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"Generalstreik" im Januar: Was das wirklich bedeutet - und wem Kündigung droht


Autor: Lea Mitulla

Berlin, Sonntag, 14. Januar 2024

Keine Bauern, keine Lastwagen, keine Bahn: Ab dieser Woche sind in Deutschland großangelegte Streiks und Proteste geplant. Droht tatsächlich ein Generalstreik? Das wären die Folgen.
Hunderte Traktoren blockieren am Montagmorgen (8. Januar 2024) das Kreuz der Bundesstraßen B303 und B279 bei Pfaffendorf nahe Maroldsweisach im unterfränkischen Landkreis Haßberge anlässlich einer Protestaktion auf einer Fahrspur.


Deutschland steht zum Start von 2024 ein Super-Streik bevor. Nicht nur die Lokführer der Deutschen Bahn wollen im Januar ihre Arbeit niederlegen, auch Landwirte und Spediteure haben Proteste angekündigt. Seit Montag, dem 8. Januar, herrscht deshalb vielerorts der Ausnahmezustand.

Die Streiks der Lokführergewerkschaft GDL hatten bereits im vergangenen Jahr begonnen. Claus Weselsky, Chef der GDL, verkündete einen "Weihnachtsfrieden" - am 8. Januar läuft dieser aber aus. Aufgrund der Jahrestagung des Deutschen Beamtenbundes (DBB) am 8. und 9. Januar, ist der erste Streik jedoch erst für Mittwoch (10. Januar 2024) angekündigt. Bahnkunden müssen sich auch danach auf kurzfristig anberaumte Streiks einstellen. Zwischen drei und fünf Tagen soll der Bahnverkehr jeweils stillgelegt werden.

Streiks und Proteste ab 8. Januar 2024: Lokführer, Landwirte und Spediteure gehen auf die Barrikaden

Wie Weselsky betonte, sei man bereit, von weiteren Aktionen abzusehen, wenn die Arbeitgeber Zugeständnisse machen. In den bisherigen Verhandlungen ist die Bahn hart geblieben. Die GDL fordert eine bessere Bezahlung für die Lokführer sowie verkürzte Wochenarbeitszeit für Schichtarbeiter. Statt 38 Stunden sollen diese nur noch 35 Stunden in der Woche arbeiten, bei voller Bezahlung. Die Bahn hält das aufgrund des Fachkräftemangels für unrealistisch.

Deutschlands Bauern protestieren währenddessen gegen den Sparkurs der Bundesregierung. Die Ampel-Koalition wollte sowohl die Steuervergünstigung für Agrardiesel als auch die Befreiung landwirtschaftlicher Fahrzeuge von der Kfz-Steuer abschaffen.  Aus diesem Grund startet am Montag (8. Januar) eine Aktionswoche, die am 15. Januar mit einer Großdemonstration in Berlin enden soll. Die Proteste waren schon im Voraus so heftig, dass der Bund teilweise einlenkte. Die Steuerbefreiung soll nun bleiben, an der Abschaffung der Agrardiesel-Vergünstigung hält der Bund jedoch fest - nicht in einem Schritt wie zunächst geplant, sondern über drei Jahre gestreckt. Den Landwirten ist das nicht genug. "Unsere Demonstrationspläne werden wir nicht stoppen", sagte Christoph Huber, Vorstandmitglied des Vereins "Landwirtschaft verbindet Bayern", und kritisierte die Streckung über drei Jahre. "Aus unserer Sicht ist das ein fauler Kompromiss."

Bereits im Dezember kam es zu bundesweiten Protesten, bei denen Landwirte teils mit Traktoren den Verkehr blockierten. Der Bauernverband rief allerdings dazu auf, in der Aktionswoche von "sinnlosen Blockaden" abzusehen. "Die Bevölkerung haben wir hinter uns, das dürfen wir nicht verspielen", so Verbandspräsident Joachim Rukwied. Inzwischen sehen die meisten regionalen Bauernverbände das jedoch anders. So erklärte Bayerns Bauernpräsident Günther Felßner, dass die Intensität der Proteste im Laufe der Woche zunehmen werde. Sollte die Bundesregierung nicht einlenken, schloss er auch Eingriffe in die Infrastruktur sowie Arbeitsniederlegungen mit Auswirkungen für die Versorgung der Bevölkerung nicht aus. "Wir werden notfalls Deutschland lahmlegen." Wo es in Franken zu Verkehrsblockaden kommt, erfährst du hier.

BGL-Vorsitzender warnt: "Keine Landwirte und keine Lkw bedeuten keine Versorgung"

Auch das Transportwesen will sich der Aktionswoche anschließen. Die Spediteure ärgern sich besonders über die Erhöhung der Lkw-Maut. Seit Dezember werden 200 Euro mehr pro Tonne CO₂ fällig. Der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) fordert in einem Aufruf etwa Entlastungen bei Maut und Diesel-Kraftstoff sowie grundsätzlich mehr Geld für Straßen, Brücken und Parkplätze. "Es ist fünf nach zwölf", sagte Dirk Engelhardt, Vorsitzender des BGL, im Gespräch mit der Bild. "Klar ist: Die Bauern und die Transportbranche halten Deutschland am Laufen. Keine Landwirte und keine Lkw bedeuten keine Versorgung."

Die Auswirkungen könnten einen "Horror-Start ins neue Jahr" bedeuten, warnte Sachsen-Anhalts Wirtschaftsminister Sven Schulze gegenüber der Zeitung. Laut Schulze könnten sich auch die Gastronomen dem Protest anschließen. Er forderte daher die Ampel-Koalition auf, über Weihnachten Ergebnisse vorzulegen, um den Streik zu verhindern - was nicht geschah.

Das Verkehrsministerium reagierte dagegen gelassen und wies darauf hin, dass ein Generalstreik verboten sei. Laut Arbeitsrecht ist es nicht verhältnismäßig, wenn Arbeiter aus allen Branchen ihre Arbeit komplett niederlegen - und damit tatsächlich rechtswidrig. Im Gegensatz zum üblichen Arbeitskampf ist ein Generalstreik zudem nicht rechtlich geschützt. Statt gegen einen Tarifpartner richtet er sich gegen die Politik und soll diese zum Handeln zwingen. Sogenannte politische Streiks sind zwar nicht explizit verboten, ziehen aber rechtliche Konsequenzen nach sich.

Generalstreik in Deutschland - welche Strafen sind möglich?

Wie aus einer Ausarbeitung des Bundestags hervorgeht, kann das nicht nur eine Klage auf Unterlassung zur Folge haben, sondern auch Schadensersatzforderungen. Nicht ohne Grund ist daher in den offiziellen Ankündigungen nicht von einem Streik die Rede. In den sozialen Medien organisieren sich jedoch noch weitere Bürger: Eine Facebook-Gruppe mit dem Namen "Generalstreik 8.1.24" zählt bereits mehr als 11.000 Mitglieder.

Noch mehr Menschen erreichen jedoch die Beiträge, die zur Teilnahme aufrufen und neben Facebook auch auf WhatsApp, Telegram, TikTok und anderen Plattformen kursieren. Wer dem Aufruf nachkommt, nimmt jedoch an einem sogenannten "wilden Streik" teil. Denn offiziell dürfen nur Gewerkschaften zum Streik aufrufen, ein wilder Streik ist rechtswidrig. Wer am 8. Januar nicht zur Arbeit kommt, muss mit arbeitsrechtlichen Sanktionen rechnen. Diese können von einer Abmahnung bis hin zur fristlosen Kündigung reichen.

Die Aufrufe sollen auch in Kanälen mit Bezug zu rechtsextremistischen Gruppen, der Querdenker- und Reichsbürger-Szene die Runde machen. Es besteht die Sorge, dass diese Gruppen den Protest der Landwirte für ihre politischen Zwecke nutzen wollen.

Der Bauernverband äußerte sich dazu bereits im Vorfeld auf Facebook. "Der Deutsche Bauernverband distanziert sich aufs Schärfste von Schwachköpfen mit Umsturzfantasien, Radikalen sowie anderen extremen Randgruppen und Spinnern, die unsere Aktionswoche kapern und unseren Protest für ihre Anliegen vereinnahmen wollen", schreibt der Verband. Zuvor gab es Berichte über Fahnen und Symbole von rechtsextremen Gruppen und Parteien bei den jüngsten Bauernprotesten.