Wer im Gymnasium oder der Realschule keine Aussicht auf eine Anstellung hat, kann auf die Mittelschule umsatteln. Eva Ziegler nutzt diese Chance.
Als Eva Ziegler mit dem Lehramtsstudium angefangen hat, war sie noch zuversichtlich: "Damals hat sich noch nicht abgezeichnet, dass man mit Deutsch und Geschichte so geringe Chancen hat", erzählt die 28-Jährige. Allerdings hätten sich die Fächer gerade an der Realschule bereits im Studium als "Allerwelts-Kombi" entpuppt. Zu wechseln hätte aber bedeutet, komplett vorne anzufangen. Also zog sie Studium, Referendariat und zwei Staatsexamen durch, schloss mit der Note 2,08 ab - und stand auf der Straße. "Ich hätte eine befristete Jahresstelle annehmen können", berichtet sie. Dann wäre sie in den Sommerferien immer arbeitslos gewesen. Also nutzte sie eine ganz neue Möglichkeit: die "Bewährungsfeststellung" als Mittelschul-Lehrerin.
80 Kilometer einfach zur Schule
Eva Ziegler stammt aus Zeilitzheim im Landkreis Schweinfurt. Jeden Tag fährt sie 80 Kilometer einfach bis ins Schulzentrum Römershag, um die 19 Kinder der 6a zu unterrichten. Die freuen sich über die engagierte Lehrerin: "Frau Ziegler erklärt alles sehr gut", sagt etwa die elfjährige Emilia, und: "Seit ich sie als Lehrerin habe, ist Mathe eines meiner Lieblingsfächer." Als Klassenlehrerin organisiert sie auch Ausflüge mit ihren Schülern - sehr zur Freude von Schüler Manuel aus Bad Brückenau. "Sie ist sehr nett und hilfsbereit", lobt der Zwölfjährige Eva Ziegler, und: "Wenn sie mir was erklärt, dann verstehe ich es."
"Das Konzept der Mittelschule gefällt mir, weil man mehr in einer Klasse ist", freut sich Eva Ziegler über die Möglichkeit zur Umschulung. Noch lieber hätte sie sich allerdings bereits an der Uni umorientiert: "Damals wurden wir hingehalten, jetzt geht es plötzlich aus der Not heraus", kritisiert die 28-Jährige. Zudem werde ihre Arbeit deutlich schlechter bezahlt: Sie erhalte für die gleiche Leistung (27 Unterrichtsstunden plus Klassenleitung) nur etwa zwei Drittel des Gehalts der verbeamteten Kollegen. Immerhin sei dieses Problem erkannt: Ab dem zweiten Schul-Halbjahr soll es mehr Geld geben, für Eva Ziegler und alle, die den gleichen Weg gehen.
Fünf fertige Lehrer aus anderen Schularten satteln aktuell im Landkreis auf Mittelschule um, davon zwei in Bad Brückenau. "Es ist sehr schwer, Lehrer zu kriegen", berichtet Schulleiterin Birgit Herré. 36 Kollegen unterrichten aktuell an der Mittelschule Bad Brückenau. "Wir kommen gerade so hin, die mobilen Reserven sind aber aufgebraucht." Bislang müsse noch kein Unterricht ausfallen. Die aktuell zwei Kandidaten kommen je einmal aus Gymnasium und Realschule. Die Fächer-Kombis, die es dort schwer haben, seien Deutsch, Geschichte, Erdkunde und Englisch.
Aktuell fünf Kandidaten
Die fünf zusätzlichen Lehrer "auf Bewährung" im Landkreis Bad Kissingen und vier im Landkreis Rhön-Grabfeld freuen auch Schulrat Klaus Jörg: Zwar steige die Zahl der Lehramtsanwärter für Grund- und Mittelschulen, allerdings gebe es auf der anderen Seite einen überdurchschnittlich hohen Anteil an Lehrern über 50 Jahre, gesundheitliche Ausfälle und "recht hohe und noch zunehmende Pensionierungszahlen". Der übliche Weg ins Lehramt seien nach dem Abitur an Gymnasium, FOS oder BOS mindestens acht Semester Studium und zwei Jahre Referendariat. Wer das für andere Schularten macht, benötigt eine Nachqualifikation mit abschließender Bewährungsfeststellung durch Schulleitung und Schulamt.
Betreut werden die Umschüler von anderen Lehrern und einem Fachseminarleiter. Eva Ziegler berichtet jedoch, dass sie bislang keine Seminare hatte. Für eine Fortbildung, um Sportunterricht geben zu können, kämpft sie gerade. Am Ende muss sie unter anderem drei Lehrproben bestehen. "Bei festgestellter Eignung erfolgt die Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe und schließlich nach zweijähriger Probezeit die Verbeamtung auf Lebenszeit", berichtet Schulrat Jörg.
Der Wechsel in eine andere Schulart sei oft anspruchsvoller als erwartet, vor allem der Umstieg vom Fach- aufs Klassenlehrerprinzip. Zudem seien Pädagogik und Fachdidaktik an Grund- und Mittelschulen anspruchsvoller, der Lehrer-Schüler-Bezug sei enger, die Elternarbeit intensiver. Hinzu komme das unterschiedliche Image der Lehrämter, die unterschiedliche Besoldung und "die in keiner Weise gerechtfertigte unterschiedliche Unterrichtsstundenverpflichtung". Die Mittelschule habe nicht nur eine "enorme Breite der Schülerschaft", sondern auch die meisten unterschiedlichen Abschlüsse.