Bad Kissingen: Falsch-Post für Literatur-Nobelpreisträger Sienkiewicz

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Juwelier Stefan Neubert wohnt in dem Haus, in dem Henryk Sienkiewicz als Kurgast übernachtete. Vor kurzem hatte er Post für den lange verstorbenen Literaturnobelpreisträger im Briefkasten.
Juwelier Stefan Neubert wohnt in dem Haus, in dem Henryk Sienkiewicz als Kurgast übernachtete. Vor kurzem  hatte er Post für den lange verstorbenen Literaturnobelpreisträger im Briefkasten.
Benedikt Borst

Henryk Sienkiewicz weilte 1889 als Kurgast in der Hartmannstraße. An diese Adresse hat der längst verstorbene Literaturnobelpreisträger unlängst Post bekommen - von einem Veranstalter einer großen Pflegemesse. Der heutige Eigentümer des Hauses wundert sich, was da wohl schief lief.

Dass Post für einen verstorbenen Vorbewohner eines Hauses oder einer Wohnung im Briefkasten landet, kommt hin und wieder vor. Ungewöhnlich wird es, wenn die Post an einen Promi gerichtet ist, der noch dazu seit mehr als 100 Jahren tot ist. Juwelier Stefan Neubert aus Bad Kissingen hat eines Morgens so eine eigentümliche Sendung in seiner Post gehabt. Es handelt sich um einen Werbeflyer, wie er täglich wahrscheinlich tausendfach zugestellt wird.

Die deutsche Leitmesse Altenpflege 2022 macht Werbung für den Messetermin in Essen Ende April. Adressiert ist der Flyer an Neuberts Wohnhaus, die Hartmannstraße 3 - jedoch nicht an ihn, sondern an H. Sienkiewicz. Über der Anschrift steht der polnische Zusatz: "Dom w ktorym mieszkal", was sich übersetzen lässt mit "das Haus, in dem er lebte".

Für den Bad Kissinger Juwelier ist klar, dass es sich bei dem Adressaten um einen berühmten Kurgast handelt, der 1889 in dem Anwesen in der Hartmannstraße nächtigte: den polnischen Schriftsteller und Literaturnobelpreisträger Henryk Sienkiewicz (1846 - 1916). "Das Haus war damals ziemlich neu. Früher wurde es als Pension mit Fremdenzimmer betrieben", weiß Neubert. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Gebäude dann zu einem reinen Wohnhaus: Der langjährige Stadtmusikmeister Adolf Zähler wohnte dort viele Jahre, seit 1977 gehört das Anwesen der Familie Neubert.

Dass Sienkiewicz 1889 als Kurgast nach Bad Kissingen kam, ist historisch belegt. An der Fassade der Hartmannstraße 3 erinnert eine Tafel an den Literaturnobelpreisträger, der mit seinem Roman "Quo Vadis" international berühmt wurde. Über seinen Aufenthalt an der fränkischen Saale ist wenig bekannt. In der Kurliste eingetragen ist er als Gast Nummer 1021 des Jahres 1889. "Am 22. Mai ist er als Herr Heinrich von Sienkiewicz, Privatier aus Warschau, allein angereist und hat bei Georg Guck Quartier genommen", weiß Historikerin Birgit Schmalz vom Bad Kissinger Stadtarchiv.

Zu der Zeit hatte Sienkiewicz außerhalb Polens noch keinen berühmten Namen - der internationale Durchbruch mit Quo Vadis und die Verleihung des Nobelpreises kamen erst später. Entsprechend wurde der Besuch in Bad Kissingen in der Öffentlichkeit nicht beachtet, vermutet sie. "In der Saale-Zeitung findet demnach seine Ankunft auch keinen Niederschlag", sagt Schmalz.

Wieso der Literat jetzt plötzlich Werbepost erhält, findet Neubert kurio, rätselhaft, vor allem aber amüsant. "Bis jetzt ist es das erste Mal, dass hier Post für ihn ankam", sagt er und lacht. Dass eine klassische Verwechslung vorliegt, scheint unwahrscheinlich - im aktuellen Telefonbuch finden sich weder in der Stadt, noch im Landkreis Bad Kissingen Einträge für den Nachnamen Sienkiewicz. Deutschlandweit zeigt das Portal telefonbuch.de nur zwei Treffer für H. Sienkiewicz an.

 

Sienkiewicz Teil von Kauf-Adressen

Nachfrage direkt bei dem Messerveranstalter. Pressesprecher Lars Pennigsdorf kann jedoch kein Licht ins Dunkel bringen, warum die wichtigste Messe der nationalen Pflegebranche Werbung an einen lange verstorbenen, polnischen Schriftsteller schickt. "Wir haben keine Erklärung, wie der Name da reingerutscht ist", sagt Pennigsdorf. Die Messe richte sich ausschließlich an ein Fachpublikum und nicht an eine breite Öffentlichkeit.

Im Vorfeld werde gezielt Werbung an potienzielle Besucher aus der Pflegewirtschaft verschickt. Für die Werbung haben die Veranstalter einen eigenen Adress-Verteiler aufgebaut. In diesem sei der Name Sienkiewicz mit der Kissinger Anschrift jedoch nicht hinterlegt.

"Dazu gibt es einen Pool von Kauf-Adressen, der helfen soll, Menschen zu bewerben, für die die Messe relevant ist", erläutert Pennigsdorf. Passende Adressen wurden von einem Adresshändler erworben. Ob, warum und wie Henryk Sienkiewicz in diesen Pool gerutscht ist, könne der Messeveranstalter nicht herausfinden.

Adresshandel: Ist das legal?

Warum Adresshandel? Der Adresshandel ist ein wichtiges Instrument im Direktmarketing. Das werbende Unternehmen erweitert mit den gekauften Adressen seinen eigenen Kundenstamm. Werbung kann so individuell und zugeschnitten an eine größere Zielgruppe gebracht werden. Adresshändler heißen Listbroker.

Datenschutz Adressen unterliegen als personenbezogene Daten dem Datenschutz. Der Adresshandel verstößt nicht per se gegen das Datenschutzgesetz. Der Verkauf und Kauf von Adressdaten ist zulässig, wenn er Geschäftszwecken dient; das heißt in der Regel können nur Unternehmen und Geschäftsleute Adressen kaufen, Privatpersonen nicht. (Quelle: datenschutz.org)