Knallharte Forderung zu Silvester: "Wilde Böllerei muss untersagt werden"

4 Min
"Muss untersagt werden": Ärztekammer-Chef mit deutlicher Böller-Ansage
"Muss untersagt werden": Ärztekammer-Chef mit deutlicher Böller-Ansage
Soeren Stache/dpa

Alle Jahre wieder kochen die Emotionen vor Silvester hoch. Nun hat sich der Chef der Bundesärztekammer außerordentlich scharf eingeschaltet. Doch die Schlangen vor den Verkaufsstellen erzählen eine andere Geschichte.

Alle Jahre wieder kochen die Emotionen hoch: Kurz vor dem Jahreswechsel hat der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, eindringlich ein Verbot privater Feuerwerke gefordert. "Niemand hat etwas gegen organisierte Feuerwerke an zentralen Plätzen, doch die wilde Böllerei muss untersagt werden", sagte Reinhardt dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND)

"Die Innenminister von Bund und Ländern müssen endlich handeln und die Bevölkerung vor den Gefahren der Knallerei schützen." Das habe "nichts mit Verbotskultur zu tun", sondern zeuge "von der Einsicht einer reifen Gesellschaft, etwas Gefährliches zu lassen". Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) sprach sich gegen ein Böllerverbot aus. Man müsse nicht immer alles verbieten, sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe. "Wir haben eine Tradition, so Silvester zu feiern." Persönlich sei er aber auch kein Anhänger des Böllerns.

Tradition oder Sicherheit? Streit um Böller-Verbot geht weiter

Ungeregelte Knallerei führe immer wieder zu schweren Verletzungen, warnte hingegen Reinhardt. Jedes Jahr erlitten zahlreiche Menschen Verletzungen durch explodierende Feuerwerkskörper. Kinder und Jugendliche seien häufig von Knalltraumata betroffen. Hinzu kämen Verletzungen am Auge und Verbrennungen. "Das sorgt für volle Notaufnahmen in den Kliniken und kostet die gesetzliche Krankenversicherung Millionen." Zudem habe man in der Vergangenheit immer wieder erlebt, dass Knallkörper als Waffen gegen Polizei, Feuerwehr und Rettungskräfte eingesetzt würden. Viele Menschen hätten auch Angst vor der Knallerei, diese sei schlecht für das Klima und verursache enormen Müll. 

Mit Blick auf die vielen Kriegsflüchtlinge in Deutschland etwa aus der Ukraine oder aus Syrien bezeichnete Reinhardt es als "vollkommen daneben", das neue Jahr mit Raketen zu begrüßen. "Viele von ihnen haben in ihrer Heimat Bomben und Granaten erleben müssen. Da löst die Silvesterknallerei nicht selten sogar Todesängste aus." 

Der neue Geschäftsführer des Bundesverbands für Pyrotechnik und Kunstfeuerwerk, Christoph Kröpl, kritisierte die Darstellung Reinhardts. "Eine Kulturtechnik, die nicht den eigenen ästhetischen Vorstellungen entspricht, soll ausgemerzt werden", meinte er. Die Notaufnahmen seien an Silvester keineswegs aufgrund von Feuerwerkskörpern voll, sondern wegen des intensiven Alkoholkonsums, so Kröpl. Sinnvoller wäre es mit Blick darauf, ein Verbot von Alkohol zum Jahreswechsel zu fordern. Übrigens schilderte ein Feuerwerks-Händler aus dem Kreis Bamberg erst kürzlich, dass er verstärkt Anfeindungen von Böller-Gegnern ausgesetzt sei.

Trotz Warnungen und Verbots-Forderungen: Ansturm auf Feuerwerk groß

Die Warnungen prallen jedoch an vielen Deutschen ab: Zum Start des Verkaufs von Raketen und Böllern für den Jahreswechsel hat es in der Nacht zum Montag einen Ansturm auf Geschäfte gegeben. Im niedersächsischen Meppen im Emsland unweit der niederländischen Grenze bildete sich vor einem Markt, der bereits um Mitternacht öffnete, eine lange Schlange. Zu sehen waren Menschen mit Einkaufswagen, die in der Kälte darauf warteten, dass sich die Türen öffneten.

In Bremerhaven warteten schon in der Nacht viele Menschen vor einem Feuerwerkshersteller, der am Morgen seinen Verkauf startete. Viele kamen in Gruppen und vertrieben sich die Zeit mit Spielen und Musik. Andrang am Morgen auch in Hamburg-Harburg: "Wir hatten um 5.30 Uhr eine Schlange von 100 bis 130 Leuten und das bricht nicht ab und nimmt eher zurzeit zu", sagte Feuerwerkshändler und Pyrotechniker Oliver Graetzer der Deutschen Presse-Agentur in Hamburg. Er hat rund 250 Artikel im Angebot.

Seit Mitternacht darf bundesweit Pyrotechnik für Silvester verkauft werden. Auch Onlineshops dürfen vorab bestellte Böllerware an den letzten drei Werktagen des Jahres an die Haustüren liefern lassen. Der Verband der pyrotechnischen Industrie (VPI) rechnet gegenüber dem Vorjahr mit 10 bis 15 Prozent mehr Ware im Handel. 2024 verzeichnete die Branche nach eigenen Angaben einen Umsatz von 197 Millionen Euro (2023: 180 Millionen).

Deutsche geben viel Geld für Feuerwerk aus - Menschen "übermütig"

In Meppen sagte ein junger Mann in der Nacht vor einem Verkaufsladen, sein Budget für Pyrotechnik betrage 500 bis 600 Euro. Er rechne damit, dass auch viele Kunden aus den Niederlanden kommen. Dort gilt zum nächsten Jahreswechsel für Privatleute ein Böllerverbot, nachdem in den vergangenen Jahren die Gewalt zugenommen hatte.

Die Berliner Feuerwehr rief dazu auf, den Verkauf von Feuerwerk einzuschränken. "Wir begrüßen jegliche Art der Reglementierung", sagte Feuerwehrsprecher Vinzenz Kasch im RBB-"Inforadio". "Wir empfehlen, beim Verkauf anzusetzen, denn das Problem ist die unverantwortliche Nutzung des Silvesterfeuerwerks." Schon vor dem offiziellen Start des Verkaufs von Raketen und Böllern für den Jahreswechsel warnte die Gewerkschaft der Polizei (GdP) vor den Gefahren des Silvesterfeuerwerks. "Zunehmend sind Menschen übermütig und verwenden legale Gegenstände wie Böller oder Raketen unsachgemäß", sagte der GdP-Vorsitzende Jochen Kopelke der Deutschen Presse-Agentur. 

Nach dem vergangenen Silvester war in Deutschland die Diskussion über ein Böllerverbot wegen schwerer Vorfälle mit sogenannten Kugelbomben neu entfacht worden. Sie sind wegen ihrer hohen Explosionskraft hierzulande nicht für den Allgemeingebrauch zugelassen. Rund um den Jahreswechsel starben fünf Männer bei Böller-Unfällen. Es gab zudem Angriffe auf Einsatzkräfte. Die GdP forderte mehr Böllerverbote und Schutzzonen in Städten. Eine solche Regelung werde dazu führen, dass Silvester sicherer werde und es weniger Angriffe gebe, sagte Kopelke. Die Innenminister von Bund und Länder konnten sich zuletzt aber nicht auf ein Verbot von privatem Feuerwerk einigen.

Auch Gewalt an Silvester wird kritisiert - Forderungen an Innenminister

Dazu sagte die Fraktionschefin der Grünen im Bundestag, Katharina Dröge: "Es ist absolut unverständlich, dass Bundesinnenminister Dobrindt Städte und Gemeinden nicht unterstützt und absichert, dass Menschen in der Silvesternacht ordentlich geschützt werden können." Alexander Dobrindt (CSU) müsse die Sprengstoffverordnung ändern, damit der Missbrauch von Feuerwerkskörpern rechtssicher unterbunden werden könne, forderte Dröge. Der Verkauf von gefährlichen Feuerwerkswaffen müsse verhindert werden.

In den vergangenen Wochen hatten Polizei und Zoll immer wieder illegale Pyrotechnik beschlagnahmt. Die Berliner Polizei hatte zum Beispiel Mitte Dezember mitgeteilt, riesige Mengen an illegalen Böllern, Raketen, Kugelbomben und anderen Feuerwerkskörpern aus dem Verkehr gezogen zu haben. Auf der A12 bei Frankfurt (Oder) waren in einem Kleintransporter 500 Kilogramm Pyrotechnik sichergestellt worden. 

Der Zoll warnt immer wieder: Manche Produkte, die in benachbarten Ländern oder online angeboten werden, würden nicht den deutschen Sicherheitsstandards entsprechen. Bei Kontrollen an der Grenze zu den östlichen EU-Ländern war ebenfalls Pyrotechnik sichergestellt worden. Mit Blick auf die bereits aufgestockte Zahl an Bundespolizisten an der Grenze sagte der GdP-Chef: "Die Kontrollen sind auf einem Höchststand, aber der Online-Handel nimmt zu und muss vom Zoll unterbunden werden."