Gewohnheit stumpft ab. Wann haben Sie das letzte Mal den Dom bewusst angesehen? Das Alte Rathaus? Es ist auch schwer, sich durch Touristenschwärme zu kämpfen. Der Einheimische flüchtet schnell.
Gut, dass es den fremden Blick gibt. Michaela Eichwald, noch bis März Stipendiatin der Villa Concordia, hat ihre Kamera benutzt, um ihre Eindrücke festzuhalten. Sie sind, als Fotos auf Stellwänden zusammenmontiert, bis 15. Februar in der Villa zu sehen. Nebst zwei in Bamberg entstandenen Gemälden. Die Exposition trägt den schönen Namen "Gesellschaft III. Die Bamberger Kondition unter besonderer Berücksichtigung der Auslegung allen Geschehens".
Groß geworden in der Kölner Kunstszene
Welcher schon darauf hinweist, auf welchen Feldern sich die 1967 in Gummersbach geborene Künstlerin bewegt: außer der bildenden Kunst mit Malerei, Fotografie und Objekten
Michaela Eichwald ist in der Kölner Kunstszene der neunziger Jahre groß geworden, im Umfeld der Zeitschriften "Texte zur Kunst" und "Spex", was auch ihre Vertrautheit mit Themen wie Hardcore Punk oder Straight Edge erklärt. Die Künstlerin stellt u. a. in Brüssel, Tokio, Paris oder im New Yorker Moma aus. Großformatige Werke wie "Pofalla (willst Du mir jetzt komplett den Garaus machen)" (2010) oder "Beziehungswahn" hinterlassen beim Betrachter erst einmal Ratlosigkeit, wie auch die Expertin Barbara Kahle gestand, die zur Vernissage redete. Abstrakter Expressionismus fällt einem vielleicht ein, eine der führenden Richtungen der Neoavantgarde im 20. Jahrhundert.
Deutlicher wird es schon, wenn der Name Francis Picabia (1879-1953) als großer Einfluss auf Eichwald fällt. Der, aus der Dada- und Surrealistenbewegung stammend, mochte sich keiner politischen und künstlerischen Doktrin beugen und gilt als einer der Urväter des "Bad Painting". Was nun auch wieder nicht so leicht zu fassen ist: als absichtliches "Schlechtmalen", als Ironisierung, als Modifizierung vorgefundener Objekte, als Rehabilitierung von Kitsch. "Kunst zwischen Spaß und Ernst" umschrieb Kahle diese Spielart, für die außer Picabia auch Namen wie Sigmar Polke oder Julian Schnabel stehen.
Kunsleder, Lacke und Tinkturen
Wobei Eichwald nicht auf "Bad Painting" zu reduzieren ist. Ihr in Bamberg entstandenes großformatiges Werk "Die 100 schönsten Persönlichkeitsrechte" - ein kleineres ist unbenamst - zeigt alle Charakteristika ihrer Arbeitsweise. Die seit 2008 in Berlin lebende Künstlerin verwendet gerne Materialien wie Kunstleder, Lacke und Tinkturen, wild zusammenkomponiert und aufgetragen, mit ironischen Verweisen auf Künstler und Kunst und Gesellschaft, "urbane Höhlenmalerei" fand Kahle als schöne Umschreibung.
Doch den übergroßen Anteil der aktuellen Ausstellung bestreiten Fotos, die Eichwald während ihrer bisherigen Zeit in Bamberg geschossen hat. Ja, der etwas flapsig wirkende Ausdruck drängt sich auf. Beiläufig, schnell aufgenommen, Momente einer Stadt, die dem Einheimischen gar nicht auffallen. Alkoholisierte sind festgehalten, ein dicker Mann im Cabrio, immer wieder die für die Großstädterin wohl besonders ungewohnte Natur mit Vogelnestern oder einem NPD-Plakat ins Grün gebettet. Ganz kann sie es doch nicht lassen, und so wird auf einer Stellwand der Vers "In den Rauchwolken der Zornigen" einmontiert, ein Psalm und der Titel einer Zeichnung von Picasso.
Am Eingang der Ausstellung steht jedoch eine Installation der Stipendiatenkollegin Michele Di Menna. Geboren 1980 in Vancouver, gilt sie als "eine der international wichtigsten Vertreterinnen der Performance-Kunst" (Kahle). Ihr "Witch Nose Peace Arch" ist von Krippenfiguren inspiriert, wie unschwer zu sehen ist. Von "Hexennasen" überwölbten Figuren. Doch die bühnenbildartige Konfiguration ist nur eine Marginalie. Es dominieren die vielen Fotografien. Keine Kompositionen, dafür mit Erkenntnisgewinn für den einen oder die andere.
"Gesellschaft III. Die Bamberger Kondition unter besonderer Berücksichtigung der Auslegung allen Geschehens", neue Arbeiten von Michaela Eichwald mit einem Beitrag von Michele Di Menna, ist bis 15. Februar zu sehen im Künstlerhaus Villa Concordia, Bamberg, Concordiastr. 28. Öffnungszeiten Mo.-Do. 8-12, 14-16 Uhr, Fr. 8-13 Uhr, Sa./So. 11-16 Uhr. Freier Eintritt.
Gut, dass es den fremden Blick gibt. Michaela Eichwald, noch bis März Stipendiatin der Villa Concordia, hat ihre Kamera benutzt, um ihre Eindrücke festzuhalten. Sie sind, als Fotos auf Stellwänden zusammenmontiert, bis 15. Februar in der Villa zu sehen. Nebst zwei in Bamberg entstandenen Gemälden. Die Exposition trägt den schönen Namen "Gesellschaft III. Die Bamberger Kondition unter besonderer Berücksichtigung der Auslegung allen Geschehens".
Groß geworden in der Kölner Kunstszene
Welcher schon darauf hinweist, auf welchen Feldern sich die 1967 in Gummersbach geborene Künstlerin bewegt: außer der bildenden Kunst mit Malerei, Fotografie und Objekten
auch auf dem der Literatur, kürzeren oder gelegentlich längeren Texten, die auf ihrem Blog www.uhutrust.com (uhu steht für "um die hundert" [Leser]), einer wahren Fundgrube für kunstaffine Trouvaillen aller Art, versammelt sind.
Michaela Eichwald ist in der Kölner Kunstszene der neunziger Jahre groß geworden, im Umfeld der Zeitschriften "Texte zur Kunst" und "Spex", was auch ihre Vertrautheit mit Themen wie Hardcore Punk oder Straight Edge erklärt. Die Künstlerin stellt u. a. in Brüssel, Tokio, Paris oder im New Yorker Moma aus. Großformatige Werke wie "Pofalla (willst Du mir jetzt komplett den Garaus machen)" (2010) oder "Beziehungswahn" hinterlassen beim Betrachter erst einmal Ratlosigkeit, wie auch die Expertin Barbara Kahle gestand, die zur Vernissage redete. Abstrakter Expressionismus fällt einem vielleicht ein, eine der führenden Richtungen der Neoavantgarde im 20. Jahrhundert.
Deutlicher wird es schon, wenn der Name Francis Picabia (1879-1953) als großer Einfluss auf Eichwald fällt. Der, aus der Dada- und Surrealistenbewegung stammend, mochte sich keiner politischen und künstlerischen Doktrin beugen und gilt als einer der Urväter des "Bad Painting". Was nun auch wieder nicht so leicht zu fassen ist: als absichtliches "Schlechtmalen", als Ironisierung, als Modifizierung vorgefundener Objekte, als Rehabilitierung von Kitsch. "Kunst zwischen Spaß und Ernst" umschrieb Kahle diese Spielart, für die außer Picabia auch Namen wie Sigmar Polke oder Julian Schnabel stehen.
Kunsleder, Lacke und Tinkturen
Wobei Eichwald nicht auf "Bad Painting" zu reduzieren ist. Ihr in Bamberg entstandenes großformatiges Werk "Die 100 schönsten Persönlichkeitsrechte" - ein kleineres ist unbenamst - zeigt alle Charakteristika ihrer Arbeitsweise. Die seit 2008 in Berlin lebende Künstlerin verwendet gerne Materialien wie Kunstleder, Lacke und Tinkturen, wild zusammenkomponiert und aufgetragen, mit ironischen Verweisen auf Künstler und Kunst und Gesellschaft, "urbane Höhlenmalerei" fand Kahle als schöne Umschreibung.
Doch den übergroßen Anteil der aktuellen Ausstellung bestreiten Fotos, die Eichwald während ihrer bisherigen Zeit in Bamberg geschossen hat. Ja, der etwas flapsig wirkende Ausdruck drängt sich auf. Beiläufig, schnell aufgenommen, Momente einer Stadt, die dem Einheimischen gar nicht auffallen. Alkoholisierte sind festgehalten, ein dicker Mann im Cabrio, immer wieder die für die Großstädterin wohl besonders ungewohnte Natur mit Vogelnestern oder einem NPD-Plakat ins Grün gebettet. Ganz kann sie es doch nicht lassen, und so wird auf einer Stellwand der Vers "In den Rauchwolken der Zornigen" einmontiert, ein Psalm und der Titel einer Zeichnung von Picasso.
Am Eingang der Ausstellung steht jedoch eine Installation der Stipendiatenkollegin Michele Di Menna. Geboren 1980 in Vancouver, gilt sie als "eine der international wichtigsten Vertreterinnen der Performance-Kunst" (Kahle). Ihr "Witch Nose Peace Arch" ist von Krippenfiguren inspiriert, wie unschwer zu sehen ist. Von "Hexennasen" überwölbten Figuren. Doch die bühnenbildartige Konfiguration ist nur eine Marginalie. Es dominieren die vielen Fotografien. Keine Kompositionen, dafür mit Erkenntnisgewinn für den einen oder die andere.
"Gesellschaft III. Die Bamberger Kondition unter besonderer Berücksichtigung der Auslegung allen Geschehens", neue Arbeiten von Michaela Eichwald mit einem Beitrag von Michele Di Menna, ist bis 15. Februar zu sehen im Künstlerhaus Villa Concordia, Bamberg, Concordiastr. 28. Öffnungszeiten Mo.-Do. 8-12, 14-16 Uhr, Fr. 8-13 Uhr, Sa./So. 11-16 Uhr. Freier Eintritt.