Die Stadt Bad Kissingen fordert Beiträge für Straßen- und Kanalbauarbeiten in der Innenstadt ein, die schon bis zu 16 Jahre zurückliegen. Wie der Oberbürgermeister erklärte, sei man vom Kommunalen Prüfungsverband dazu verpflichtet worden.
Oberbürgermeister Kay Blankenburg (SPD) schien sich nicht so ganz wohl in seiner Haut zu fühlen: "Ich weiß, dass es ein heißes Eisen ist", sagte er zu Beginn einer Versammlung, in der er etlichen Bürgern erklären musste, warum die Stadt nachträglich insgesamt 600.000 Euro für Straßen- und Kanalbauarbeiten aus den Jahren 1997 bis 2009 von ihnen kassieren will.
Das Prekäre dabei ist, dass die Stadtverwaltung ursprünglich der Ansicht war, dass für diese Maßnahmen keine Anliegerbeiträge erhoben werden. Doch weil der Kommunale Prüfungsverband im Jahre 2011 bei einer Prüfung feststellte, dass die Beiträge "ohne Wenn und Aber" - so das Stadtoberhaupt - zu erheben seien, musste die Kissinger Behörde ihre Sichtweise korrigieren. Gleichzeitig versprach der Oberbürgermeister: "Niemand muss sein Haus verkaufen, um die Beiträge bezahlen zu können."
Baudirektor Hermann Schober erläuterte die fachliche Seite der damaligen Kanal- und Straßenbaumaßnahmen, die vor allem dem Schutz des Heilquellengebietes dienten und damit folgende Straßen umfassten: Hemmerich,- Kapellen-, von-der-Tann-Straße, Reithaus- und Eisenstädter Platz. Da die Maßnahmen in einem engen Zusammenhang standen, wurde nur ein Ingenieurbüro beauftragt, dass erst am 20. September 2009 die Schlussrechnung stellte. Und wer zu diesem Zeitpunkt Eigentümer des Grundstücks war, der ist auch der Beitragspflichtige. Das gefiel natürlich denen nicht, die in den Straßenbereichen Grundstücke oder Eigentumswohnungen als "lastenfrei" erworben hatten.
Rechtsrat Joachim Kohn erläuterte ergänzend, dass eine Verjährung noch nicht vorliege, weil der vierjährige Verjährungszeitraum erst zum Ende des Jahres 2009 beginnt und die Bescheide noch in der "Anschlussfrist" - also vor dem 31. Dezember 2013 - zugestellt werden. Andererseits berichtete Kohn, dass im Moment das Verwaltungsgericht (VG) in Würzburg sich mit einem Fall aus der Hartmannstraße befasst und den Tatbestand der "Verwirkung" prüft. Hierbei geht es um einen Vertrauensschutz, wenn man berechtigterweise der Meinung ist, dass man nicht (mehr) zahlen muss. Ein Urteil wird für das zweite Quartal 2014 erwartet und deshalb werden die Anliegerbescheide inhaltlich so gestaltet, dass ein Zahlungsziel von einem Jahr festgesetzt wird.
Das Gerichtsurteil abwarten Der Anlieger erhalte also seinen Bescheid, muss jedoch für ein Jahr weder Beiträge noch Zinsen bezahlen - und hat zudem noch die Möglichkeit, aufgrund des kommenden Würzburger VG-Urteils zu überlegen, ob er Widerspruch einlegt oder eine Klage erhebt. "Weiter können wir Ihnen nicht entgegen kommen", meinte Blankenburg angesichts der knapp 100 Gäste im Tattersall.
Interessiert verfolgten die Anwesenden die Ausführungen der Verwaltungsvertreter und bohrten mit etlichen Fragen nach. So wollte ein Anlieger wissen, wieso die damalige Ansicht der Kissinger Behörde falsch gewesen sei. Laut Prüfungsverband hätten die Maßnahmen zu einer qualitativen Verbesserung des Straßenzustandes geführt und außerdem müssen die anteiligen Kanalkosten der Straßenentwässerung berücksichtigt werden, lautete die Antwort von Hermann Schober.
Erbost zeigte sich ein Anlieger über die schlechte Informationspolitik der Stadt und drohte, dass er jede Zahlung verweigern werde. "Verständlich", antwortete das Stadtoberhaupt, aber letztlich müsse jede Maßnahme über Steuermittel finanziert werden.