Bad Brückenau: Halbzeit

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Am 1. Mai läuft die erste Hälfte der Amtszeit des aktuellen Stadtrats ab. Die nächste Wahl steht in drei Jahren an. Was wurde bisher erreicht?

Das Spiel ist zur Hälfte rum, doch es gibt keinen Torstand. Wer hat gepunktet, wer sich profiliert? Wer hat sich selbst ins Abseits befördert? Wer musste vom Platz? Die Auswertung der Arbeit des Stadtrats gestaltet sich ungleich schwieriger als die Bilanz eines Fußballspiels. Erreicht wurde einiges: Das Fachmarktzentrum wurde eröffnet (Herbst 2014), die städtischen Heilquellen erforscht (Herbst 2015), die Kissinger Straße in Angriff genommen (Baustart 2016) und die Weichen für die Generalsanierung der Mittelschule gestellt (fortlaufend).

Einige Fragen aber blieben unbeantwortet, auch wenn sie häufig floskelhaft als Willensbekundungen wiederholt werden. Die wichtigsten: Wer nimmt sich des Leerstands in der Innenstadt an? Ist Bad Brückenau wirklich attraktiv für Familien? Wie lange noch dauert die Hängepartie beim Juz? Wer die Wahlbroschüren vom Frühjahr 2014 hervorkramt, der liest Altbekanntes. Die Stärkung der Stadt als Mittelzentrum, die Ansiedlung von Gewerbe, die Stärkung von Ehrenamt und Vereinsleben, das Bekenntnis zur Rhönallianz - so reiht sich ein Schlagwort an das andere. Business as usual, Routine eben.


Bei Ankündigungen geblieben

Einer, der mit großen Ambitionen gestartet war, ist Benjamin Wildenauer. Der damals 29-Jährige nannte auf seinem Wahlzettel drei konkrete Ziele: Er wolle sich für einen nutzbaren öffentlichen Nahverkehr einsetzen, das Ehrenamt attraktiver machen und Bad Brückenau als Wohnstadt bewerben. Nun, in keinem dieser drei Bereiche sind in den vergangenen drei Jahren nennenswerte Verbesserungen erkennbar, und wenn, dann gehen sie nicht aufs Konto eines einzelnen Stadtrats. Dennoch hat sich der junge Mann einen Namen gemacht: als Befürworter der Reaktivierung der Sinntalbahn - und als guter Verlierer, seitdem klar ist, dass auf die Bahntrasse ein Radweg kommt - und auch als unermüdlicher Mahner, was einen zeitgemäßen Breitbandausbau angeht.

In der Innenstadt und auf dem Buchrasen startete Wildenauer eine Freifunk-Initiative - ein Versuch, die Fußgängerzone zu beleben. Das fordern auch andere. "Wir müssen Forum [Vorgänger der Werbegemeinschaft; Anm. d. Red.], Gastronomie, Stadt und Hausbesitzer an einen Tisch bringen", sagte Jürgen Pfister (PWG) im Frühjahr 2014, vor der Wahl. Er genießt den größten Rückhalt in der Bevölkerung, holte mit 2307 Stimmen mehr als jeder andere Stadtrat und hat in der laufenden Wahlperiode das Amt des 2. Bürgermeisters inne.


Keine Fundamentalopposition

Auch Fraktionssprecherin Birgit Poeck-Kleinhenz mahnte, als sie im Herbst 2016 gefragt wurde, was für Impulse die PWG noch setzen wolle: "Es muss möglichst bald ein Konzept zur Belebung der Innenstadt entwickelt werden." Im Dezember bekam der PWGler Dirk Stumpe riesige Resonanz, als er auf Facebook zur Rettung der Fußgängerzone aufrief.Dabei ist es geblieben. Ein Treffen mit Hauseigentümern und Einzelhandel, es hat bis heute nicht stattgefunden.

Wo aber steht der Stadtrat insgesamt? Die Zusammenarbeit läuft gut, PWG und SPD betonen beide, dass ihnen nicht an einer Fundamentalopposition gelegen ist. Auch die CSU, die mit neun Sitzen die stärkste Fraktion ist, signalisiert hin und wieder, mit den anderen im Sinne der Stadt an einem Strang ziehen zu wollen. "Wenn wir das halten, was wir geschafft haben, dann sind wir gut. Aber das allein ist noch nicht die Zukunft", sagte Manfred Kaiser (CSU) vor drei Jahren. Mit 27 Amtsjahren gehört er zu den alten Hasen im Stadtrat.


Generationswechsel angedeutet

Was genau die Zukunft sein werde, das sagte Kaiser damals nicht. Dieter Seban, Vorsitzender des CSU-Ortsverbands zog im Dezember eine vorläufige Bilanz.Der Stadtrat sei dabei, seine Hausaufgaben zu machen. Viele, zum Teil längst überfällige Projekte seien angestoßen oder beendet worden: Stadtumbau West zum Beispiel, die Sanierung der Grundschule oder die Beseitigung einer Industriebrache durch die Ansiedlung eines Rewe-Markts. "Um Impulse setzen zu können, muss man erst einmal die Basis schaffen. Da sind wir dabei", stellte Seban fest. Er sagte auch, dass bei der nächsten Kommunalwahl 2020 wohl ungefähr die Hälfte der Stadträte ausscheiden würde. Auch wenn es keine offizielle Altersbeschränkung gibt, 2020 werden immerhin acht von 20 Stadträten deutlich über 60 Jahre alt sein.

Einer ist schon gegangen. Ingo Walcher schied auf eigenen Wunsch Ende März aus, er saß seit 1981 im Stadtrat. Schon ein Jahr zuvor hatte er den Vorsitz der PWG in jüngere Hände gelegt. Etwas ernüchtert stellte er im März 2016 in einem Interview fest, dass sich die Arbeit des Stadtrats heute überwiegend auf "Routinesachen" beschränke.So läuft das Spiel weiter, und hin und wieder fällt auch mal ein Tor. Das eigentlich Interessante aber spielt sich auf der Ersatzbank ab, dort nämlich formiert sich die Mannschaft für die nächste Runde - wenn auch im Moment noch in aller Stille.


Wolfgang Weller will nicht noch einmal antreten

Vielleicht sitzt dort auch einer wie Wolfgang Weller. Der ehemalige Vorsitzende des Elternbeirats der Grundschule kandidierte 2014 für die Freien Bürger. 13 detaillierte Vorschläge listete er im Internet auf, darunter der Bau eines Radwegs auf der Bahntrasse, ein sichererer Schulweg für die Kinder und die Benennung einer Straße oder eines öffentlichen Platzes nach David Schuster, einem bekannten Juden der Stadt. Sein Plan ging nicht auf, er schaffte es nicht in den Stadtrat. Mittlerweile ist Weller beruflich so stark eingebunden, dass eine erneute Kandidatur 2020 "eigentlich nicht" in Frage kommt.


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