Darf ich ein Hornissennest entfernen?

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Karin Schmidt hat die Lizenz zum Umsiedeln: Die Insektenberaterin wird angeklingelt, wenn sich Menschen unsicher sind, was sie mit einem Wespennest im oder am Haus anfangen sollen. Foto: Carmen Schmitt
Karin Schmidt hat die Lizenz zum Umsiedeln: Die Insektenberaterin wird angeklingelt, wenn sich Menschen unsicher sind, was sie mit einem Wespennest im oder am Haus anfangen sollen. Foto: Carmen Schmitt

Karin Schmidt ist Umzugshelferin für Bienen und Wespen. Die Insektenberaterin erklärt, warum die dicksten Brummer die besten Untermieter sind.

Sie wacht als alleinerziehende Mutter auf. Wenn sie aufwacht. Schon möglich, dass sie ihr Versteck nicht vor hungrigen Vögeln schützen konnte. Die Zeit im Winter ist für die junge Königin eine Gefahr. Ständig. Monatelang hat sie sich verkrochen; die Kälte ausgehalten. Nur ein Ziel: für die nächste Generation sorgen. Sobald sie aus ihrem Unterschlupf kommt, erneut Zweifel: Wird sie wieder nur als das Monster gesehen, das Menschen aus ihr gemacht haben? Bei den folgenden Menschen hätte die Hornisse Glück gehabt.


"Wie eine Propellermaschine"

"Ich liebe diese Viecher", sagt Glenys Fischer. Seit zwölf Jahren kommen immer wieder Hornissen zu ihr aufs Grundstück in Eckarts. Die Königin sei nicht zu überhören, wenn sie sich auf die Suche macht - "wie eine Propellermaschine". Respekt hat sie vor den Brummern, erzählt sie, aber keine Angst. "Die machen nix, sie holen nur, was sie brauchen."


Willkommene Gäste

Bäume, Sträucher, Nistkästen, ein großer Garten: Wahrscheinlich ist es das, was die Hornissen immer wieder zu Hans-Georg Jost nach Mitgenfeld lockt. Die Insekten sind gern gesehene Gäste. Aggressiv habe er sie noch nie erlebt, erzählt er. "Der Mensch stört die Hornisse gar nicht, wenn er sich nicht ungeschickt verhält", sagt Hans-Georg Jost. Und umgekehrt? "Wenn Sie ein Hornissen-Nest haben, können Sie mir es herbringen."
Ganz so einfach ist das nicht. Karin Schmidt ist Vorsitzende des Imkervereins Bad Brückenau und eine Art Umzugshelferin für Insekten. Besorgte Bewohner klingeln bei der Frau aus Oberleichtersbach durch, wenn sie sich nicht sicher sind, was sie mit einem Nest am oder im Haus anfangen sollen. In den allermeisten Fällen, erzählt sie, reicht es schon, aufzuklären.

Karin Schmidt hat die Lizenz zum Umsiedeln. Oft braucht sie die gar nicht: ein, zwei Mal im Jahr. Wie sie es genau anstellt, will sie nicht erklären. Zu groß sei die Gefahr, dass sich jemand daran versucht - und schlimme Verletzungen riskiert.


Wenn nur noch die Flucht hilft

Vor wem man sich in Acht nehmen sollte, das ist die "Deutsche Wespe" und die "Gemeine Wespe", sagt die Imkerin. Die seien in ihrem Wesen aggressiv. Beide haben ihren Bau im Boden. Sollte man bei Gartenarbeiten versehentlich in so ein Nest hacken, hilft nur eins: flüchten. Kennt man die Stelle, Abstand halten und in Ruhe lassen, so der Rat der Expertin. Ihre Artverwandten ordnet die Insektenberaterin dagegen ganz anders ein: "Hornissen sind ein Glücksfall für jedes Grundstück."

Karin Schmidt gerät ins Schwärmen. Neben ihren Bienen "schnurren die Hornissen wie Panzer zwischen Mofas". Sie liebt das Brummen, "wie das einer Harley", erzählt sie. Auch Glenys Fischer will ihre Gäste nicht missen. Die Enkel sind beim Anblick gespannt, und der Ehemann habe sich inzwischen an die Untermieter gewöhnt.
Es sind die jungen Leute, die sich kooperativ zeigen, meint Karin Schmidt. "Die wachsen mit einem anderen Naturverständnis auf." Die Wahrnehmung habe sich in den letzten 30 Jahren verändert.
 


Darf ich ein Hornissennest entfernen?

Insekt Die Hornisseist mit vier Zentimetern die größte unter den Wespen und eine der größten heimischen Insekten. Andere Wespenarten zählen zu ihren Leibgerichten. Für süße Limo oder die Kuchentafel interessiert sich das Insekt nicht. Ein Volk besteht aus bis zu 700 Tieren. Ende Mai kriecht die Königin aus ihrem Winterversteck und sucht nach einem Nistplatz.
Hohle Bäume findet sie immer seltener, deshalb nutzt sie auch Nistkästen, Nischen im Dachboden, an Terrassen, Balkonen und Rollokästen. Auf sich gestellt gründet sie einen Staat, mit dem das imposante Nest aus mehreren Stockwerken aus zerkauten Pflanzen wächst. Ein Hornissenjahr dauert nur ein paar Monate. Sinken im Herbst nachts die Temperaturen gen Null Grad, verendet das Volk. Junge Königinnen, die potenziellen Staatenbegründer der nächsten Saison, haben sich rechtzeitig in Sicherheit gebracht. Das Nest wird nicht noch einmal bezogen. Ein neues Volk baut ein neues Nest.

Gift Der Stich einer Hornisse ist nicht gefährlicher als der einer Biene oder Wespe. Hornissen gelten als friedfertig. Ihren Stachel setzen sie nur zur Verteidigung ein. Rauch, Erschütterungen oder hektische Bewegungen vor ihrem Einflugloch können die Tiere nervös und angriffslustig machen. Einen Stich am besten mit Eis kühlen. Zwiebelschalen oder Insektencreme können helfen. Ist Rachen oder Hals betroffen, kann die Speiseröhre anschwillen und Atemnot auftreten. In diesem Fall die geschwollene Stelle kühlen und sofort zum Arzt. Achtung: Allergiker sollten immer ein entsprechendes Medikament bei sich tragen.

Schutz und Rat In Deutschland zählt die Hornisse zu den besonders geschützten Tierarten. Das Bundesnaturschutzgesetz (Artikel 44) schafft den rechtlichen Rahmen. Das bedrohte Insekt wurde in die Bundesartenschutzverordnung aufgenommen und ist damit gesetzlich geschützt. Ihr Nest darf nicht zerstört und das Tier nicht getötet werden. Andernfalls drohen hohe Geldbußen Ausnahmegenehmigung erteilt die Untere Naturschutzbehörde des Landkreises. Rat gibt es bei Insektenberaterin Karin Schmidt (Tel.: 09741/6142). bcs