Notarztdienst in der Rhön: Ständig auf Abruf

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Während des Notarztdienstes ist Jarmila Mahlmeister immer bereit für eine schnelle Abfahrt. Foto: Robert Huger
Während des Notarztdienstes ist Jarmila Mahlmeister immer bereit für eine schnelle Abfahrt.  Foto: Robert Huger

Fehlverhalten von Autofahrern, aggressive Patienten, tödliche Unfälle, häufige Einsätze. Der Notarztdienst ist eine Belastungsprobe. Die Ärzte müssen vor allem psychisch einiges wegstecken.

von unserem Redaktionsmitglied Robert Huger

Notärzte sind auf dem Land rar gesät. Für das Gebiet rund um Bad Brückenau sind derzeit acht im Einsatz. Vor kurzem war diese Arbeit noch auf fünf Personen verteilt. "Wir hatten massive Probleme gehabt", sagt Jarmila Mahlmeister. Die Ärztin aus Schondra erstellt die Dienstpläne für den Notarztdienst. Das ist oft schwierig, die Situation keineswegs komfortabel. Die Ärzte versuchen die Herausforderung im Team zu bewerkstelligen. "Es braucht viel Herzblut, um das zu schultern", sagt Jarmila Mahlmeister.

Pro Tag ist der diensthabende Notarzt meist zwei- oder dreimal im Einsatz. Zum Großteil handelt es sich um internistische Zwischenfälle. Also zum Beispiel um Schlaganfälle, Herzinfarkte, Lungenödeme, Embolien oder Fälle von schwerer Unterzuckerung. "Der Rest sind hauptsächlich Unfälle", sagt Mahlmeister.

Umgang mit dem Tod

Bei Unfällen kommt manchmal jede Hilfe zu spät. Deshalb gibt es für die Notärzte eine Seelsorge. Die wird aber kaum in Anspruch genommen. "Die meisten machen das mit sich selbst aus", erzählt Jarmila Mahlmeister. Sie sucht in so einem Fall das Gespräch mit den anderen Einsatzkräften und auch mit den Angehörigen der Verstorbenen, um sich zu versichern, dass sie nichts hätte besser machen können.

"Jeder Einsatz ist ein Stück Lebensweg", sagt Mahlmeister, "Man muss die Erfahrung zum Guten nutzen." Ganz verarbeiten könne sie so etwas nicht. Es bleibe ein Teil von ihr. Um mit dem Erlebten fertig zu werden, sei die Familie als Rückhalt sehr wichtig. Zudem hilft Jarmila Mahlmeister wie vielen der Sport. "Da kann man den Kopf frei kriegen", erzählt sie. Im Winter sei das der Skilanglauf und im Sommer das Joggen.

Ihr Kollege Rainer Nelkenstock aus Bad Brückenau sucht seinen Ausgleich beim Volleyball, beim Skifahren und der Familie. "Hobbies und Sport sind wichtig", sagt er. Es brauche immer Ruhezeiten und besonders ein gutes Familienleben. Doch das Verarbeiten von Todesfällen wiegt immer schwer. "Manchmal kommt man an den Punkt, wo man sagt: das ist mir fast eine Nummer zu groß", sagt Nelkenstock. Damit müssten sie aber umgehen.

Die psychische Belastung

Der Ausgleich zum Beruf ist für die Notärzte generell wichtig. "Man muss versuchen, ein gesundes Gleichgewicht zu finden", sagt Mahlmeister. Es nütze den Patienten schließlich nichts, wenn der Notarzt nicht mehr klar denken könne. Der Job sei psychisch schon sehr belastend. Damit die anderen Kollegen sich diese Erholung gönnen können, übernimmt oft ein Arzt alleine den Dienst am Wochenende.

Das Familienleben in Einklang mit dem Beruf zu bringen ist aber nicht einfach. "Planbar ist im Notdienst gar nichts", sagt Mahlmeister. Das ginge alles nur mit viel Verständnis der Familie. Rainer Nelkenstock sieht das ähnlich: "Das ist schon eine Einschränkung", sagt er, "aber man gewöhnt sich daran, nicht zu planen." Für den Stressabbau gebe es gewisse Strategien. Zum Beispiel überlegen sich die Ärzte für jeden Eingriff, der eventuell keinen Erfolg verspricht, eine Alternative.

Bei ihren Einsätzen müssen die Notärzte auch wegen weniger dringender Fälle ausrücken, weil die Patienten die Situation falsch einschätzen. "Das kommt schon vor, aber ich kann ihnen das nicht verübeln", sagt Mahlmeister. Es passiere einem Laie eben, dass er ein Leiden nicht richtig zuordnen kann. Das sei aber nicht weiter tragisch. Jarmila Mahlmeister ist froh, wenn etwas nicht so schlimm ist wie vermutet: "Lieber einmal zu viel angerufen."
Bei anderen Einsätzen müssen die Ärzte oft auf ihre eigene Sicherheit achten. "Gefahrenlos ist dieser Job nicht", gibt Mahlmeister zu Bedenken. Allein bei der rasanten Fahrt zum Einsatzort kann so einiges passieren. Manchmal ist das falsche Verhalten der Autofahrer eine Gefahr. "Wenn sie ein Martinshorn hören, bleiben viele einfach stehen", sagt die Notärztin, "egal, wo sie gerade stehen." Besonders ungeschickt sei es, wenn die Autofahrer direkt vor einer Kurve halten würden. Es gebe auch Fälle, bei denen die Autofahrer erst sehr spät zur Seite fahren würden. Je nach Einsatzort geht zudem von Bränden, Gasaustritten, Infektionen und gelegentlich aggressiven Patienten eine Gefahr aus.

"Es gibt manchmal Leute, die ausrasten. Da muss man vorsichtig sein", bestätigt Rainer Nelkenstock. Das gehöre eben zum Beruf dazu. Genauso wie die Alarmierungen wegen Lappalien. "Es kommt immer vor, dass sich etwas in Wahrheit anders präsentiert als es am Telefon geschildert wurde", sagt Rainer Nelkenstock. Häufiger werde ein Krankheitsfall überschätzt. Mit dieser Ungenauigkeit müssten die Notärzte leben. "Das liegt daran, dass niemand einen Fehler machen will", erläutert Nelkenstock. Schließlich muss derjenige, der am Telefon der Notrufleitstelle sitzt, mit wenigen Informationen abwägen, ob er einen Notarzt losschickt. "Das ist schwierig zu entscheiden", sagt Nelkenstock, "ich möchte da nicht am Telefon sitzen." Da gehe man dann lieber auf Nummer sicher.

Den Notarztdienst leisten Jarmila Mahlmeister und Rainer Nelkenstock wie alle ihre Kollegen auf freiwilliger Basis - und das bei nicht immer optimaler Besetzung. "Es gibt so etwas wie einen Ehrenkodex", sagt Nelkenstock, "wenn mann helfen kann, sollte man es auch tun."