Acht Lehrlinge bauen ein Familienhaus - allein. Sie müssen und dürfen anpacken - für mehr Selbstständigkeit, Stolz und ein besseres Image der Branche.
Mohammed kratzt den Mörtel auf die Bahn. Julian und Kevin rücken den nächsten grauen Klotz zurecht. Stein auf Stein. Wo sich heute Pfützen bilden, sollen bald Küchenzeile, Sofa und Kinderbett stehen. In eineinhalb Monaten will der Bauherr Richtfest feiern. Das Team liegt gut im Zeitplan. Noch: Die Hälfte der Baustellen-Mannschaft hat noch nie einen Stein auf den anderen gesetzt.
Acht Azubis bauen das Familienhaus im Burgläurer Neubaugebiet zwischen den chicen Neubauten. Allein.
Fast allein: Michael Kirschbauer gibt den Ton an. Weißer Helm, weißer Schnauzer, Brille: Der 55-Jährige ist Polier und sagt "seinen Jungs" auf der Baustelle am "Vierzigacker 3", wo es lang geht. Sieben Maurer-, ein Beton- und Stahlbetonbauer-Auszubildende; vier im ersten, einer im zweiten und drei im dritten Lehrjahr: Das ist sein Bautrupp.
Der ist nie vollständig. Wochenweise haben die jungen Männer Blockunterricht in der Berufsschule. Sie sind Berufseinsteiger mit wenig bis keiner Erfahrung. Der Bau dauert länger als mit einer "normalen" Kolonne. Trotzdem hat Sebastian Kiesel, der Bauherr, keine Sekunde gezögert. Acht Azubis bauen das Häuschen, in das er mit seiner Familie einziehen wird.
Image: Die Baustelle der Branche
Die Pfützen werden
größer. Seit der letzten Nacht wechseln sich Schauer und Nieselregen ab. Im Profil der Stahlkappenschuhe der Männer kleben Klumpen aus aufgeweichter Erde. Die Arbeit auf dem Bau ist dreckig und schwer - so das Klischee. Dieser Vormittag ist eine Steilvorlage für das erste Stereotyp. "Es heißt, wenn du nichts kannst, gehst du auf den Bau", sagt Carsten Ernst, Geschäftsführer bei der Nüdlinger Bau-Firma "Bömmel Bau". Dass das nicht so ist, soll das
neue Azubi-Projekt des Unternehmens beweisen, erklärt er.
Gegen das schlechte Image der Branche und für stolze Azubis: Bauherr Sebastian Kiesel ist technischer Leiter bei Bömmel Bau. Er lässt sich nur zu gern auf das Experiment ein. Sein Credo: "Wir wollen, dass die Azubis nach der Ausbildung selbstständig arbeiten können." Sie sollen während ihrer Lehre anpacken dürfen: "Ich kann nur etwas lernen, wenn ich es mache", sagt
Geschäftsführer Carsten Ernst. Wer drei Jahre lang den Handlanger gibt, ist nach der Lehre kein Fachmann, auf den man sich verlassen kann, erklären die beiden Männer des Unternehmens. Andererseits: Wer nur kehrt und den Meistern zuschaut, verliert die Lust am Job. Das Haus-Bau-Projekt der Auszubildenden soll dem Unternehmen in Zeiten des Fachkräftemangels ein verlässliches Team sichern und die Lehrlinge fordern und fördern.
Nach dem Motto: "Motivation durch Erfolgserlebnisse".
Vom Fundament bis zum Dach
Der Azubi-Alltag schaut normalerweise anders aus. Heute diese Baustelle, nächsten Monat Berufsschule, danach weiter auf eine andere Baustelle. Was dabei auf der Strecke bleibt, ist die Kontinuität. Immer wieder werden sie aus den Arbeitsabläufen auf dem Bau herausgerissen.
Nicht so hier: "Es ist ihr Projekt", sagt Polier Michael Kirschbauer, "vom Fundament bis hoch zum Dach". Damit das bis zum Richtfest da ist, wo es hingehört, nimmt der 55-Jährige die acht an die Hand.
"Das ist wie einen Sack Flöhe hüten", sagt er und lacht. Er erklärt, warum das Projekt "seine Jungs" nicht nur fachlich weiterbringen wird. Bauherr Sebastian Kiesel verrät, wieso er keine Angst vor schiefen Wänden hat. .