In einem Naturschutzgebiet in Reiterswiesen wird auf einer Fläche von 80 Hektar großflächig Brennholz gefällt. Was verrückt klingt, dient aber dem Umweltschutz und hilft armen Menschen durch den Winter.
Bundesförster Thomas Fritzemeier steht auf einer Lichtung im Naturschutzgebiet hinter dem ehemaligen US-Flugplatz bei Reiterswiesen. Ein paar Dutzend Eichen stehen dort noch, ansonsten wurden alle Bäume geschlagen. "An der Straße halten schon mal Passanten an und fragen: ,Na habt ihr den Wald bald klein?'", sagt er. Dabei dient der Einschlag dem Naturschutz und hilft sozial Schwachen. Hain- und Rotbuchen wurden gefällt, um im Winter die Wohnungen armer Menschen zu beheizen.
Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) bewirtschaftet ein 80 Hektar großes Waldstück in dem Naturschutzgebiet als sogenannten Mittelwald (
siehe unten). "Das ist eine Wirtschaftsform von früher zur Bau- und Brennholznutzung", sagt Fritzemeier, der als Revierleiter für das Waldstück zuständig ist.
In einem Mittelwald haben die Leute früher weniger wertvolle Bäume als Brennholz geschlagen und wertvolle Bäume als Bauholz stehen lassen. Die durften heranwachsen und wurden erst Jahre später gefällt und zu Möbeln weiterverarbeitet. "Dadurch hatte man sehr lichte Flächen, die früher auch beweidet wurden", erklärt der Förster weiter. Weizen wurde dort angebaut und Nutztiere zum Grasen in Mittelwälder getrieben.
Vegetation explodiert Dadurch, dass sich der Wald und die Lichtverhältnisse stetig ändern, wachsen auch andere Pflanzen, wie etwa der auf der roten Liste stehende Diptam, auch Brennender Busch genannt. Fritzemeier: "Es profitieren auch viele Tierarten wie der Hirschkäfer." Roland Lenhart von der unteren Naturschutzbehörde findet einen Mittelwald in Reiterswiesen ebenfalls sinnvoll: "Nach dem ersten Hieb
explodiert die Vegetation. Die nächsten fünf bis zehn Jahre ist alles bunt." Erst danach wird die Vegetation allmählich wieder zum normalen Wald.
Die Arbeit im Wald wird ab sofort großteils vom Integrationsprojekt KIP des Sozialvereins Kidro übernommen. Die KIP'ler - oft Langzeitarbeitslose mit Suchtproblemen - bearbeiten die Baumkronen, spalten gefällte Stämme und transportieren das Holz ab.
Im Gegenzug überlässt die DBU das Holz der Kidro für die geleistete Arbeit. "Wir sprechen hier über ein paar tausend Euro", sagt Fritzemeier. Oder umgerechnet mehr als 60 Festmeter Holz pro Jahr.
"Wir haben jahrelang bei der Arbeit mit unseren Klienten mitgekriegt, dass viele sozial Schwache in schlecht sanierten Wohnungen wohnen, die mit Öfen beheizt werden", sagt Kidro-Vorsitzende Eva Matthies.
Weil Brennholz teuer ist, können sich viele ohne Hilfe keine warme Wohnung leisten. Sie haben die Möglichkeit, sich beim Jobcenter und der Sozialhilfe des Landratsamtes Bedarfsscheine zu besorgen, über die sie bei der Kidro kostenlos Brennholz beziehen. Der Landkreis hatte das Projekt mit initiiert. "Es ist eine Heizungshilfe der anderen Art", sagt Landrat Thomas Bold (CSU). Es sei sinnvoll Holz, das sowieso geschlagen werde, als Energieträger Bedürftigen zur
Verfügung zu stellen.
Brennholz spenden im Sinne des Naturschutzes Naturerbe Die DBU sichert 33 ehemals militärisch genutzte Gebiete für den Naturschutz. Fünf Flächen, darunter fast das gesamte Naturschutzgebiet Reiterswiesen-Häuserlohwäldchen, befinden sich in Bayern.
Das Naturerbe in Reiterswiesen umfasst 300 Hektar, davon werden 80 Hektar mittelwaldartig genutzt.
Mittelwald Bis ins 19. Jahrhundert waren Mittelwälder üblich, heute gibt es sie kaum noch. Die DBU will sie auch aus kulturhistorischen Gründen erhalten. Sogenanntes Unterholz (Buchen) wird geschlagen und als Brennholz genutzt. Das Oberholz, vor allem Eichen, bleibt 30 Jahre lang stehen. Erst dann werden die Bäume als Bauholz geschlagen.
Mittelwälder sind Biotope für seltene Tier- und Pflanzenarten.
KIP ist das Integrationsprojekt des Sozialvereins Kidro. Menschen mit Problemhintergrund (etwa Suchtproblemen) sollen wieder in Arbeit reintegriert werden. Sie schlagen das Holz in dem Mittelwald, welches dann als Brennholzspende an Bedürftige verteilt wird.