitsch Dostojewski, der mehrmals in die Stadt kam und sein Hab und Gut verzockte. Er verarbeitete seine Spielsucht und seine Erfahrungen später unter anderem in den Romanen "Der Spieler" und "Der Idiot". Eine Skulptur erinnert in Baden-Baden bis heute an den bedeutenden Schriftsteller.
In Bad Kissingen hatte die Spielbank lange nicht den Stellenwert, wie in Baden-Baden. Während in Bad Kissingen der Standort des Glücksspiels mehrfach wechselte und früh verboten wurde, ist in Baden-Baden das Casino untergebracht im linken Flügel des ehemaligen Conversationshauses, dem heutigen Kurhaus. Der Bau des Casinos begann vor 200 Jahren. Unter der Regie der Pächterfamilie Bénazet florierte die Spielbank und verschaffte der Stadt die Einnahmen, die sie brauchte, um zu ihrer Blütephase zwischen 1840 und 1890 zu gelangen.
"Ein besonderes Merkmal Baden-Badens ist seine Internationalität", erzählt Bischoff. Grundsätzlich ist dies ein Kennzeichen aller Weltbäder. In Bad Kissingen schön zu sehen ist das auf dem Kapellen- und dem Jüdischen Friedhof. In Baden-Baden ist das internationale Flair laut Bischoff bis heute stark ausgeprägt. Besonders wichtig waren Gäste aus Frankreich und Russland. Die Beziehung zu Frankreich ergibt sich aus der geografischen Nähe. Mit dem Auto ist die Grenze zu Frankreich heute in 15 Minuten erreicht. Im 19. Jahrhundert wählte sich vor allem die Pariser Elite Baden-Baden als Sommerresidenz aus. Französische Zeitungen waren die ersten, die die Stadt deshalb auch als Sommerhauptstadt Europas bezeichneten. Dieser Begriff prägt den Ruf der Stadt bis heute.
Warum interessierte sich der russische Adel sich derart für den Ort? Die badische Prinzessin Luise wurde 1793 mit Zar Alexander verheiratet. Die Zarenfamilie und Anhänger des Hofes verbrachten ab den 1820er Jahren mehrfache Aufenthalte in Baden-Baden. In der Folge stieg die Stadt zum beliebten Ziel auf. "Auch architektonisch haben sich die russischen Beziehungen im Stadtbild niedergeschlagen", erklärt Bischoff. Wie in Bad Kissingen gibt es eine russisch-orthodoxe Kirche, darüber hinaus sind in den Villenvierteln russische Spuren zu finden. "Teilweise hatte man die Stadt nicht nur besucht, sondern sich häuslich niedergelassen", weiß sie.
Französisches Flair an der Kurpromenade
Die Internationalität prägt bis heute - sei es, dass Straßen, Plätze, Hotels und Cafés französische Namen haben, sei es, dass Speisekarten und Hinweisschilder mehrsprachig gehalten sind oder dass Cafés an der Kurpromenade die Stühle nach französischer Art stellen - mit Blick zur Straße, um den Leuten beim Flanieren zuzuschauen und nicht einander zugewandt. Es geht ums Sehen und Gesehen werden.
Die Kur hatte in Baden-Baden eine Doppelbedeutung. Zum einen gab es klassische Trink- und Badekuren, mit einem therapeutischen Hintergrund. Die Gesellschaftskur mit breiten Kultur- und Freizeitangeboten wurde aber immer wichtiger. "Dieses ganzheitliche Konzept ist bis heute so gefragt", meint Bischoff.