Der Arbeits- und Sozialminister Hubertus Heil (SPD) kündigte an, dass es wegen Corona leichter wird, Grundsicherung zu beantragen. Aber: Wie sieht die Theorie in der Praxis aus? Eine Betroffene spricht über ihre Erfahrungen.
Karin Gebhard sitzt vor einem Haufen Blättern: Antwortschreiben vom Arbeitsamt mit Forderungen, diese Bescheinigung und jenen Nachweis einzureichen. Was auf der Seite der Arbeitsagentur als "schnell und mit so wenig bürokratischem Aufwand wie möglich" angepriesen wird, hat sie ganz anders erlebt. Die wegen Corona in Kurzarbeit geschickte Rezeptionistin hatte Grundsicherung beantragt, um den plötzlichen Einkommensverlust abzufedern.
Gebhard arbeitet am Empfang im Hotel Sonnenhügel. Wegen der Coronabeschränkungen ab März kamen nur noch Geschäftsreisende ins Hotel, fast alle Zimmer blieben frei. Kurze Zeit später fand sie sich in Kurzarbeit wieder. "Der erste Monat ging noch, da habe ich noch ein halbes Gehalt bekommen", erinnert sie sich.
Hoffnung durch ein Video
Der nächste Monat sei schon härter gewesen. "Nach Abzug der Unkosten, also Miete, Strom, Heizung, Versicherung et cetera, hatte ich noch 50 Euro pro Woche", sagt Gebhard. Mit einer folgenden Abrechnung für die Mülltonnen über 50 Euro war das Budget für eine Woche schon aufgebraucht.
"Und dann habe ich ein Video gesehen, auf dem der Bundesarbeitsminister Hubertus Heil erklärt, es gäbe eine ergänzende Grundsicherung, wenn das Kurzarbeitergeld nicht reicht", erzählt Gebhard. "Es sollte schnell und unkompliziert gehen." Zwei Tage später habe sie den Antrag gestellt. Sie füllte die vier Seiten des Antrages aus und sendete ihn zusammen mit den geforderten Belegen ab.
"Und dann ging es los. Sie wollten zum Beispiel eine Mieterbescheinigung, mein Mietvertrag reichte nicht. Oder lückenlose Kontoauszüge von drei Monaten", sagt die Rezeptionistin. Was sie dann erlebt, ist für sie das Gegenteil von dem, wie die Antragstellung für Kurzarbeitbetroffene dargestellt wird: "Die haben sich in meinen Kontoauszügen gesuhlt. Die wollten sogar Nachweise von Paypal-Zahlungen. Die waren aber eigentlich auch schon in den Kontoauszügen drinnen."
Aufforderung zur Mitwirkung
Sie sollte regelmäßige wie einmalige Abbuchungen und Gutschriften, die in den Kontoauszügen zu finden waren, erklären. Also Ratenzahlungen im niedrigen dreistelligen Bereich, aber auch Gutschriften von fünf bis 20 Euro aus Kleinanzeigenverkäufen. "Ihre Angabe, dass Sie (...) über kein erhebliches Vermögen verfüge (...), wird grundsätzlich ohne weitere Prüfung akzeptiert", las Gebhard auf der Homepage der Bundesagentur. Das sah sie missachtet.
Daraufhin habe sie einen Brief an ihre Sachbearbeiterin geschrieben, auf den sie jedoch keine Antwort bekam. Dann sei eine Mahnung gekommen, eine Aufforderung zur Mitwirkung. Weil die Fragen des Jobcenters für Gebhard jedoch zu tief in ihre Privatsphäre eingriffen, beantwortete sie die Fragen nur teilweise. "Hubertus Heil sagte doch, niemand muss sich entblößen. Das, was da kam, war vom Gefühl her aber so, als würde jemand an meinen Wäscheschrank gehen."