Der ZDF-Anstaltsbesetzer Max Uthoff präsentierte sein neues Programm Gegendarstellung im voll besetzten Kurtheater. In zwei Stunden Spielzeit ätzte er gegen deutsche Doppelmoral, reflexhafte Vorurteile und die etablierte Qualitätspresse.
Max Uthoff betritt das Kurtheater über den Zuschauerraum. Mit einem Megafon in der Hand steht er unvermittelt im Publikum und skandiert irritierende Parolen. "Realitätsverlust ist häufig ein Gewinn." "Alles hat ein Ende nur die Gier hat keins." "Den Anweisungen des Personals ist Folge zu leisten." Es ist, so Uthoff, der Startschuss zu einem Abend ohne Musik, denn: "Böse Menschen kennen keine Lieder."
Der studierte Rechtsanwalt aus München ist natürlich
nicht der Teufel in Person. Uthoff ist ein linker Moralist, der sich mit seinem neuen Programm Gegendarstellung an heuchlerischen Doppelstandards abarbeitet und sich gegen die Elite für die sozial Schwachen, wie Hartz IV Empfänger einsetzt. Sein Humor hingegen geht schon eher als böse durch. Oder einfach als schonungslos direkt. Ein Beispiel? Er nimmt sich den kuscheligen Wohlfühl-Nationalstolz der Deutschen vor und kommentiert: "Es gibt nur das Gesamtpaket." Zu
Fußball und Bier gehört auch das KZ Auschwitz. "Das 7:1 gegen Brasilien war kein Fußball, das war Kapitulation und damit kennen wir uns aus."
Schwarz wie der Anzug, den er trägt, scharf und schneidend drischt er auf die Verlogenheit ein, wo er sie findet. Uthoff lästert über Papst Franziskus, einen duften Typen, der der Welt den Krieg erklärt, über Bundespräsident Joachim Gauck, der über Freiheit und Verantwortung referiert, aber
Schießen und Geld verdienen meint und über den Friedensnobelpreisträger Barack Obama, der jeden Abend eine Kill-List mit den nächsten Drohne nangriffen unterzeichnet. Subtil wirft Uthoff die Frage auf, wer die schlimmere Terrorbande ist, der Islamische Staat oder das amerikanische Militär.
In der Regel trifft sein Sarkasmus die politische und ökonomische Elite, wie etwa beim Thema Rüstungsindustrie und Waffenexporte.
Uthoff beschreibt mit welchen Tricks Waffen aus deutscher Produktion trotz offiziellen Exportverboten in den Krisengebieten dieser Welt landen. Bedenken hat die Elite keine. "Liegt der Syrer tot im Zimmer, lebt er nimmer." Ist halt so. In Deutschland, so Uthoff, stehen schließlich viel wichtigere Dinge auf dem Spiel als tote Syrer. Immerhin müssen Arbeitsplätze gesichert werden.
Und überhaupt: "Wenn wirs nicht machen, dann macht es ein anderer", zitiert er einen Unionspolitiker. Wie bitte? Trocken schlägt Uthoff vor, die Rüstungsindustrie zu regulieren, aber konsequenter als es Wirtschaftsminister Gabriel plant. "Alles unter Strafe stellen, sogar zwei Jahre für die Sekretärin wegen Beihilfe zum Mord." Problem gelöst.
Max Uthoff, so kennt ihn der Zuschauer der ZDF-Sendung Die Anstalt, argumentiert oft sehr faktenlastig.
"Kabarett hat Informationsfunktion", sagt er. Also informiert der 47-Jährige sein Publikum: Über die Zahlen von Ausländermorden und Braunen Terror in Deutschland und darüber, dass die deutsche Qualitätspresse unseriös und einseitig über den Ukrainekonflikt berichtet und Wladimir Putin dämonisiert hat. "Die Presse hat ihrem Namen vierte Gewalt alle Ehre gemacht", stellt er fest.
Weil die Berichterstattung sich oft ähnelt, schlägt er dem Publikum vor, sich im Internet auf journalistischen Plattformen wie
www.nachdenkseiten.de kritisch zu informieren. Diesen Service sieht er als Informationsauftrag.
Uthoff kämpft gegen das gebetsmühlenartige Wiederkäuen von medialen Klischees. "Die Verantwortung wird immer an das schwächste Glied abgegeben", sagt er.
Der Verbraucher wird beispielsweise für die menschenunwürdigen Produktionsbedingungen in T-Shirt-Fabriken in Bangladesch verantwortlich gemacht, indem gesagt wird: Kaufe verantwortungsbewusst, dann änderst du etwas. Dabei gibt es eine Berufsgruppe, die zuständig wäre, dafür zu sorgen, dass Mindeststandards eingehalten werden.
Uthoff: "Nennen wir sie Politiker." Einziges Manko am erwartet starken Auftritt: Uthoff prescht bisweilen zu schnell durch die Themen, so dass das Publikum den einen oder anderen Themensprung verpasst.