Auf heißen Kohlen

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Ilse und Siegfried Erhard: Sightseeing in Sydney. Foto: privat
Ilse und Siegfried Erhard: Sightseeing in Sydney.  Foto: privat
Siegfried Erhard räumt in seinem Arbeitszimmer auf. Foto: Robert Huger
Siegfried Erhard räumt in seinem Arbeitszimmer auf.  Foto: Robert Huger
 
Siegfried Erhard neben Rendodondren auf den Daniden. Foto: Ilse Erhard
Siegfried Erhard neben Rendodondren auf den Daniden.  Foto: Ilse Erhard
 
Siegfried Erhard ist begeistert von der Vulkanlandschaft auf Neuseeland. Foto: Ilse Erhard
Siegfried Erhard ist begeistert von der Vulkanlandschaft auf Neuseeland.  Foto: Ilse Erhard
 
Siegfried Erhard ist begeistert von der Vulkanlandschaft auf Neuseeland. Foto: Ilse Erhard
Siegfried Erhard ist begeistert von der Vulkanlandschaft auf Neuseeland.  Foto: Ilse Erhard
 

Oerlenbachs Altbürgermeister Siegfried Erhard ist seit Mai Pensionär. Das Leben ohne Termine fällt ihm gar nicht so leicht. Eine Weltreise, eine Wanderung auf dem Jakobsweg und die Enkelkinder haben ihm aber geholfen, sich vom Berufsalltag zu lösen.

Nach 24 Jahren Bürgermeisteramt hat Siegfried Erhard endlich Zeit fürs Lesen, für die Familie und für die Dinge, die er längst erledigen wollte. Doch der Abschied aus dem Berufsleben wiegt schwer. "Der Druck ist weg", sagt er, "das empfinde ich als unangenehm." Im Arbeitsleben war er ihm fast zu viel, aber wenn keiner da ist, sei das seltsam. Er sitzt quasi immer noch auf heißen Kohlen. "Man denkt trotzdem, man hat keine Zeit", so Erhard.


Lebenstraum und Selbstfindung

Ablenkung fand Siegfried Erhard auf einer Weltreise, die er im September und Oktober gemeinsam mit seiner Frau Ilse unternahm. Über Kanada und Seattle ging es nach Honululu, die Fijis, Samoa, Vanuatu und Neukaledonien bis nach Australien, Neuseeland und Singapur. "Das war die Erfüllung eines Traumes", sagt Siegfried Erhard, "ich habe es sehr genossen." So etwas macht man nur einmal im Leben. Besonders die Landschaften seien wunderschön gewesen. "Vieles war unwirklich, man denkt fast, das sind Phantasielandschaften", erzählt der Pensionär. Auf seiner Reise hat er über 5000 Fotos gemacht. Daraus sind bis jetzt zwei Fotobücher entstanden. Ein drittes ist in Planung. Zeit dafür hat er ja genug.

Genau wie zum Wandern. Eine Erfahrung der besonderen Art war der Jakobsweg, dem Siegfried Erhard von Rottershausen aus bis nach Rothenburg ob der Tauber folgte. "Da habe ich mich selbst noch einmal kennen gelernt", sagt Siegried Erhard. Im Grunde sei es eine Selbstfindung, der Weg ins eigene Ich gewesen. "Man kann sich das nicht vorstellen, wenn man es nicht selbst gemacht hat", sagt der Pensionär. Das Wandern möchte er nun öfter auf diese Weise fortführen. Einfach mal alleine mit leichtem Gepäck durch die Natur laufen. Außerdem hat er eine Liste aufgestellt von Ländern, die er noch bereisen will. Indien, Südafrika und ein paar Gegenden in Südamerika sind darauf vermerkt.

Daheim kein Urlaub möglich

Als er noch Bürgermeister war, konnte Siegfried Erhard nur Urlaub machen, wenn er mit seiner Frau weit weg fuhr von Oerlenbach. Zu Hause hätte er nicht zur Ruhe kommen können. "Wenn du aus dem Haus gehst, siehst du so viele Dinge. Es fällt immer etwas auf, das zu machen ist", sagt er. Die Rede ist von sanierungsbedürftigen Straßen, Gebäuden und kleinen Verbesserungen der Infrastruktur.

Selbst beim Lesen, einer seiner Lieblingsbeschäftigungen, war er unruhig. "Man denkt immer, man muss zum nächsten Termin", sagt Siegfried Erhard. Er sei noch nicht ganz im Ruhestand angekommen. Im Laufe der Jahre haben sich einige Bücher angesammelt, denen er sich nun widmen möchte. Er liest gerne politische Literatur und Historisches. Das ist seine Leidenschaft.

Familienleben genießen

Vorlesen muss er seinen drei Enkeln, wenn er sie in Esslingen besucht. "Dann ist Opa voll beschäftigt", sagt seine Frau Ilse Erhard, "die fordern ihn schon." Beim Vorlesen bleibt es nämlich nicht. Da wird gemalt, gebastelt und herumgetollt. Das ist Arbeit und Entspannung zugleich. "Die Enkelkinder spielen eine wichtige Rolle", sagt Siegfried Erhard.

Aus der Gemeindepolitik hält er sich inzwischen heraus. Da vertraut er auf seinen Nachfolger Franz Kuhn. "Ich bin mir sicher, dass er seine Sache gut macht", so Erhard. Die alten Kollegen reden ihn aber oft noch mit "Chef" an. Das soll jetzt aber vorbei sein. "Ich bin jetzt der Siggi", sagt der Pensionär. Dennoch will er sich bald eine ehrenamtliche Tätigkeit suchen. Ganz kann er es eben nicht lassen.

Keine Zeit für Krankheiten

"In den letzten acht Monaten war ich mehr krank als in meinem ganzen Leben davor", sagt er. Im August, zwei Monate nach seinem Amtsaustritt, ging er zu einer Routineuntersuchung am Herzen. In Folge eines Behandlungsfehlers kam es zu einer Verletzung der Aorta. Doch die zwei Wochen Klinikaufenthalt nutzte der Rentner zum Lesen. "Während meiner Krankheit habe ich alle Bücher von und über Helmut Kohl gelesen", erzählt Siegfried Erhard. Politik bleibt sein Hobby. Gemeinderatsbeschlüsse will er nicht mehr kommentieren. Trotz innerer Unruhe weiß Oerlenbachs ehemaliger Bürgermeister: "Es war die richtige Entscheidung, auch wenn sie schwer fiel." Und er ergänzt: "Es geht auch ohne mich. Jeder ist zu ersetzen."