Der Bundeskanzler möchte den Konflikt um Frauke Brosius-Gersdorf möglichst geräuschlos beilegen. Doch aus der Union gibt es eine Reihe prominenter Wortmeldungen. In der SPD wächst der Zorn.
Der Koalitionskonflikt um die geplatzte Wahl von Frauke Brosius-Gersdorf zur Verfassungsrichterin wird schärfer. Aus der SPD-Bundestagsfraktion kommt massive Kritik an Innenminister Alexander Dobrindt und Forschungsministerin Dorothee Bär (beide CSU). Beide hatten der von der SPD nominierten Juraprofessorin zuletzt öffentlich Ratschläge erteilt: Bär forderte Kritikfähigkeit von Brosius-Gersdorf, Dobrindt legte ihr den Verzicht auf die Kandidatur für das höchste deutsche Gericht nahe.
«Wie sich Dobrindt und Bär zur Causa Brosius-Gersdorf geäußert haben, ist unerträglich. Die Forderungen an die Juristin, ihre Kandidatur ad acta zu legen, sind ein unverschämter Versuch, Konsequenzen aus der gescheiterten Richterwahl der Betroffenen zuzuschieben», sagte die bayerische SPD-Landesgruppenchefin Carolin Wagner.
Den Kardinalfehler im Bundestag hätten aber Unionsfraktionschef Jens Spahn (CDU) und dessen Fraktion zu verantworten. Ruf und Karriere einer hervorragenden Wissenschaftlerin würden durch eine Hetzkampagne beschädigt und die zuständige Ministerin lege der Betroffenen lediglich Selbstkritik nahe – «das ist beschämend», so Wagner.
Merz setzt auf geräuschlose Lösung hinter den Kulissen
Die Wahl der drei Kandidaten für das Bundesverfassungsgericht war am 11. Juli kurzfristig von der Tagesordnung des Bundestages genommen worden. Grund war der Widerstand innerhalb der Unionsfraktion. Entgegen vorheriger Zusagen konnte die Fraktionsspitze die Zustimmung zur Brosius-Gersdorf nicht mehr garantieren.
Wie der Konflikt nun gelöst werden kann, ist völlig offen. Die SPD hält an der Kandidatur von Brosius-Gersdorf fest. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hat wiederholt erklärt, dass man in der Koalition ohne Zeitdruck gemeinsam nach einer Lösung suchen wolle. Dabei schloss er zuletzt auch einen Rückzug von Kandidaten nicht aus. Zugleich verurteilte er die Anfeindungen und Drohungen gegen die Potsdamer Staatsrechtlerin Brosius-Gersdorf als völlig inakzeptabel.
SPD: «Diesen Fehler hat allein die Union zu korrigieren»
Aus der Unionsfraktion kommt aber weiter Kritik an der Kandidatin. Bär verteidigte diese Kritik vor einer Woche in der ARD-Talkshow «Maischberger» und forderte «ein bisschen Resilienz» von der Juraprofessorin. Von jemandem, der sich ins höchste deutsche Gericht wählen lassen wolle, müsse man auch Kritikfähigkeit erwarten können.
Dobrindt wiederum legte Brosius-Gersdorf nahe, selbst Konsequenzen zu ziehen. «Als Bewerberin für eine Position im Verfassungsgericht hat man wohl kaum die Intention, die Polarisierung in der Gesellschaft weiter zu befördern», sagte er der «Augsburger Allgemeinen».