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Derbe Talkshow des Mittelalters in Weißenbach

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Zum Reformationsjubiläum trug Pfarrer Thomas Braun (rechts) Auszüge aus Martin Luthers Tischreden vor. Carlo Hilsdorf umrahmte die Wortbeiträge mit Musik aus der Zeit vor 500 Jahren. Der historische Weißenbacher Kirchenkeller bildete ein ideales Ambiente für die eindrucksvolle Veranstaltung. Foto: Rolf Pralle
Zum Reformationsjubiläum trug Pfarrer Thomas Braun (rechts) Auszüge aus Martin Luthers Tischreden vor. Carlo Hilsdorf umrahmte die Wortbeiträge mit Musik aus der Zeit vor 500 Jahren. Der historische Weißenbacher Kirchenkeller bildete ein ideales Ambiente für die eindrucksvolle Veranstaltung.             Foto: Rolf Pralle

Deftige Worte und feine Gitarrenmusik gab es im Zehntkeller unter der Weißenbacher Kirche. Im Mittelpunkt standen die bekannten Tischreden Luthers.

Es war eine Premiere der besonderen Art, die der evangelische Pfarrer Thomas Braun zusammen mit vielen freiwilligen Helfern und durch die Unterstützung der Familie von Thüngen realisiert hatte. Erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg, so der Geistliche, finde in dem nur selten zugänglichen Kellergewölbe wieder eine öffentliche Veranstaltung statt. Das Ambiente hätte passender nicht sein können für einen weiteren Höhepunkt bei den Feierlichkeiten zum 500-jährigen Reformationsjubliäum.

An seine Seite hatte sich Braun den bekannten Musiker Carlo Hilsdorf geholt, der das gesprochene Wort auf Laute und Gitarre mit Stücken aus der Zeit der Reformation bereicherte.


Fast jeder willkommen

Martin Luthers Tischreden sind weithin bekannt. Zahlreiche Historiker und Literaten haben sich mit der Thematik beschäftigt, es gibt eine Vielzahl einschlägiger Bücher. Und so manches Zitat, das manchmal heute einfach so dahergesagt wird, stammt aus dem Munde des Reformators. Denn beim Essen, das in der Regel üppig und deftig ausfiel, versammelte sich an der Tafel nicht nur seine Familie. Regelmäßig nahmen auch Gäste Platz und griffen gern zu. Egal ob Verwandter, Schüler oder Student, Freund oder Reisender, nahezu jeder war willkommen.

In gelöster Stimmung schnitten die Teilnehmer ohne großes Konzept eine Vielzahl von Themen an, die meistens der Hausherr Luther mit einer kurzen Äußerung oder einem längeren Monolog angestoßen hatte. Es entwickelte sich eine Art Talkshow des Mittelalters, nur eben ohne Kameras
und Mikrofone. Dafür gab es aber fast immer eine Person in der Runde, die mitschrieb und so das Gesagte für die Nachwelt festhielt.


Dem Volk aufs Maul geschaut

Und überliefert ist eine Menge, wie Pfarrer Braun bei der Präsentation von Auszügen aus den Tischreden eindrucksvoll unter Beweis stellte. Ob der Reformator nun von der Musik, von den Sorgen, von den Tieren, vom Teufel und von der Krankheit oder vom Essen sprach, Luther ließ bei seinem zum Teil recht drastischen Tischreden mit derbem Vokabular kaum einen Lebensbereich aus. Und bevor er detailliert von den Dingen berichtete, hatte er im wahrsten Sinne des Wortes dem Volk aufs Maul geschaut. Entsprechend formulierte der Kirchenmann dann seine denkwürdigen Sätze. Ihm gelang es darüber hinaus mit schöner Regelmäßigkeit, gezielt persönliche Erfahrungen mit einfließen zu lassen, ganz egal ob sie nun fröhlicher oder eher trauriger Art waren.

Dem Publikum im Weißenbacher Kirchenkeller gefiel diese Art der Präsentation, woran natürlich auch Carlo Hilsdorf großen Anteil hatte. Der Musiker ergänzte die Wortbeiträge gekonnt mit Musik aus der Zeit Luthers und brachte unter anderem Stücke von Diego Ortiz, John Dowland, Luys de Narvaéz
und Vincenzo Galilei zu Gehör. Neben der Gitarre bediente er sich der dabei einer neunsaitigen Knickhalslaute, "einem heute sehr selten gespielten Instrument", wie Hilsdorf mit einem Schmunzeln erläuterte.


33 Lieder des Reformators

Er merkte in seinen Ausführungen an, dass sich Luther auch als Lieddichter und Komponist einen Namen gemacht hatte. Ein Beweis dafür sei im evangelischen Gesangbuch zu finden, das aktuell 33 Lieder des Reformators beinhaltet. Zu den bekanntesten Stücken dürften dabei "Aus tiefer Not schrei ich zu Dir" und "Ein feste Burg ist unser Gott" gehören, die im Verlauf der Veranstaltung von den Besuchern gemeinsam gesungen wurden.


Kräftige Mahlzeit und süffige Getränke

Als das letzte Wort gesprochen und der letzte Ton des offiziellen Programms im historischen Kirchenkeller verklungen waren, fanden die eindrucksvollen Vorführungen ihre Fortsetzung mit einem gemütlichen Beisammensein. Und wie es sich schon damals am Tisch von Martin Luther gehörte, konnten auch die Besucher in Weißenbach bei einer kräftigen Mahlzeit und süffigen Getränken ordentlich zugreifen.