Dieser Parteitag wird Markus Söder noch lange nachhängen: Nur 83,6 Prozent der Delegierten haben ihn wiedergewählt. Aber warum - und vor allem: was bedeutet das für die Zukunft?
Der Kanzler gratuliert sehr höflich. «Lieber Markus, auf weiter gute Zusammenarbeit», sagt Friedrich Merz zu Markus Söder, der ihn eben auf dem CSU-Parteitag begrüßt hat. Zu Söders Prozentergebnis bei dessen Wiederwahl zum CSU-Chef sagt Merz - erwartungsgemäß - aber nichts.
Dabei hat selten eine Zahl für so viel Gesprächsstoff gesorgt auf einem CSU-Parteitag wie diese: Nur 83,6 Prozent hat Söder bei seiner Wiederwahl zum Parteivorsitzenden bekommen - sein bisher schlechtestes Ergebnis überhaupt. Anders gesagt: 104 Delegierten stimmten gegen ihn. Kein Wunder, dass es anschließend quasi kein Gespräch gibt, das sich nicht darum dreht, was die Gründe dafür sind - und vor allem: was das nun für die Zukunft bedeutet.
Welche Erklärungsansätze es gibt:
Hört man sich unter Delegierten um, egal ob Söder-Anhänger oder -Kritiker, so lautet meist der Tenor: Für den Dämpfer dürfte es viele und vielschichtige Gründe geben - eine organisierte oder konzertierte Aktion sei es sicher nicht gewesen. Ganz aktuell hat etwa der Rentenstreit viele in der CSU bewegt - beispielsweise sehen viele Junge die von Söder durchgesetzte Mütterrente kritisch. Haben also viele JU-Mitglieder mit Nein gestimmt? Manche glauben, auch, dass Söders eher ernst-pessimistische Rede ihn Stimmen gekostet hat. Doch die meisten Erklärungsansätze reichen weiter zurück und gehen tiefer.
Da sind viele, die Söders zeitweise ausufernde Social-Media-Aktivitäten, die im Wiesn-Hit «Sweet Caroline» gipfelten, zunehmend kritisch sehen. Aber auch Söders politischer Kurs hat in Teilen der Partei immer wieder für Debatten gesorgt: War das lange Grünen-Bashing zu viel und zu laut, fragen die einen. Ist das kategorische Nein zu jeder Zusammenarbeit mit der AfD, auch auf kommunaler Ebene, richtig, fragen andere - das sind aber eher einzelne.
Teile der Partei werfen Söder schon lange einen mangelnden Mannschaftsgeist und ein zu großes Ego vor - dass es ihm zu oft in erster Linie nur um sich selbst gehe. Die 83,6 Prozent seien eine «ernste Mahnung zu mehr Teamarbeit und Geradlinigkeit», so fasst es ein CSU-Vorstand zusammen. Auch Fans von Parteivize und EVP-Chef Manfred Weber, mit dem Söder seit langem in inniger Feindschaft verbunden ist, könnten gegen Söder gestimmt haben, heißt es. Auffällig: Weber bekommt bei der CSU-Vize-Wahl mehr Prozente als Söder.
Oder macht sich inzwischen schlicht eine gewisse Söder-Müdigkeit breit? Seit 2018 ist der 58-Jährige nun schon Ministerpräsident, seit 2019 CSU-Chef. Ja, Söder sei nimmermüde im Land unterwegs, räumen auch Kritiker ein. Manche meinen dennoch, es gebe gewisse Abnutzungserscheinungen - bei Söder selbst, aber auch in der Partei im Verhältnis zum Parteivorsitzenden. Eine richtige Söder-Dämmerung hat damit aber noch lange nicht eingesetzt.
Was das Ergebnis für Söder persönlich bedeutet:
Für Söder sind die 83,6 Prozent ein empfindlicher Dämpfer. Er ist zwar weiter unangefochten die Nummer eins, aber offensichtlich nicht mehr völlig unumstritten. «Ein ernster Warnschuss» sei das Wahlergebnis, sagt einer aus dem CSU-Vorstand. Zu Söders Glück gibt es allerdings niemandem, der ihm intern gefährlich werden und ihm seine Jobs streitig machen könnte. «Söder hat keinen Söder im Nacken», lautet eine oft gehörte Deutung. Heißt: Es ist in der CSU keine Revolution und es sind auch keine Revolutionäre in Sicht.