"Völlig inakzeptabel": Landwirte in Franken halten an Protestplänen fest - Regionen warnen vor Verkehrschaos

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Kommende Woche wollen Landwirte gegen die Politik der Bundesregierung protestieren, inklusive möglicher Verkehrsblockaden. Die SPD wirft die Frage auf, ob die Staatsregierung mit zweierlei Maß misst: Klimademonstranten von der Straße räumen, bei Bauern Milde walten lassen.

Update vom 04.01.2024, 20.28 Uhr: SPD fordert - Polizei muss protestierende Bauern behandeln wie Klimaaktivisten

Ungeachtet der Zugeständnisse des Bundes wird es in der kommenden Woche voraussichtlich zu flächendeckenden Bauernprotesten in Bayern kommen, inklusive möglicher Verkehrsblockaden. Der Bayerische Bauernverband (BBV) und der Verein "Landwirtschaft verbindet Bayern" lehnten die Berliner Zugeständnisse am Donnerstag (4. Januar 2024) übereinstimmend ab. Beide Organisationen wollen die geplanten Demonstrationen daher nicht stoppen. In mehreren Kommunen herrscht Sorge, dass der Verkehr zusammenbrechen könnte. Von Bauern beantragt sind zahlreiche Kundgebungen an Verkehrsknotenpunkten und Autobahnauffahrten.  

Die Ampel-Koalition wollte ursprünglich sowohl die Steuervergünstigung für Agrardiesel als auch die Befreiung landwirtschaftlicher Fahrzeuge von der Kfz-Steuer abschaffen. Diese Steuerbefreiung soll nun bleiben, doch an der Abschaffung der Agrardiesel-Vergünstigung hält der Bund fest - nicht in einem Schritt wie zunächst geplant, aber über drei Jahre gestreckt.

"Der Erhalt der Befreiung von der Kfz-Steuer für Traktoren und Erntemaschinen ist nicht ausreichend, der Bundestag muss auch die Streichung der Rückerstattung der Energiesteuer auf Agrardiesel zurücknehmen", sagte BBV-Präsident Günther Felßner dazu. Das fordert auch "Landwirtschaft verbindet Bayern". "Unsere Demonstrationspläne werden wir nicht stoppen", sagte Vorstandsmitglied Christoph Huber und kritisierte die Streckung über drei Jahre. "Aus unserer Sicht ist das ein fauler Kompromiss."

Bundesweite Aktionswoche gegen Kürzungspläne geplant 

Erster Tag der geplanten Protestwoche ist der kommende Montag. In den Kommunen wird befürchtet, dass die Situation aus dem Ruder laufen und ein einigermaßen geregelter Verkehr unmöglich werden könnte. Ein Beispiel: Stadt und Landkreis Schweinfurt. "Da insbesondere neuralgische Verkehrsknotenpunkte mit landwirtschaftlichen Fahrzeugen blockiert werden sollen, kann es zu spürbaren Verkehrsbeeinträchtigungen in der ganzen Region kommen", teilten die beiden Kommunen mit. "Es ist auch davon auszugehen, dass die Auffahrt auf Autobahnen (insbesondere die A70) stark eingeschränkt ist und teilweise nicht möglich sein wird."

Andere fränkische Regionen sind ebenfalls betroffen. In Pressemitteilungen warnen auch die Landratsämter aus Ansbach, Aschaffenburg, Forchheim, Main-Spessart und Würzburg vor Verkehrsbehinderungen. Zusätzlich könnte der mögliche Streikbeginn der Lokführergewerkschaft für weiteres Chaos sorgen. Der Würzburger Landrat Thomas Eberth hofft, dass die Demonstranten kein Verkehrschaos in der kommenden Woche verursachen. "Vor allem in Hinblick auf Verkehrswege für Rettungskräfte, Patientenfahrdienste und den öffentlichen Personennahverkehr appelliere ich daran, dies bei den derzeitigen Überlegungen der beteiligten Protestler zu berücksichtigen", so Eberth.

Im Allgäu erließ die Stadt Memmingen vorbeugend eine Allgemeinverfügung: "Die Not- und Rettungswege sind zu jeder Zeit freizuhalten und gegebenenfalls auf Anweisung der Polizeibeamten frei zu räumen", heißt es in der Anordnung. Verboten hat die schwäbische Kommune zudem Protestfahrten auf der Autobahn und deren Auf- und Abfahrten. Besorgte Wortmeldungen und Appelle an die protestierenden Bauern gab es auch aus mehreren anderen Kommunen.

Innenministerium erwartet 5000 Teilnehmer zu Kundgebung

Der Bauernverband plant im Rahmen einer bundesweiten Protestwoche mehrere Traktor-Kundgebungen in Bayern. Zum Auftakt am kommenden Montag (8. Januar 2024) ist eine Kundgebung in München geplant, wie der Bayerische Bauernverband auf seiner Webseite mitteilte. Laut Innenministerium werden dazu 5000 Teilnehmer erwartet. Am 10. Januar solle dann in Augsburg protestiert werden, am 12. in Nürnberg.

Bayerns SPD-Chef Florian von Brunn forderte konsequentes Vorgehen bei Straftaten und Rechtsverstößen. Er verstehe, dass die Bauern protestieren und damit ihr wichtiges Grundrecht wahrnehmen wollten, "aber es darf natürlich nicht mit zweierlei Maß bei protestierenden Bauern und der 'Letzten Generation' gemessen werden", sagte von Brunn.

Mit Blick auf die angekündigten Proteste und Streiks am 8. Januar erklärte von Brunn, ihm lägen "Hinweise darauf vor, dass die protestierenden Landwirte planen, Autobahnen zu blockieren". Daher habe er bereits an Weihnachten das Innenministerium gefragt, ob Behörden und Polizei in Bayern auch entsprechende Hinweise vorlägen und inwieweit sie auf Autobahnblockaden und mögliche Straftaten und Rechtsverstöße vorbereitet seien. "Falls solche Hinweise belastbar sind, werden polizeiliche Maßnahmen - etwa Ingewahrsamnahmen - geprüft, um mögliche Straftaten wie Nötigungen zu verhindern?"

Holetschek bekräftigt Solidarität mit Landwirten

In der Vergangenheit hatte die Polizei in Bayern Klimaaktivisten zur Verhinderung von Protesten in sogenanntes Präventivgewahrsam genommen, CSU-Politiker Alexander Dobrindt hatte die Klimaaktivisten mit Terroristen verglichen. Nach dem Polizeiaufgabengesetz können Bürger nach einer richterlichen Entscheidung bis zu einem Monat lang festgehalten werden, um die Begehung einer Ordnungswidrigkeit von erheblicher Bedeutung für die Allgemeinheit - etwa die Blockade wichtiger Straßen - oder eine Straftat zu verhindern.

Die innenpolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion Christiane Feichtmeier sagte: "Einen Freifahrtschein für rechtswidrige Proteste gibt es für niemanden! Auch bei den Bauernprotesten dürfen keine Rettungskräfte behindert werden."

Der Chef der CSU-Landtagsfraktion, Klaus Holetschek, warf der SPD vor, die Landwirte schon vor Beginn der Protestwoche zu kriminalisieren. "Die CSU steht dagegen fest und mit großer Solidarität an der Seite unserer Landwirtschaft, die durch die Ampel-Politik teils um ihre Existenz kämpfen muss."

Bayerische Staatsregierung ruft Ampel-Koalition zum vollständigen Verzicht auf Kürzungspläne auf

Der Hintergrund dieser Debatte und der SPD-Vorwürfe: Viele Bauern standen der CSU politisch über Jahrzehnte nahe. In den vergangenen Jahren kam es jedoch zu zunehmender Entfremdung zwischen Landwirten und der Partei, verstärkt unter anderem durch die Verschärfung von bürokratischen Vorgaben und Umweltvorschriften. Im Bauernverband gibt es zudem Sorgen, dass Extremisten insbesondere aus dem rechten Lager auf die Proteste aufspringen könnten.

Auch die Führungsetage des Bauernverbands ist in den vergangenen Jahren von Seiten der Mitgliedschaft unter Druck geraten, weil viele Landwirte die Verbandsspitzen in Berlin und Landeshauptstädten als zu nachgiebig empfinden. Und innerhalb der Staatsregierung gibt es beständige Konflikte hinter den Kulissen, weil Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) versucht, sich zum Sprachrohr bäuerlicher Anliegen zu machen. Das löst immer wieder Ärger in der CSU aus, wie aus Partei und Staatsregierung zu hören ist.

Die bayerische Staatsregierung forderte die Berliner Ampel-Koalition zum vollständigen Verzicht auf ihre Kürzungspläne bei den Vergünstigungen für die Bauern auf. Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU) kritisierte das teilweise Zurückweichen der Koalition als nicht ausreichend.

Bauernverband will Protestaktionen bis zur endgültigen Entscheidung des Bundestags fortsetzen

Es dürfe keine faulen Komprimisse geben, sagte die Landwirtschaftsministerin. "Unsere Bauernschaft braucht dringend Entlastung", kommentierte Kaniber. Die Nachbesserungen seien unmoralisch und inakzeptabel. "Landwirtinnen und Landwirte brauchen Planungssicherheit und verlässliche Rahmenbedingungen, um Lebensmittel produzieren zu können." Die Kürzungsvorschläge müssten ganz vom Tisch. "Sonst laufen wir Gefahr, dass auf breiter Front Landwirte aufgeben und sich die Verlagerung der Nahrungsmittelerzeugung in andere Länder drastisch beschleunigt. Was das für unsere Eigenversorgung mit Lebensmitteln bedeutet, kann sich jeder selbst ausmalen." BBV-Präsident Füracker ergänzte: "Die Bundesregierung hat ihren schweren Fehler endlich erkannt, aber leider nur teilweise."

Auch Füracker bezeichnete die neuen Vorschläge aus Berlin als "völlig inakzeptabel". Die Land- und Forstwirte dürften nicht das von der Ampel verschuldete Haushaltschaos bezahlen müssen. "Die Landwirtschaft ist für unser Land und die Menschen von enormer Bedeutung, hier darf es keine Einschnitte geben", sagte der CSU-Politiker. "Die Branche ist ohnehin massiv gefordert."

 Der Bauernverband will nach Felßners Worten die Protestaktionen bis zur endgültigen Entscheidung des Bundestags voraussichtlich in der dritten Kalenderwoche fortsetzen. Neben der Zurücknahme der Abschaffung der Steuerbegünstigung beim Agrardiesel fordert der Bauernverband auch die Befreiung regional erzeugter Biokraftstoffe von der Energiesteuer.

Ursprungsmeldung vom 04.01.2024, 15.47 Uhr: Nach Bauern-Protesten auch in Franken - So will die Regierung nun reagieren

Die Ampel-Koalition will geplante Kürzungen von Subventionen für Landwirte teilweise zurücknehmen. Demnach soll es keine Streichung der Kfz-Steuerbefreiung für die Landwirtschaft geben, wie die Bundesregierung am Donnerstag (4. Januar 2024) mitteilte. Die Abschaffung der Steuerbegünstigung beim Agrardiesel werde nicht in einem Schritt vollzogen.

Darauf hätten sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) und Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) verständigt, so der Sprecher der Bundesregierung.

Bundesregierung rudert nach Protesten zurück: Keine Abschaffung der Steuerbegünstigung beim Agrardiesel 

Auf die Abschaffung der Begünstigung bei der Kraftfahrzeugsteuer für Forst- und Landwirtschaft werde verzichtet, um den "zum Teil erheblichen bürokratischen Aufwand" für die betroffenen Unternehmen zu vermeiden, hieß es.

Bei der Steuerbegünstigung beim Agrardiesel soll eine schrittweise Reduzierung erfolgen, um den betroffenen Unternehmen mehr Zeit zur Anpassung zu geben. Im Jahr 2024 erfolgt laut Bundesregierung eine Reduzierung des Entlastungssatzes um 40 Prozent. In den Jahren 2025 und 2026 werde jeweils eine weitere Reduzierung um 30 Prozent erfolgen, so dass für im Jahr 2026 verbrauchte Mengen keine Subvention mehr erfolge. Die Rück-Vergütung der im Jahr 2023 verbrauchten Mengen im Jahr 2024 bleibe unverändert.

Scholz, Habeck und Lindner hatten sich Mitte Dezember auf ein Maßnahmenpaket verständigt, um nach einem Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts Milliardenlöcher im Bundeshaushalt zu stopfen. Dazu gehörte auch, dass der sogenannte Agrardiesel und die Kfz-Steuerbefreiung für Landwirte gestrichen werden sollten.

Bundesweite Aktionswoche gegen Kürzungspläne geplant 

Die Pläne hatten massive Proteste der Landwirte ausgelöst und waren auch innerhalb der Koalition aus SPD, Grünen und FDP umstritten. Der Deutsche Bauernverband hat ab Montag zu einer Aktionswoche gegen die geplanten Kürzungen aufgerufen. Am 15. Januar ist eine Großdemonstration in Berlin geplant. Bauernpräsident Joachim Rukwied hatte die Kürzungspläne als unzumutbar bezeichnet, die Ampel solle sie komplett zurücknehmen.

Auch in Franken demonstrierten die Landwirte in Bamberg oder Hof gegen die geplanten Kürzungen. Bereits vor der geplanten bundesweiten Aktionswoche der Landwirte waren erste Protestaktionen geplant. Fränkische Landratsämter warnten für Montag vor Verkehrsbehinderungen durch die Demonstranten

Konkret geht es um die Regelung, dass sich Landwirtschaftsbetriebe die Energiesteuer für Diesel teilweise zurückerstatten lassen können - mit einer Vergütung von 21,48 Cent pro Liter. Daneben geht es darum, dass land- und forstwirtschaftliche Fahrzeuge von der Kfz-Steuer befreit sind.

Maßnahmenpaket soll Milliardenlöcher im Bundeshaushalt stopfen

Scholz, Habeck und Lindner hatten sich Mitte Dezember nach langen Verhandlungen auf Einsparungen im Haushalt 2024 verständigt. Sie mussten nach dem Karlsruher Haushaltsurteil eine Finanzlücke von rund 30 Milliarden Euro im Kernhaushalt und im Klima- und Transformationsfonds stopfen.

Vorschaubild: © Stefan Puchner (dpa)