Tatsächlich hatte es schon vor dem Parteitag in der CSU immer wieder Misstöne bezüglich des Parteichefs gegeben. Am markantesten zutage trat der bröckelnde Rückhalt nach Söders Oktoberfest-Gesangseinlage im Herbst. So viele Klicks und digitale Reichweite sein im Tonstudio produziertes «Sweet Caroline» auch in den sozialen Netzwerken erzielte, gerade bei der konservativen CSU-Basis war das negative Echo deutlich lauter ausgefallen.
«Die Stimmung war für viele auf dem Tiefpunkt, seither hat er gottlob nicht mehr gesungen und auch deutlich weniger Essen gepostet», fasste es damals ein CSU-Vorstand zusammen. In der Tat zeigen Söders Aktivitäten bei Instagram und Co. in den vergangenen Wochen häufiger Schnipsel seiner politischen Arbeit und weniger, was bei Söder auf den Tisch kommt. Sogar Söder selbst hatte sich damals öffentlich zur Kritik geäußert: Er sprach etwa von einer «Gratwanderung zwischen zu viel und zu wenig».
Gibt es eine Söder-Müdigkeit in der CSU?
Hinzu kommt, so heißt es von einigen in der CSU, dass mancherorts inzwischen eine gewisse Söder-Müdigkeit spürbar sei: «Er ist jetzt seit sechs Jahren im Amt und weiterhin ohne Frage als Parteichef wie Ministerpräsident unumstritten und gesetzt, eine gewisse Abnutzung ist aber dennoch vorhanden», sagt ein anderer aus dem CSU-Vorstand. Söder vertritt bei Personalentscheidungen selbst übrigens den Ansatz, jedes politische Amt sei nur eine Ehre auf Zeit.
Kein gutes Vorzeichen für Kommunalwahl im März
Für ahnungsloses Schulterzucken sorgt das Ergebnis auch, weil für die CSU schon in wenigen Monaten, am 8. März 2026, die nächste wichtige Wahl ins Haus steht: Dann werden in Bayern die Kommunalparlamente neu gewählt, die Bürgermeister und die Landräte. 11.600 kommunalpolitische Mandate hat die CSU aktuell inne - damit ist sie der unangefochtene Platzhirsch in Bayern.
Viele in der Partei fürchten, dass sich die Zahl massiv verkleinern wird. Denn mit der AfD steht in immer mehr Kommunen neue Konkurrenz rechts der Mitte zur Wahl, die der CSU auch schon bei Landtags-, Europa- und Bundestagswahlen viele Stimmen gekostet hat. Auch Söder hatte in seiner Rede immer wieder betont, dass die CSU mit Geschlossenheit dagegen ankämpfen müsse. Ob ihm hier auch Delegierte die Stimme verweigerten, die Söders klare Kante gegen die AfD nicht so gut finden - auch darüber spekulieren manche in der Halle.
Der Franke wird nicht nur von seinen politischen Kontrahenten für seine Schlagfertigkeit gefürchtet. «Breitbeinig» nennen viele Kritiker oft sein Auftreten, etwa bei Koalitionsverhandlungen. Dahinter steht nicht nur Söders großes Ego, wie ihm oft und gerne vorgeworfen wird. Vielmehr basiert es auch auf einem über Jahre und Jahrzehnte gewachsenen Selbstbewusstsein, wie Söder auch in seiner Rede immer wieder anklingen lässt. Etwa als er von seinem ersten Besuch beim Aschermittwoch vor 42 Jahren erzählt: «Ich bin seit dieser Zeit süchtig nach der CSU.»
Söder: «Will Geschichte Bayerns und der CSU fortschreiben»
«Es ist schön, Ministerpräsident zu sein, aber eine ganz große Ehre Parteivorsitzender zu sein. Das ist eine schwere Aufgabe», rief Söder in seiner knapp 75-minütigen Rede. «Ich will mit euch die Geschichte Bayerns und der CSU fortschreiben. Die CSU war noch nie eine normale Partei.» Im Gegensatz zum oft pessimistischen Tenor in seiner Rede appellierte Söder an den Optimismus seiner Parteifreunde «in schwierigen Zeiten»: «Wir sind stark, wir sind einig, wir sind die CSU. Wir führen Bayern zu sicheren Ufern. Das ist unser Auftrag und deswegen lasst uns zusammenstehen.»
Wenn am Samstag Kanzler und CDU-Chef Friedrich Merz in München erwartet wird, hatte Söder diesem schon vorab «Rückendeckung» versprochen, er habe sich diese verdient. Nach dieser denkwürdigen Wahl dürfte Söder nun auch dessen Rückendeckung mehr als gut gebrauchen können.