Verbrenner-Verbot nur der Anfang? Autofahren soll erheblich teurer und "unbequem" werden

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Verbot für Verbrenner-Autos
Verbrenner dürfen spätestens ab 2035 nicht mehr verkauft werden. Forschende üben an dem Beschluss Kritik.
Verbot für Verbrenner-Autos
Ole Spata/dpa

Im Anschluss an einen Beschluss der Europäischen Union zum Verbrenner-Aus ab dem Jahr 2035 meldeten sich zahlreiche Forschende zu Wort und kritisierten den Beschluss. Denn das Verbot reiche bei Weitem nicht aus, um die gesetzten Ziele zu erreichen.

Ab 2035 dürfen in der Europäischen Union keine Verbrennermotoren mehr produziert werden. Darauf konnte sich eine Mehrheit der Angeordneten bei einer Abstimmung in Straßburg am 7. Juni 2022 einigen. Ab 2035 sollen nur noch Autos und Transporter zum Verkauf stehen, die ohne den Ausstoß von Treibhausgasen betrieben werden können.

Bevor der Beschluss jedoch rechtskräftig wird, müssen dem Europaparlament die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union zustimmen. Kann keine Einigung gefunden werden, würde zunächst verhandelt werden. Ihre Positionen zu dem Beschluss wollen die Mitgliedsstaaten Ende Juni festlegen. Damit legen die Abgeordneten die Position des Europaparlamentes für mögliche Verhandlungen fest. Die deutsche Regierung hat sich bereits zu dem geplanten Ausstiegsdatum 2035 bekannt.

EU-Beschluss zu Verbrenner-Aus in der Kritik

Dennoch gab es für den Beschluss auch Kritik. Vor allem die Deutsche Umwelthilfe sieht das Verkaufsverbot ab 2035 als "unzureichend im Kampf gegen die Klimakrise". Ein Verbot ab 2035 sei "ein herber Rückschlag" für Klimaschutz-Bemühungen im Verkehr". Es torpediere Bemühungen, Europa alsbald von fossilen Brennstoffen unabhängig zu machen, so Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer. Ein Verbrennerausstieg sei richtig, komme jedoch in rund 12 Jahren "viel zu spät", erklärt er.

Grund für die Abstimmung war die Erkenntnis, dass laut aktuellen Forschungsdaten mehr als ein Fünftel der CO₂-Emissionen in der Europäischen Union im Straßenverkehr durch die Verbrennung fossiler Kraftstoffe erzeugt werden. Dieser Anteil müsse nach Ansicht der EU-Kommission drastisch reduziert werden. Nur so könne das Ziel der EU, 2050 klimaneutral zu sein, erreicht werden. Laut Angaben der EU wolle man der erste Kontinent sein, der ausschließlich "unvermeidbare" Treibhausgase ausstößt, diese jedoch vollumfänglich kompensiert.

Der Beschluss des Verkaufsverbotes für Verbrenner ab 2035 hat auch Reaktionen zahlreicher führender Wissenschaftler*innen hervorgerufen, unter anderem von Forschenden des Fraunhofer-Instituts, des Wissenschaftszentrums Berlin und des Forschungszentrums Jülich.

Für Emissionsziele: Forderung nach neuen Maßnahmen

Claus Doll, Forscher im Bereich Nachhaltigkeit und Infrastruktursysteme, und Martin Wietschel, Leiter des "Competence Centers für Energietechnologien und Energiesysteme" am Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung in Karlsruhe, erklärten in einer Stellungnahme, dass "die Emissionen im Verkehr sogar deutlich vor 2035 relevant gesenkt werden" müssten. Zudem kritisieren sie den Umstand, dass die EU die Nutzungsdauer von Autos und "leichten Nutzfahrzeugen" von etwa zu 20 Jahren ignoriere und diese von der Richtlinie ausgenommen sind.

Experten sagen: So werden Klimaziele nicht erreicht

Ihrer Ansicht nach "genügt daher ein Verkaufsverbot von Verbrennungsfahrzeugen zur Einhaltung der Klimaziele nicht". Die Fachleute urteilen, dass das "von der Richtlinie angesprochene Mobilitäts-Ökosystem" alle Maßnahmen umfasst, um den Einsatz von Fahrzeugen, die nicht CO₂-neutral sind, zu erschweren und so "klimaneutrale Alternativen, insbesondere außerhalb des motorisierten Individualverkehrs, zu fördern". Daher brauche es ihrer Meinung nach mehrere Maßnahmen, die auf lokaler Ebene getroffen werden müssten. Als Beispiele nennen die Forschenden etwa:

  • Steuern sowie Abgaben auf Verbrenner, Kraftstoffe und die Benutzung dieser, etwa mit Mautgebühren;
  • CO₂-Gebühren sowie deren Umlage als Klimageld;
  • Kapazitätssteigerung, Digitalisierung und ein attraktiveres Angebot für den ÖPNV: Dies würde vorwiegend im Fernverkehr dem Klima und Gesamtenergieverbrauch des Verkehrssektors zugutekommen;
  • Mehr Lebensqualität durch einen Stadtumbau zur Förderung von autoarmer Mobilität: Laut den Forschenden haben Analysen nahegelegt, dass weniger Autos im Lokalverkehr zu einer erhöhten Nutzung von Bahn und Fernverkehr führt;
  • Mobilitätsmanagement, etwa in Schulen, Behörden und Unternehmen, um den "Alleskönner Auto" abzulösen: Als Möglichkeit nennen die Forschenden die Besteuerung von Firmenwagen;
  • Regulierung des Auto-Verkehrs durch Tempolimits sowie Rückbau und "angepasste Preisgestaltung" öffentlicher Parkplätze als "wirksame Maßnahmen für weniger Energieverbrauch und Emissionen";
  • Effizienz von Elektrofahrzeugen: Hier kritisieren die Forschenden die "zunehmende Sensorik, Vernetzung, Infotainment und Automatisierung" durch die der Energieverbrauch erheblich steige und sich negativ auf die Reichweite der Elektrofahrzeuge auswirke. Es benötige Energieeffizienzstandards, die den Verbrauch benötigter zusätzlicher grüner Energie begrenzen;
  • Eine Anpassung der Elektrofahrzeuge mit "gesteuertem Laden", damit die Fahrzeugbatterien als Speicher genutzt werden können. Damit sei es möglich, "fluktuierende erneuerbare Energien besser in das Energiesystem zu integrieren";
  • Die Förderung ressourcenarmer Elektronik- und Batterieproduktion sowie Recycling.

Neue Grenzwerte reichen "bei Weitem" nicht aus

Ähnliches sagen auch Thomas Grube, Leiter der Arbeitsgruppe "Verkehrstechniken und zukünftige Mobilität" im Institut für Techno-ökonomische Systemanalyse Jülich, und Detlef Stolten, Leiter des Instituts für Techno-ökonomische Systemanalyse Jülich. Sie beschreiben, dass 2019 die durch Verkehr verursachten Emissionen in Deutschland rund 160 Millionen Tonnen betrugen. Seit 1990 sei zudem der Ausstoß der Emissionen nicht rückläufig gewesen.

"Auf dem Weg zur klimaneutralen Mobilität sind drastische Reduktionen notwendig. Die verschärfte Reduktion der Flottengrenzwerte um 55 Prozent statt um 37,5 Prozent bis 2030 im Vergleich zu 2021, die jetzt vom EU‑Parlament angenommen wurde, weist bereits in diese Richtung", erklären die Wissenschaftler. Jedoch liege der Grenzwert dann rechnerisch bei 43 Gramm CO₂ je Kilometer. Ohne vollständigen Umstieg auf Elektromobilität sei das nicht mehr zu schaffen.

Zudem würden die neuen Grenzwerte "bei Weitem" nicht ausreichen, wolle man eine Treibhausgasneutralität bis 2045 erreichen. In Berechnungen der Wissenschaftler liege das im Jahr 2030 mögliche Niveau von CO₂-Emissionen "aller neu zugelassenen Autos bei 22 Gramm je Kilometer". Das liege auch an hohen Kosten, um Flugzeuge und Schiffe CO₂-frei zu bekommen. Das Reduktionspotenzial beziffern die Forschenden aus Jülich bei zehn Prozent bis zum Jahr 2030.

Die Wissenschaftler sind außerdem überzeugt, dass das EU-Ziel, Treibhausgasemissionen um 55 Prozent bis 2030 zu senken, nicht umgesetzt werde, denn die Verordnung betreffe nur Fahrzeugemissionen, jedoch nicht die Kraftstoff‑ oder Ladestromversorgung. Auch die Emissionen von Lastwagen, Schiffen und Flugzeugen blieben unberücksichtigt. "Schließlich betrifft die Verordnung nur Neufahrzeuge. Die Emissionsreduktion erfolgt wegen der Fahrzeuglebensdauer deutlich später", mahnen die Experten.

Verkaufsverbot von Verbrennern hat auch positive Wirkung

Jedoch sehe man auch positive Effekte: Durch das "de facto‑Verkaufsverbot von Verbrennern ab 2035" würde die "Wettbewerbsfähigkeit der Elektroantriebe" vorangetrieben werden. Man gehe davon aus, dass bereits weit vor 2030 Autos mit Batterien ähnliche Leistungen wie Verbrenner erreichen.

Weert Canzler, leitender Forschender vom Wissenschaftszentrum für Sozialforschung in Berlin, erklärte zu dem Beschluss der EU: "Der größte Vorteil der Entscheidung ist, dass so die Autoindustrie und auch die Kunden Planungssicherheit erhalten. Die Elektromobilität ist gesetzt. Klar ist jetzt, dass Verbrenner Auslaufmodelle sind." Weitere Maßnahmen für einen effizienten Übergang zu klimafreundlicher Mobilität seien seiner Meinung nach eine deutlich gesteigerte Effizienz im Verkehr. "Das geht nur mit weniger Autos. Damit die Alternativen zum Auto eine Chance erhalten, müssen die Privilegien des Autos abgebaut werden", erklärt er.

Als Hauptmaßnahme müsse man das nahezu freie Parken innerhalb des öffentlichen Raumes überdenken. Seiner Ansicht nach müsse Parken deutlich teurer werden. Zudem sollten Verkehrsflächen für Autos entsiegelt und gerade innerhalb von Städten umverteilt werden. "Wer sichere Fahrradwege sät, erntet Fahrradverkehr", erklärt Canzler.

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