Vier Mods holen den Beat zurück

8 Min
Michell Gutiérrez Gómez (von links), Tomás Fuentes, Katy del Carmen und Rodrigo González sind Más Shake. Foto: privat
Michell Gutiérrez Gómez (von links), Tomás Fuentes, Katy del Carmen und Rodrigo González sind Más Shake.  Foto: privat

Rodrigo González kennen die meisten als Bassist der "Ärzte". Doch Rod liebt die Abwechslung: Mit seiner Band Más Shake bringt er am 8. Dezember südamerikanischen Schwung ins Bamberger Sound-n-Arts. Warum er total gerne nach Franken kommt, verrät er vorab im Interview.

Rodrigo "Rod" González hört in seiner Freizeit am liebsten Beat-Musik der 60er. Da musste es eigentlich so kommen, dass der Musiker auf Rollerfahrer-Treffen und Mod-Partys Katy del Carmen, Tomás Fuentes und Michell Gutiérrez Gómez kennen lernte. Die Vier sind die Band Más Shake und holen die südamerikanische Beat-Musik der 60er Jahre zurück auf die Bühne. Am nächsten Samstag spielen sie im Bamberger Sound-n-Arts. Rod kommt immer gern nach Bamberg: Hier freut er sich auf gutes Bier und auf die New Wave Hookers - eine ehemalige Bamberger Band, die Rod so gut findet, dass er einst mit ihnen ein Album aufnahm und sich heute noch mit den drei Musikern nach jedem Konzert in Franken auf einen Plausch trifft.

Mann Rod, du kommst nach Bamberg!
Ja, stimmt.

Obwohl, eigentlich warst du ja vor vier Wochen erst da. Mit den Ärzten, in der großen Arena.
Genau.

Jetzt kommst du mit deiner anderen Band Más Shake in den kleinen Club Sound-n-Arts. Was läuft da?
Ein schönes Konzert, will ich mal hoffen! Ein Konzert, das uns Spaß machen wird und dem Publikum hoffentlich auch.

Ihr macht Beat-Musik und covert die Los Shakers, die in den 60ern in Südamerika ganz groß waren. Wie hast du die ausgegraben?
Die waren immer präsent. Aber 2011 haben wir dann endlich gesagt, komm', wir machen jetzt 'ne Band und spielen die schönsten Sachen von denen. Und wir haben dann noch andere südamerikanische Beat-Musik ins Programm aufgenommen. Wir spielen so einen Querschnitt aus der Musik Südamerikas Mitte der 60er bis Ende der 60er.

Ihr habt eure erste EP "Break It All" genannt - so hieß auch der erste Hit der Los Shakers 1965.
Ja, "Break It All" war ihr großer Durchbruch in Südamerika. 1965 war das die Hymne. Viele Leute kennen die Shakers nicht, aber wenn man dann sagt "Rompan Todo" oder eben "Break It All", wissen alle, worum es geht.

Wie kam denn der Beat nach Südamerika? Und hat er sich dort vom britischen emanzipiert?
Es war so, dass die großen Bands wie Beatles, Stones, Kinks und so nie in Südamerika gespielt haben damals. Also konnten die Leute nur das konsumieren, was sie aus dem Radio oder auf Platte hörten, wenn einer eine mitgebracht hatte. Oder sie haben selber Bands gegründet und Musik in dem Stil ihrer Lieblingsbands gemacht. Das war sicher auch der Grund, warum die Shakers, die sich so kleideten wie die Beatles, aber eigene Songs machten - die meiner Meinung nach denen der Beatles ebenbürtig waren - so einen extremen Durchbruch hatten. Das waren die Beatles, die die Leute da nicht haben konnten. Es kamen immer neue Bands dazu, die in Südamerika sehr erfolgreich waren und jetzt auch in Europa durch Sammler wie mich bekannt sind, die diese Bands wieder entdecken und da total drauf abfahren, dass es sowas gibt.

Ist das auch so eine Art persönliche Musikreise für dich, den "Chile-Mann aus BRD"?
Eher nicht. Ich bin ja viel zu jung, um die 60er Jahre mitgekriegt zu haben. Aber diese Musik find' ich einfach toll. Ich bin mit den Beatles groß geworden, die erste Platte, die ich mir gekauft habe, war von den Beatles. Und das erste Mal, dass ich mir vorstellen konnte, in einer Band zu spielen, war, als ich Beatles hörte. Aber das jetzt einfach nur nachzuspielen ist so ausgelutscht. Und als ich dann die Shakers das erste Mal hörte, dachte ich, was für geile Songs. Texte sind ja erst mal egal, weil die ergeben zum Großteil eh keinen Sinn, denn die konnten ja kein Englisch. Aber die Kompositionen sind halt toll. Die haben so denselben Schmiss wie die guten Jahre der Beatles von '64 bis '67. Das Lebensgefühl, was ich früher fühlte, fühle ich in den Liedern, die wir von den Shakers und anderen südamerikanischen Bands spielen, irgendwie auch. Und ich denke, dass wir das auch ganz gut rüberbringen.

Ihr macht ja auch eine totale Hommage an die ...
Absolut! Ich hab' auch gleich Kontakt mit denen aufgenommen. Leider ist der Schlagzeuger mittlerweile gestorben. Ich habe denen unsere EP geschickt und die haben sich tausendmal bedankt. Der Hugo, der die Songs geschrieben hat, fand das total irre, dass sich ausgerechnet in Deutschland Leute hinstellen und ihre Stücke spielen. Die haben mit ihrer Geschichte schon lange abgeschlossen, und jetzt kommt jemand aus Deutschland, der eine Band aufzieht, die ihre Stücke covert, die erste Single so nennt wie ihre erste Single damals hieß. Und die damit auf Tour gehen. Der Plan ist, irgendwann auch mal in Uruguay zu spielen.

Au ja, und dann die Reaktionen des Publikums erleben... Witzig: ihr holt den Beat, der einst von Großbritannien nach Südamerika auswanderte, wieder zurück nach Europa. Habt ihr den Plan, irgendwann wie die Beatles die englischen Lieder auf Deutsch zu singen? Und damit dann noch eins draufzusetzen?
Haha! Auf die Idee sind wir noch gar nicht gekommen. Das Problem bei der deutschen Sprache: Da passt der Klang nicht. Und da kann man nicht so leicht knödeln wie im, ich sag' mal Dodel-Englisch, das die Shakers singen. Da sind komplett falsche Wörter drin. Im Deutschen würd' das dann sehr auffallen, wenn man da irgendeinen Quatsch singt.

Wenn man das Cover eurer Debüt-EP "Break It All" anguckt, dann fällt euer Styling auf: schwarze Klamotten, britischer Chic - ihr seht aus wie die Mods früher. Rod, der Mod?
Ja! Es ist schon beabsichtigt, dass wir uns da alle einer Ästhetik bedienen, die wir total cool finden. Wir stehen alle auf 60er-Jahre-Filme und haben große Sammlungen an 60er-Jahre-Platten. Und jeder Einzelne von uns hört das auch in der Freizeit. Ein paar von uns haben sich auf Rollerfahrer-Events und anschließenden Partys kennen gelernt.

Jetzt mal nach Bamberg: Das Sound-n-Arts ist ein kleiner Kellerclub. Kennst du den?
Nee, aber ich hab schon viel von dem gehört.

Da passen so 100 Leute rein, dann ist der voll. Mit den Ärzten spielst du in riesigen Hallen - wie ist das, wenn du dann wieder mal in so einem kleinen Club spielst, ganz nah an den Leuten?
Das habe ich mit Abwärts schon exerziert, da spiele ich Gitarre. Mit denen spiele ich auch in so kleinen Punk-Schuppen mit ganz kleinen Bühnen und das Publikum direkt vor dir. Ich finde das irgendwie auch gut: Es macht auf jeden Fall Spaß, in so kleinen Läden zu spielen, weil der Kontakt mit den Leuten viel direkter ist. Man muss sich auch viel mehr Mühe geben - denn alle Gesichter, in die du guckst, willst du lächeln sehen. Das erlebst du in so großen Hallen nicht, da siehst du von der Bühne aus nur noch kleine Punkte, und auch die Reaktionen kommen von ganz weit weg. Bei den kleinen Läden siehst du wirklich jeden, und ich sehe das schon als Herausforderung.

Für die Fans ist das natürlich super!
Ja klar, die stehen alle in der ersten Reihe (lacht). Aber wir stehen als Band ja noch am Anfang, und deshalb können wir jetzt nicht gleich die Riesen-Läden buchen. Sähe ja blöd aus, wenn da keiner kommt.

Okay, aber ganz ehrlich Rod: Das Sound-n-Arts kündigt absichtlich Más Shake und eben nicht Rod von den Ärzten an. Ich kann mir vorstellen, du wolltest das auch so!
Ja, das ist beabsichtigt. Denn wenn die Leute jetzt nur dahinkommen, weil sie denken, da ist einer von den Ärzten ... Das hatten wir schon mal, da waren so angetrunkene Teenager da, und die wollten Westerland hören. Ich sagte: Falsches Konzert, hier ist nix mit Ärzten (lacht). Wenn man unsere Konzerte mit den Ärzten bewerben würde, hätte man genau das Problem, dass dann Leute deswegen kommen und die dann enttäuscht sind. Das wollen wir nicht. Wir wollen, dass die Leute Bock drauf haben und sich drauf einlassen. Das kann man ja auch als Ärzte-Fan. Ich glaube, dass wir auch schon Ärzte-Fans davon überzeugt haben, dass es mehr gibt als deutschsprachige Texte und 3-Minuten-Songs. Es gibt auch gute Songs, die zwei Minuten lang sind (lacht). Und ein Konzert muss nicht immer drei Stunden dauern, sondern kann auch gut sein, obwohl es nur 70 Minuten dauert.

Für dich ist das ja auch mal Abwechslung: Farin sagt immer, dass du besser Gitarre spielst als er. Bela sagt, du spielst besser Schlagzeug als er. Ich sage: Du siehst auch noch besser aus als beide zusammen. Kurz gefragt: Bist du bei den Ärzten musikalisch unterfordert und brauchst Más Shake als Ausgleich?
Ja, auf jeden Fall brauche ich den Ausgleich. Das ist auch der Grund, warum ich Abwärts gemacht habe. Da wollte ich wieder Gitarre spielen. Bass spielen ist schön und gut. Manchmal tauschen Farin und ich die Instrumente für ein paar Songs. Aber immer, wenn ich dann die Gitarre wegstelle, denke ich, ach, ich hätte aber noch voll Lust, ein paar Lieder zu spielen. Aber dann muss ich wieder Bass spielen. Gitarre spielen macht mir einfach total Spaß. Und Más Shake ist jetzt nicht die totale Herausforderung, kein Prog-Rock oder so, aber es ist einfach toll, wieder eine Gitarre um den Hals hängen zu haben und damit zu klimpern und zu singen. So wie man halt mal angefangen hat: Mit der Akustik-Gitarre am Lagerfeuer. Das hat mir gefehlt.

Noch mal zu Bamberg: Du hast ja eine ganz besondere Verbindung zu der Stadt beziehungsweise zu der Band New Wave Hookers, die es leider nicht mehr gibt. Linz, der damalige Bassist, hat mir erzählt, du hast sie gehört, ihr Album "Pornschlegel" produziert und sie als Vorband der Ärzte mit auf Tour genommen. Erzähl' mal!
Irgendwann lag deren Album "Kings In Slatanic Service" bei Rodrec (Rods Plattenfirma, Anm. d. Red.) rum. Und ich dachte, blödes Cover, und dann habe ich die Titel gelesen und dachte so: ganz cool. Sind die Themen, die ich auch interessant finde, 70er-Jahre-Horrorfilme zum Beispiel. Und dann habe ich die aufgelegt und bin total drauf abgefahren. Und dann habe ich Kontakt mit denen aufgenommen, so von wegen "ey, lass' doch mal 'ne Platte zusammen aufnehmen". Eine, die vielleicht noch ein bisschen besser klingt. Dann haben wir die "Pornschlegel" gemacht. Ich glaube, ich hab' die ein bisschen geschockt, aber ich finde die Platte immer noch super. Und ich bin total stolz, diese Typen kennen gelernt zu haben und finde es total schade, dass es die nicht mehr gibt.

Du hältst ja auch immer noch Kontakt zu den Dreien. Die kommen doch bestimmt auch alle zum Konzert nächste Woche.
Linz kommt auf jeden Fall. Und ich glaube, Mitch auch. Ob Steve kommt? Ich hoffe das sehr.

Geht ihr dann ein Bierchen trinken im schönen Frankenland?
Ja besimmt. Bamberg mag ich total gerne. Ich find' die Stadt echt klasse. Also, da leben möchte ich nicht. Aber wenn ich mal da bin - mit den Ärzten oder mit Abwärts - finde ich das total gut da. Es gibt ganz tolles Bier.

Schleim, Schleim, hihi ...
Nee wirklich. Ich finde die ganze Gegend da super. Da gibt's unglaublich gutes Bier und viele kleine unabhängige Brauereien. Ich hab' schon ganz tolle Räusche gehabt in Bamberg.