Star-Autor Peter Stamm kehrt nach Bamberg zurück

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Peter Stamm las beim Bamberger Literaturfestival aus seinem neuen Roman. Fotos: Barbara Herbst
Peter Stamm  las   beim Bamberger Literaturfestival aus  seinem neuen Roman. Fotos: Barbara Herbst
Die Bamberger Professorin Andrea Bartl im Gespräch mit Peter Stamm
Die Bamberger Professorin Andrea Bartl im Gespräch mit Peter Stamm
 
 
 
 

Vier Jahre nach seiner umjubelten Poetikprofessur liest der Schweizer Schriftsteller aus seinem neuen Roman.

Auf unaufdringliche Art und Weise ist Peter Stamm ein gut aussehender Mann. Am Montag in der Bamberger Buchhandlung Osiander trug Stamm eine beige Hose, sein kariertes Hemd hatte er an den Ärmeln hochgekrempelt. Der Bartschatten, der sich über das Gesicht des 55-Jährigen legte, dürfte weniger einer Mode als der Zeit geschuldet gewesen sein, die zwischen letzter Rasur und Lesung lag.

Die selbstsichere Uneitelkeit seines Aussehen, die besonnenen Art seines Sprechens und die Sparsamkeit seiner Körpersprache: Peter Stamm könnte einem Peter-Stamm-Roman entsprungen sein.

Unter dem Dach des Bamberger Literaturfestivals (BamLit) las Peter am Montag zwei Kapitel aus seinem neuen Roman "Die sanfte Gleichgültigkeit der Welt". Der Titel zitiert einen Satz aus Albert Camus' Roman "Der Fremde". Wie viel sein eigenes Schreiben dem französischen Schriftsteller und Philosophen verdankt, betonte Stamm auch in Bamberg.

Ihn selbst stellte Andrea Bartl, Professorin für Neuere Deutsche Literaturwissenschaft in Bamberg, in ihrer Moderation als "eine der wichtigsten Stimmen der deutschen Gegenwartsliteratur" vor. In Büchern wie "Agnes", "Nacht ist der Tag" oder "Weit über das Land" schreibt Stamm in seinen eigenen Worten "über Menschen und über Beziehungen zwischen Menschen". Wiederkehrende Motive in den Büchern Stamms sind die Unmöglichkeit der Liebe und der leise Selbstekel, der sich in bleiernen Stunden wie Mehltau über bürgerlich lebende Mitteleuropäer legt. Wie Stamm selbst sind auch die Figuren seiner Bücher oft Autoren.
Auch Christoph und Chris aus "Die sanfte Gleichgültigkeit des Lebens" sind es. Beiden wird ihr Leben zum Romanstoff, wie auch Stamm sein Leben zum Romanstoff wird.


Das Leben als Romanstoff

Als junger Mann jobbte der Schweizer als Nachportier, wie auch Christoph und Chris als junge Männer als Nachtportier jobbten. Stamm schrieb Drehbücher fürs Fernsehen, wie auch Christoph und Chris Drehbücher fürs Fernsehen schrieben. "Ich verwende meine Biografie als Material. Aber ich schreibe keine Autobiografie", sagt Stamm.

Über das Verhältnis zwischen Biografie und Erfindung heißt es in "Die sanfte Gleichgültigkeit der Welt": "Dann müsste sich die ganze Welt verdoppelt haben. Und das hat sie nicht. Nein, sagte ich, das hat sie nicht. Es gibt Unterschiede, Abweichungen. Es sind die Fehler, die Asymmetrien, die unser Leben überhaupt erst möglichen machen."

Und wie er in seinem Roman Christoph für eine Lesung in sein Heimatdorf zurückkehren lässt, kehrt auch Stamm selbst für seine Bamberger Lesung zurück. Im Sommersemester 2014 hielt er vier Poetikvorlesungen an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg. Mit leuchtenden Augen erinnerte sich Andrea Bartl am Montag an diese "wahnsinnig tolle Zeit". Zwei Jahre später hat die Literaturwissenschaftlerin einen Sammelband über die Poetik Peter Stamms veröffentlicht, dessen Titel selbst wie ein Roman Stamms klingt: "Sprechen an der Grenze zum Schweigen". Kein Wort zu viel belasten die Sätze Stamms. Fast schmucklos sind sie in ihrem Verzicht auf überflüssige Adjektive und Metaphern. Begründet ist dieser stilistische Minimalismus allein funktional: "Ich verzichte in meinem Schreiben auf alles, was für die Geschichte nicht von Bedeutung ist."

Gut eineinhalb Jahre hat Stamm an seinem schmalen, 156 großzügig bedruckte Seiten umfassenden neuen Roman geschrieben. In "Die sanfte Gleichgültigkeit der Welt" lässt Stamm Chris und Lena all das erleben, was vor ihnen Christoph und Magdalena schon einmal erlebt haben.


Wachen und Träumen

"Zwar sind Stamms Texte realistisch erzählt, aber sie enthalten immer wieder Episoden im Interim von Wachen und Träumen", schreibt Andrea Bartl über die Poetik Stamms.

In "Die sanfte Gleichgültigkeit der Welt" erkennt Christoph seinen Doppelgänger, als er nach einer Lesung spät am Abend den Nachportier seines Hotels herausklingeln muss. Als der junge Mann die Tür öffnet, blickt Christoph sich selbst in die Augen. "Ich erkannte, dass er ich selbst war."
Untergebracht sind die Autoren des Literaturfestivals im Bamberger Hof. Auch dieses Hotel beschäftigt einen Nachtportier. Vielleicht wird auch Stamm am Mittwoch nach seiner Lesung spät sein Hotel aufgesucht haben.
Sollte er dort dem Nachtportier begegnet sein und in diesem sich selbst erkannt haben - Peter Stamm wäre vielleicht noch nicht einmal erstaunt gewesen.